Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist oft schwer im Leben eingerichtet, daß man ausgerechnet dann reden muß, wo man lieber noch ein bissel warten würde. Aber in dem Fall hat mich das Schicksal so getroffen. Ich muß sagen, es kommt mir so vor, als wenn manchmal Vorstellungen herrschen, die nicht realisierbar und nicht greifbar sind. Ja, wenn die Frage des Lastenausgleichs so zu lösen wäre, daß ich gewissermaßen auf einen elektrischen Knopf drücke und dann die Vermögensumschichtung zwischen denen, die etwas haben wollen, und zwischen denen, die etwas hergeben müssen, erfolgen könnte, dann hätte der Herr Kollege Kather vollständig recht. Aber das ist leider nicht der Fall.
Ich habe schon ausgeführt, daß wir von der CDU/ CSU naturgemäß positiv zu dem Lastenausgleich stehen. Ich habe das dem Hohen Hause des langen und breiten schon einmal auseinandergesetzt. Es handelt sich nur um die Frage der Durchführung des Lastenausgleichs. In einem hat Herr Kollege Kather recht, ja man könnte ihm sogar noch weiter entgegenkommen, wenn sich das Problem so lösen ließe, daß wir die 30jährigen Leistungen für den Lastenausgleich, also die Leistungen jedes Jahr hindurch, zum großen Teil in einmalige Leistungen umwandeln; aber das geht aus eigener Kraft nicht, dazu gehört, daß das vorfinanziert, daß der Lastenausgleich mobilisiert wird. Dieses Problem der Mobilisierung des Lastenausgleichs ist aber das Problem, das den quotalen Lastenausgleich nicht so zuläßt, wie ihn Kollege Kather propagiert hat, sondern es muß der soziale Lastenausgleich im Vordergrund stehen, jener Lastenausgleich, der der Sicherung der Existenzen und der Schaffung von Arbeit und Brot für viele Menschen dient, die auch früher keinen Besitz hatten und nun zu uns herübergekommen sind. Sie sehen immer nur die Frage von der Seite derer, die etwas besessen haben. Es sind aber auch sehr viele da, die zu uns herübergekommen sind, die schon immer lediglich auf Brot und Arbeit angewiesen waren und die alle ihren Hausrat verloren haben. Dazu kommen die, die noch etwas besessen haben, sie sollen auch im Lastenausgleich angemessen berücksichtigt werden. Aber ich bin der Meinung, daß man die Kirche im Dorf lassen muß, wie es sich gehört, und daß man keine übertriebenen Vorstellungen haben darf.
Jetzt kommt die eine Seite: Lastenausgleich bedeutet Einebnung zwischen denen, die etwas hergeben müssen, und denen, die etwas bekommen müssen, bedeutet, Gerechtigkeit walten zu lassen, bedeutet, daß hier unter allen Umständen ein Gesetz beobachtet werden muß, für das ich mich einsetzen möchte, das ist das, daß der Lastenausgleich für die Wirtschaft tragbar gemacht wird. Denn ein Lastenausgleich, der die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit übersteigt, ist ein schlechter Lastenausgleich und wird nicht zum sozialen Frieden, sondern zum dauernden Unfrieden in unserem Volke führen. Deswegen müssen hier die Grenzen richtig gezogen werden, und sie müssen dort liegen, wo derjenige, der dem anderen hilft — ich habe schon einmal das Beispiel des Blutspenders an anderer Stelle gebraucht: der ist gerne bereit, seinen schwächeren Mitmenschen zu helfen, aber er ist nicht bereit, sein ganzes Blut dem anderen zu geben, weil er dann selber dabei zugrunde geht und der andere dann auch geschädigt ist —, selbst zugrunde zu gehen droht; eine Hilfe findet also da ihre Grenze, wenn sie dem, der hilft, jede Verdienst- und Arbeitsmöglichkeit nimmt, wenn die Wirtschaft zum Erliegen kommen würde. Das sind Gesichtspunkte, die in wirtschaftlicher Hinsicht berücksichtigt und in den Vordergrund geschoben werden müssen.
Herr Kollege Kather, ich könnte jetzt, wenn Sie nicht mein Fraktionskollege wären, eine schöne Bemerkung machen.
