Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stellt sich Ihnen, um mit dem Herrn Abgeordneten Kriedemann zu reden, ein Vertreter nicht der grünen, sondern der sogenannten falschen Front vor. Ich bin zwar kein Gutsbesitzer, ich habe auch keine Tagelöhner hinter mir, und ich pflege auch nicht zu Wahlversammlungen zu reiten; trotzdem habe ich keinen Zweifel, daß der Herr Abgeordnete Kriedemann die Geschädigtenorganisationen, wenn auch nicht mich persönlich gemeint hat, wenn er immer wieder von den sogenannten wilden Leuten gesprochen hat, die nichts im Herzen und im Sinn haben, als die früheren Besitzverhältnisse herzustellen. Nun, Herr Kriedemann, das wundert mich nicht. Ich denke noch an die Zeit, da Sie im Zonenbeirat so energisch gegen das Koalitionsrecht der Vertriebenen gesprochen haben.
Herr Kriedemann hat den Begriff des quotalen Lastenausgleichs als ein Schlagwort bezeichnet. Nein, Herr Kriedemann, das ist nun einmal zufällig kein Schlagwort; das ist ein sehr genau abgegrenzter Begriff, der zu Irrtümern und Auslegungen nicht den geringsten Anlaß gibt. Sie haben es auch verpönt, daß man in diesem Zusammenhang von sozialer Befriedung spricht. Aber am Schluß Ihrer Ausführungen haben Sie das vergessen und selbst von der Befriedung der Welt gesprochen, die wir im Rahmen dieses Lastenausgleichs erreichen wollen. Sie haben den Ruf nach Sachlichkeit erhoben; aber als allzu sachlich konnte ich Ihre Ausführungen nicht empfinden.
Meine Damen und Herren! Wir müssen uns in dieser Stunde bewußt sein, daß Millionen und aber Millionen heute auf Bonn sehen und auf uns hören, Menschen, die seit vielen Jahren darauf warten, daß endlich der versprochene Lastenausgleich kommt, und wir werden nur dann zu richtigen Entscheidungen kommen können, wenn wir uns dieses Übermaßes an Verantwortung, das uns vor unserem Volke und der Welt obliegt, bewußt sind.
Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang noch ergänzend sagen, daß ich hier als Abgeordneter, in erster Linie meine Auffassung vortrage, daß diese aber in vollem Umfange der Auffassung entspricht, die die Vertreter sämtlicher Geschädigtenverbände gestern und vorgestern in Bonn gebilligt haben, als sie ihre Haltung und ihre Forderungen zum Lastenausgleich noch einmal einer Prüfung unterzogen haben.
Auch ein Pessimist unter uns hätte es noch vor kurzem nicht für möglich gehalten, daß wir in diese Stunde unter so ungünstigen Vorzeichen eintreten würden, wie es tatsächlich der Fall ist. Die Regierung hat uns einen Entwurf vorgelegt, der von der Gesamtheit der Geschädigten als unannehmbar bezeichnet worden ist.
— Auf die Prozente komme ich später noch zu sprechen.
Der Bundesrat hat es in einer sehr kurzen Verhandlung fertigbekommen, diesen Entwurf noch ganz wesentlich zu verschlechtern, bzw. Vorschläge in dieser Richtung zu machen. Es ist nicht das erste Mal, daß der Bundesrat eine solche Haltung gegenüber den Vertriebenen einnimmt. Ich erinnere an das Sperrgesetz und an die Frage der Umsiedlung. Es ist hier der Egoismus der Länder wieder einmal deutlich zum Vorschein gekommen. Man lehnt die Kriegsschadenrente ab. Mit Recht! Auch wir tun das; wir lehnen sie in dieser Form ab, wie sie im Entwurf niedergelegt ist. Aber der Sinn und Zweck der Bundesratserklärung ist doch, daß die sogenannte Vollrente aus dem Lastenausgleich geht und damit eine wesentliche Entlastung des Wohlfahrtsetats der Länder herbeigeführt wird.
Es muß doch Erstaunen erregen, daß von derselben Seite — und man darf ja wohl den Herrn Kriedemann dazu rechnen — es abgelehnt wird, die Betriebe der öffentlichen Hand zur Abgabe heranzuziehen.
