Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das belastbare Restvermögen, die verbliebene Restsubstanz der Bundesrepublik hat bisher die ungeheuren Besatzungskosten, die sonstigen Kriegsfolgelasten und die gewaltige, aber ungenügende Versorgung von Millionen von Vertriebenen tragen müssen. Diese Lasten erfahren in der Zukunft keine Verminderung, sondern eine beträchtliche Erhöhung. Für diese Leistungen gibt es kein Beispiel in unserer Geschichte, ich glaube aber auch, sagen zu dürfen, kein Beispiel in der Geschichte irgendeines anderen Volkes auf dem Erdball. Dazu kommt nun der Lastenausgleich, der den Rechtsanspruch der Kriegsgeschädigten befriedigen soll. Die Lösung des Lastenausgleichsproblems kann aber nur — und daran kann kein vernünftiger Mensch vorbeigehen — in Bezugnahme auf die vorhandene Belastung der Substanz gefunden werden. Die Abgabe für den Lastenausgleich darf unter keinen Umständen zu einer Zersplitterung dieser Substanz führen, da eine zersplitterte Substanz nicht mehr in der Lage wäre, die Mittel für die laufenden Forderungen aufzubringen.
Der uns vorliegende Gesetzentwurf geht von dieser Erkenntnis aus, und darum bejahen wir ihn im Prinzip.
Wir müssen aber darauf aufmerksam machen, daß wir noch Gefahren für die Abgabenseite sehen, die wir bei den Verhandlungen im Ausschuß beachtet wissen möchten. Da ist einmal das Problem der Verzinsung. Die fünfzigprozentige Abgabe soll die ganze Laufzeit von 30 Jahren hindurch zu 4 %, 3 % bzw. 2 % verzinst werden, und zwar soll diese Verzinsung immer von der gesamten Summe gezahlt werden, so daß im letzten Jahre von einer kleinen Restsumme praktisch 100 % Zinsen erhoben werden. Wir erachten es für notwendig, daß die Verzinsung in Abständen zu der noch vorhandenen Abgabesumme in Beziehung gesetzt wird.
Es ist auch wohl nicht angängig, daß man landwirtschaftlichen Besitz, der schon durch die Bodenreform in Anspruch genommen ist, zu der Abgabe heranzieht wie den übrigen Besitz, zumal feststeht, daß der bisher abgegebene Besitz zu nur etwa 40 % des Einheitswertes vergütet wurde.
Beim Hausbesitz muß vor allen Dingen darauf Rücksicht genommen werden, daß es ein Unterschied ist, ob ich ein Haus in einer größeren Stadt oder Großstadt oder in einem kleinen Orte auf dem Lande habe. Ich muß also die Abgabe zu den Erträgnissen in Beziehung setzen. Das ist in dem Entwurf bisher nicht geschehen.
Das Wesentliche ist aber, daß der öffentliche Besitz herangezogen wird. Die Ausnahmen, die man gemacht hat, gehen uns doch ein wenig zu weit. Es ist von unserem Standpunkt aus einfach nicht zu verantworten, den landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Besitz in der öffentlichen Hand — das sind 78 % der Forsten! — ganz auszulassen. Wir wünschen also, daß die Ausnahmeliste noch wesentlich eingeschränkt wird.
Dann ist es uns ein besonderes Anliegen, daß wir die Stiefkinder, die wir in der Bundesrepublik haben, sorgsam behandelt wissen wollen. Das sind die Flüchtlingsländer mit ihrer Überzahl von Menschen. Hier haben diejenigen, die fünf Jahre hindurch die Leistungen aufbrachten, Ungeheures tun müssen, mehr als die in anderen Ländern, wo die Verhältnisse besser liegen; sie haben an Grund-, Gemeinde-, Kreissteuern Summen aufbringen müssen, die mit den Summen in den glücklicheren Ländern gar nicht in Vergleich zu setzen sind; sie werden es weiter tun müssen; denn Sie wissen genau, daß die Umsiedlung für diese Länder keine große Erleichterung bringen wird. Da ist es wohl recht, wenn wir verlangen, daß für die Betreffenden, die ja nun nicht das Doppelte leisten können, hier in irgendeiner Form ein prozentualer Abschlag kommen muß.
Nun, meine Damen und Herren, komme ich zu der Ausgleichsseite. Es ist für uns selbstverständlich, daß für die Ausgleichsseite der quotale Lastenausgleich in Frage kommt. Wir wünschen die individuelle Behandlung.