Ich will das aber unterlassen.
Eine schöne Idee war das nicht, ausgerechnet den Einheitswert anzugreifen. Da kommen Sie auch in die tiefsten Jagdgründe meiner agrarischen Seele hinein.
Herr Kollege Kather, da beginnen bei mir die „Kater"-Ideen.
Das kann unter keinen Umständen gemacht werden. Sie sind doch ein ausgezeichneter Anwalt, und wir zwei stehen ja persönlich besser da, als es momentan ausschaut, und verstehen auch vom Steuerwesen etwas. Es ist doch ein alter Begriff, daß die
Verkaufswerte je nach den Wirtschaftskonjunkturen schwanken, und sie können unmöglich für größere wirtschaftliche Berechnungen zugrunde gelegt werden: denn hier kommt die Nachhaltigkeit des Ertrages und die Bedeutung des Wertes für den Betrieb in Frage. Das ist der Gesichtspunkt, der hier eine Rolle spielt und der auch in weiten Kreisen unumstritten ist.
Wir wollen von der landwirtschaftlichen Seite unbedingt an der Sache festhalten. Ja, es kommt dann der andere Grundsatz, den ich hier auch schon mal erläutert habe. Ich stehe deswegen auf dem Sandpunkt, daß dieses Lastenausgleichsgesetz gründlich von den zuständigen anderen Ausschüssen nach der wirtschaftlichen Seite hin mitberaten werden muß, wenigstens indem diese Ausschüsse angehängt werden. Herr Kollege Kunze, hier muß Landwirtschaft und Ernährung auf der einen Seite und auch die Wirtschaft auf der anderen Seite unbedingt mitsprechen, weil es sich darum handelt, den Gesetzentwurf so sachverständig zu untermauern, daß er nach allen Seiten hin gerecht geregelt und für die Wirtschaft tragbar wird.
Glauben Sie mir, eines kann man nicht wegstreichen, daß der Umsatz in der Wirtschaft und die Leistungsfähigkeit des einzelnen Sachvermögens durchaus unterschiedlien sind. Ich habe hier Berechnungen vor mir — ich will nur darauf hinweisen, ich Labe die Ziffern hier im Hause schon einmal auseinandergesetzt und das kann an anderer Stelle noch einmal geschehen —, aus denen genau hervorgeht, wie unterschiedlich die Bedeutung des Umsatzes beispielsweise in Einzelhandelsgeschäften, in der verarbeitenden Industrie usw. ist, wie es dann auf der anderen Seite beim Hausbesitz aussieht, wie es beim landwirtschaftlichen Besitz, bei unserem Bauerntum aussieht, wo wir den langweiligsten Umsatz haben. Das brauche ich nicht extra zu betonen. Und der Umsatz des Hausbesitzes ist auch gewissermaßen eingeengt, weil er über gewisse Mieteinnahmen nicht hinaus kann. Infolgedessen ist nach meiner Überzeugung auch der Hausbesitz noch einer besonderen Würdigung zu unterziehen; denn wenn der Hausbesitz zugrunde geht, ist damit auch den Ausgewiesenen und Ausgebombten nicht gedient.
Wir werden also diese Fragen einer gründlichen Erörterung unterziehen müssen. Bezüglich dieser Gesichtspunkte stehe ich persönlich mit einer ganzen Anzahl von Freunden auf dem Standpunkt, daß hier der erste Schäffersche Entwurf die Grundgedanken der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft besser herausgearbeitet hat, als es jetzt im Regierungsentwurf der Fall ist.
Es muß einmal ausgesprochen werden: wir wollen dadurch den Regierungsentwurf nicht in Bausch und Bogen ablehnen, sondern wir wollen uns eine gründliche Prüfung der Verhältnisse vorbehalten, denn es ist notwendig, daß insbesondere auch draußen auf dem Lande der soziale Frieden erhalten bleibt. Glauben Sie mir, ich habe heute große Befürchtungen: Nicht bloß der soziale Friede in den großen Industriezentren ist hier und da gefährdet, sondern der soziale Friede ist auch bereits auf dem Lande so erschüttert, daß er genau so gefährdet werden kann wie in den städtischen Betrieben.