Auch wir sind dagegen, daß die Vertriebenen weiter auf Fürsorge angewiesen bleiben. Es muß eine andere Form gefunden werden; aber es muß ebensosehr verhindert werden, daß der Lastenausgleich dem Zwecke der Entlastung des Wohlfahrtsetats der Länder dient.
Die Länder wollen auch die Vermögensteuer nicht hergeben. Die Vermögensteuer ist ja die einzige, die gewährleistet, daß die Leistungen aus der Abgabe, die nach dem Stichtag berechnet ist und deshalb im Laufe der Zeit immer geringer wird, gleichmäßig ausfallen; sie kann daher für die Zwecke des Lastenausgleichs nicht entbehrt werden.
Die einschneidendste Verschlechterung, die der Bundesrat vorgenommen hat, ist aber die Streichung der Hauptentschädigung. An ihre Stelle soll die Eingliederungshilfe treten, die nur in Form eines langfristigen Darlehns gewährt wird. Das ist nach der Vorstellung aller Geschädigten und, wie ich annehmen möchte, auch nach der der übergroßen Mehrheit unseres Volkes unvereinbar mit dem Begriff, den man notwendigerweise mit einem Lastenausgleich verbindet,
der in einem Ausgleich zwischen dem erhaltenen Zufallsbesitz und dem erlittenen Zufallsschaden bestehen muß.
Dieser Beschluß ist, wie wir schon gehört haben, mit einer Stimme Mehrheit gefaßt worden. Es ist aufschlußreich, daß der Finanzminister von Württemberg-Baden — er gehört auch zu den Neinsagern — vor wenigen Tagen die Haltung seines Kabinetts im Landtag mit Zeitdruck entschuldigt hat; man habe den Entwurf weder im einzelnen noch im ganzen prüfen können
und habe deshalb unter dem Vorbehalt gehandelt, in einem späteren Stadium der Gesetzgebung auf diese Dinge zurückzukommen.
Meine Damen und Herren, das deutsche Volk wird für diese Behandlung einer Schicksalsfrage ersten Ranges kein Verständnis haben, und daran wird sich auch nichts ändern, wenn es erfährt, daß der Präsident des Bundesrats am Schluß der Sitzung seiner tiefen Befriedigung über die so schnelle und sachgemäße Erledigung eines so schwierigen Problems Ausdruck gegeben hat.
Es gibt Anzeichen dafür, daß man auch im Bundestag eventuell ein solches Schnellverfahren durchexerzieren will. Ich möchte den Herren, die solche
Gelüste haben, doch den Rat geben, diese zu unterdrücken. Nachdem die Geschädigten so viele Jahre gewartet haben, werden wir uns um eines Zeitgewinns von fünf oder sechs Wochen willen nicht überfahren oder überrumpeln lassen; wir werden schnelle, aber auch gründliche Arbeit leisten müssen.
Es ist im Hinblick auf die Haltung des Bundesrats schon von einem anderen Mitglied dieses Hauses vor einigen Tagen mit Recht gesagt worden, daß dadurch das Prinzip des Föderalismus an sich überhaupt aufgerufen wird. Das muß ich unterstreichen. Die Vertriebenen sind von Natur keine Föderalisten; aber sie wären bereit gewesen, dem, was natürlich gewachsen und geschichtlich geworden ist, ihre Achtung zu zollen. Wenn der Bundesrat so weitermacht, dann wird er sie zu hundertprozentigen Zentralisten erziehen. Man soll nicht vergessen, daß diese Gruppe, die immerhin 8 Millionen ausmacht, eines Tages in dieser Frage den Ausschlag geben könnte.
Während der Regierungsentwurf einen Rechtsanspruch auf die Hauptentschädigung anerkennt und auch die quotale Schadensvergütung wenigstens dem Grunde nach in Vorschlag bringt, wird vom Bundesrat beides abgelehnt. Die knappe Mehrheit, die das beschlossen hat, war eine sozialdemokratische Mehrheit, und die Erklärungen, die der Herr Senator Dudek im Bundesrat und Herr Abgeordneter Seuffert im Rundfunk abgegeben haben, und auch die Ausführungen, die der Herr Abgeordnete Kriedemann gemacht hat, haben deutlich ergeben, daß wir hier die Stellungnahme der Sozialdemokratischen Partei vor uns haben.
Meine Damen und Herren! Das, was dort in Vorschlag gebracht worden ist und wird, ist begrifflich überhaupt kein Lastenausgleich.