Ich muß sagen, daß mir die individuelle Behandlung im Gesetzentwurf noch nicht weit genug geht. Das betrifft vor allen Dingen den größten Teil der Vertriebenen. Es ist doch so, daß etwa 40 % von den Verdrängten, aber auch von den Bombengeschädigten, Menschen sind, die Vermögen im eigentlichen Sinne hatten, daß aber 60 % Vermögen in diesem Sinne überhaupt nicht hatten; sie hatten nur Hausrat, allerdings darin oft ein großes Vermögen angelegt. Meine Damen und Herren, ich habe mit meinem Kollegen, Herrn Nöll von der Nahmer, in dem Feststellungsausschuß darum gekämpft, daß diese Menschen unter keinen Umständen so gesehen werden, als hätten sie kein Eigentum gehabt.
Aus europäischer Auffassung heraus darf es keinen Menschen geben, der kein Eigentum hat, und in Wirklichkeit haben wir auch keine Menschen gehabt, die nichts hatten. Der Hausrat stellte Eigentum dar und muß auch so behandelt werden.
Es wird nun gesagt — auch der Herr Finanzminister ist der Meinung —, daß dann für den Existenzaufbau zuwenig Geld bliebe. Ich bin gegenteiliger Meinung. Denn wenn ich den Hausrat als Vermögen sehe, dann bekommen die 60%, die ja auch eine Existenz aufbauen sollen, ebenfalls Mittel dazu, wenn es auch bescheidene Mittel sind, und nicht nur die 40 %.
Ich weiß aus Erfahrung, daß es sehr viele Vertriebene gibt, denen man kreditmäßig bisher nicht helfen konnte. Aber wenn man ihnen jetzt auf Grund eines wirklichen früheren Vermögens an Hausrat einen Anspruch gibt, sind sie in der Lage, sich eine Existenz aufzubauen. Ich glaube, dadurch wird die Möglichkeit, produktionsmäßig wieder etwas aufzubauen, etwas zu schaffen, den Menschen eine Existenz zu geben — das ist doch das Prinzip,
das für den Lastenausgleich maßgebend sein muß —, wesentlich erweitert.
Meine Damen und Herren, wir können uns auch nicht damit abfinden, daß man als Höchstgrenze der Anerkennung von Vermögen 150 000 DM gesetzt hat und dann zu der Höchstentschädigung von 15 000 DM im Grundbetrag kommt. Wie soll ein ausgebombter Betrieb mit 15 000 DM hier wieder aufbauen? Es wären dafür vielleicht ein paar 100 000 DM nötig, um Hunderte von Menschen in Arbeit und Brot zu bringen. Das gilt nicht nur für den Ausgebombten, für den Einheimischen hier, das gilt auch für einen großen Teil der Vertriebenen. Es muß unter allen Umständen dafür gesorgt werden, daß hier Ausnahmen möglich sind, damit neue Produktions- und dadurch neue Arbeitsstätten geschaffen werden können; dazu ist den Geschädigten im Interesse der anderen Geschädigten, die dann wieder einen Arbeitsplatz finden, aus dem Lastenausgleich eine Möglichkeit zu geben.
Es ist selbstverständlich — mein Kollege Kuhlemann hat es eben schon gesagt —, daß das Altsparer-Problem nicht in der Weise abgetan wird, wie es in dem § 325 geschieht. Darüber werden wir uns noch ausführlich unterhalten müssen.
Zum Schluß, meine Damen und Herren: Der Bundesrat hat Stellung genommen und sehr viele Einwendungen gemacht. Wenn er aus Länderinteressen Einwendungen macht, so ist er dazu berechtigt. Wenn er beispielsweise damit nicht einverstanden ist, daß die Vermögensteuer den Ländern zum Teil genommen wird oder daß die öffentliche Hand, der öffentliche Besitz der Länder in Mitleidenschaft gezogen wird, so ist dagegen nichts einzuwenden, darüber kann man sprechen. Wenn aber der Bundesrat dazu übergeht, sich zum Parlament zu machen und politische Grundsatzfragen zu erwägen, dann geht das zu weit, dann stimmt das mit dem Grundgesetz nicht mehr überein.
Das muß ihm einmal gesagt werden. Für grundsätzliche politische Fragen ist der Bundestag zuständig und niemals der Bundesrat.
Wir denken nicht daran, die Einsprüche, die der Bundesrat in dieser Hinsicht gemacht hat, in irgendeiner Weise zu billigen und zu unterstützen, nein, wir lehnen sie in aller Schärfe ab.