Das ist meine große Sorge. Hier dürfen die Interessengegensätze draußen nicht überspitzt und
nicht zu groß gemacht werden. Hier muß gewisser-
maßen auch auf das Naturrecht des Bauernbetriebes zurückgegangen werden.
Es kommt hinzu, daß der Gesetzentwurf in einem unzulänglich ist, weil er keine Berücksichtigung der mitarbeitenden Kinder des Bauern enthält, wenigstens nicht in ausreichendem Maße. Glauben Sie mir, wir werden der Landflucht nicht Herr werden, wenn wir nicht den Kindern des Bauern wieder ein gewisses Heimatgefühl und eine Bodenständigkeit und eine Sicherung ihrer Verdienstmöglichkeit auf ihrem eigenen Hofe verleihen, damit sie wirklich wissen, daß sie für ihren Vater nicht bloß umsonst arbeiten, sondern daß sie das Recht haben, auch den gerechten Lohn zu beanspruchen. Das ist die Frage des Bauerntums, die heute an uns herantritt. Deswegen muß ähnlich wie im Erbschaftsteuergesetz auch hier eine Bestimmung hineinkommen, wonach diejenigen Kinder des Bauern vom 15. Lebensjahre aufwärts, die nicht genügend Barlohn erhalten haben, diesen Barlohn entsprechend abgerechnet bekommen, damit der soziale Lastenausgleich auch innerhalb der Bauernfamilie in gerechter Weise zur Durchführung gebracht wird. Das sind Gesichtspunkte, die dabei eine Rolle spielen. Daß naturgemäß die Steuersätze insgesamt im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft einer Überprüfung nach den verschiedenen Kategorien bedürfen, darauf habe ich schon hingewiesen und brauche es jetzt nicht mehr besonders zu betonen.
Der Herr Finanzminister hat einmal ein schönes Wort gesprochen — ich gebe auch auf jedes Wort vom Herrn Bundesfinanzminister Obacht, denn die Geschichten sind doch so: Finanzministern, wenn sie auch der eigenen Partei angehören, darf man nicht ganz über den Weg trauen; die muß man schon unter Kontrolle halten —, er hat ein wunderbares Wort von der Sanierung der Soforthilfe geprägt, also Wechselbeziehung zwischen Einkommensteuernovelle und Lastenausgleich. Diese Sanierung des Lastenausgleichs — und jetzt komme ich zu einem wesentlichen Punkt — ist zwar bei den größeren Einkommen erfolgt, aber nicht bei den kleineren und mittleren Einkommen und nicht bei den Einkommen, wo das Sachvermögen im Verhältnis zum Umsatz wesentlich größer ist als bei den größeren, rasch rotierenden und sich rasch umsetzenden Vermögen.
- Das habe ich schon immer ausgeführt. Wissen Sie, oft dringe ich mit meiner Klugheit nicht durch. Das ist ja auch das Schicksal des Menschen.
Was ich denen alles gesagt habe-die das nicht
befolgt haben —, das ist ja auch eine Frage für sich.
Man muß natürlich denen immer gut zureden, damit sie endlich das annehmen, was notwendig ist.
— Ja, ihr von der SPD müßt mir bezüglich des kleinen und mittleren Hausbesitzes und des Bauerntums unbedingt herhalten; denn das ist auch eine soziale Frage. Da können wir die Dinge nicht bis zum äußersten überspitzen. Ich weiß, wenn man hier bestimmte sachliche Kreise in diesem Hause, die überall da sind, ermuntert und von den parteipolitischen Verhältnissen absieht — Herr Kollege Kriedemann, ich habe das Vertrauen zu Ihnen —, dann werden wir doch miteinander in verschiedenen Fragen mit Ihnen auf einen grünen Zweig kommen,
der dann ewig grünen möge, damit man nicht bloß die Agitation im Volke sieht, sondern — und jetzt komme ich zum Schluß — damit man die sachliche Arbeit sieht, damit man sieht, daß wir sowohl denjenigen, die etwas bekommen sollen, unter allen Umständen helfen wollen, als auch, daß wir denen gerecht werden, die die Leistungen aufbringen müssen, damit nicht durch untragbare Leistungen der schönste soziale Lastenausgleich von Hause aus illusorisch und zunichte gemacht wird.