Weder die völlig unzureichende Hausratsversorgung noch die sogenannte Vollversorgung von 80 plus 30 plus 20 DM kann diese Maßnahmen zu einem Lastenausgleich stempeln. Denn dazu gehört unerläßlich eine wenn auch nur anteilige Erstattung des Verlorengegangenen, wie ich mir Ihnen schon auszuführen erlaubte. An dieser Beurteilung vermag auch nichts zu ändern, wenn man letzten Endes sagt: Nun ja, wenn nach Erledigung der sozialen Aufgaben noch etwas übrigbleibt, dann können Sie in Gottes Namen auch noch eine Vermögensentschädigung vornehmen. Wenn man etwas derartiges im Zeitpunkt der Gesetzgebung sagt, so weiß man ja, wie die Sache praktisch nach Jahr und Tag läuft; sie verläuft nämlich im Sande.
Für einen Bauern, Handwerker oder Kaufmann aus dem Osten oder für einen Bombengeschädigten im Westen sieht die Situation nach dieser Konzeption nun so aus: Er bekommt eine Hausratsentschädigung, über deren Höhe noch zu reden sein wird, aber von der man annehmen kann, daß sie unzulänglich ist, und bekommt, wenn er nicht mehr neu anfangen kann, die sogenannte Vollversorgung, deren Höhe ich eben schon hier ausgeführt habe. Und wenn er noch einmal von neuem anfängt, dann bekommt er einen Kredit, entgegen der wirtschaftlichen Erfahrung, daß es doch kaum möglich ist, ein neues Unternehmen zu hundert Prozent auf Kredit anzufangen, also ohne jedes Eigenkapital. Der Entschädigungsberechtigte wird damit dem Wohl- oder Übelwollen bürokratischer Stellen ausgeliefert. Man braucht nur an die Erfahrungen zu denken, die wir gerade bei der Aufbauhilfe, die heute so sehr gerühmt wurde, gemacht haben. Das, was Sie vorhaben, ist kein Lastenausgleich, genau so wenig, wie das Soforthilfegesetz ein Lastenausgleich war, und genau so wie man damals mit vollem Bewußtsein nicht irgendwie den Begriff Lastenausgleich verwendet hat, sondern gesagt hat: „Gesetz zur Milderung sozialer Notstände", genau so könnte man diese Aktion auch nennen: „Hilfsaktion zugunsten unbemittelter und hilfsbedürftiger Kriegsgeschädigter.
— Weil ich zu Ihnen spreche!
— Den Grund müssen Sie beim Bundesrat suchen.
Der Bundesrat hat es fertig bekommen, daß der Herr Finanzminister etwas in Windschutz gekommen ist.
Die Notwendigkeit eines Ausgleichs der sozialen Spannungen wird allgemein anerkannt und ist auch heute anerkannt worden. Aber auf diese Weise kann ein solcher Ausgleich nicht bewirkt werden. Die Reichen bleiben reich und die Armen bleiben arm.
— Seien Sie nicht so ungeduldig! Die andere Seite kommt auch noch daran! — Glauben Sie, daß ein Vertriebener befriedigt wird, wenn er statt bisher 70 in Zukunft 80 DM Unterhaltshilfe bekommt? Er wird nicht befriedigt.
— Warten Sie ab! — Er verliert jeden Glauben an Recht und Gerechtigkeit und wird bereit werden für jeden Radikalismus.
Welches sind die Gründe für eine so befremdliche und geradezu unverständliche Auffassung?
— Ich bin beim Thema! Ich bin bei der Ablehnung des quotalen Ausgleichs durch die SPD.
Die ganzen Ausführungen ergeben, daß diejenigen, die den quotalen Lastenausgleich ablehnen, sich die Hauptfrage überhaupt nicht oder nur ungenügend vorgelegt haben, die Frage nämlich: hat der andere ein Recht, ein moralisches oder ein gesetzliches Recht auf diese Entschädigung? Das ist die Vorfrage, die zu stellen ist, und wenn Sie die Hauptentschädigung ablehnen, so müssen Sie den Rechtsanspruch verneinen. Darum kommen Sie nicht herum.
— Das gilt auch für den Finanzminister, der aber immerhin in seinem Entwurf den Rechtsanspruch auf die Hauptentschädigung wenigstens durch das Gesetz geben will.
Meine Damen und Herren, es liegt hier ein Rechtsanspruch auf seiten der Geschädigten vor. Wir haben die Kriegssachschädenverordnung von 1940, die nur in den Auszahlungen suspendiert ist, aber im übrigen noch voll besteht. Halten Sie es für vertretbar, daß die Bombengeschädigten, die in den Jahren 1941, 1942, 1943 betroffen worden sind, in vollem Umfange und zum Teil sogar großzügig entschädigt worden sind und daß diejenigen,
die das Pech gehabt haben, erst in den Jahren 1944 oder 1945 betroffen zu werden, überhaupt nichts bekommen? Das ist doch die Folge Ihrer Konzeption, und unter die Kriegssachschädenverordnung fallen auch die Vertreibungsschäden, ganz abgesehen davon, daß ja auch die Vertriebenen zugleich in erheblichem Umfang bombengeschädigt sind. Man braucht ja nur an die völlig zerstörten Großstädte Breslau, Königberg und andere zu denken. Halten Sie es für völlig unbeachtlich, daß die Tschechoslowakei das ganze Vermögen der Ausgewiesenen angeblich de jure übernommen hat und daß Polen und Rußland doch praktisch dasselbe getan haben? Wollen Sie die alte Behauptung der Vertriebenen, sie hätten mit ihrem Hab und Gut Reparationen für das ganze Deutschland geleistet, etwa als völlig unbegründet zurückweisen oder sind Sie auch der Meinung, daß es keine staatsbürgerliche Gesamthaftung gibt und daß man also auch aus dem Naturrecht einen solchen Anspruch nicht herleiten kann? Ich kann doch den Standpunkt, zu sagen: du bekommst keine Vermögensentschädigung, sondern bestenfalls einen Kredit, nur einem Manne gegenüber einnehmen, der mir rechtlos auf Gnade und Barmherzigkeit ausgeliefert ist.
Meine Damen und Herren, diese Haltung, diese Einstellung ist nicht mehr und nicht weniger als ein Angriff auf den Begriff des Privateigentums.
Wer den Rechtsanspruch auf eine Hauptentschädigung und den Grundsatz des quotalen Ausgleichs ablehnt, verneint den Begriff des Privateigentums überhaupt.
Wer hier Hilfestellung leistet — und nun werde
ich mich einmal nach der anderen Seite wenden —,
gerade, um vielleicht sein Eigentum zu erhalten und zu schonen, muß sich darüber klar sein, daß er den Ast absägt, auf dem er sitzt. Wer sich damit einverstanden erklärt, daß der ostdeutsche Besitz auf diese Weise entschädigungslos - und darauf kommt es hinaus — enteignet wird, kann sich ausmalen, nach welchen Prinzipien einmal die Neuordnung des Besitzes hier im Westen vor sich gehen wird.
Ein solcher Vorgang ist nie ohne Folgen. Auch wenn Herr Kriedemann vom Recht nicht soviel hören will, — das Recht ist — das hat Herr Carlo Schmid, unser verehrter Vizepräsident, auch einmal ausgeführt —
— hinter welchen Spiegel? —,
das Recht ist immer und ewig ein unteilbares Ganzes, und man kann es nicht vorübergehend oder auch nur im Raum suspendieren, ohne es in seinem wesentlichen Gehalt und für die Dauer zu gefährden.
Mit vollem Bedacht hat die Bischofskonferenz in Fulda erklärt, daß ein gerechter Lastenausgleich nicht einen Angriff auf das Privateigentum, sondern den ersten Schritt zu seiner Wiederherstellung bedeute. Der sogenannte soziale Lastenausgleich muß also schon unter diesem Gesichtspunkt entschieden abgelehnt werden.
Die Gründe, die gegen den quotalen Lastenausgleich vorgebracht werden, sind nicht stichhaltig. Man wirft ihm vor, er sei unsozial,
und sowohl Herr Dudek wie Herr Kollege Seuffert wie auch Herr Kollege Kriedemann haben behauptet, daß etwa 80 bis 85% der Vertriebenen leer ausgehen würden, wenn man den quotalen Lastenausgleich durchführte. Nun, diese Behauptungen sind bei der Besprechung und in der Polemik gegen den Regierungsentwurf gefallen, und bei dem Regierungsentwurf haben wir die famose Höchstgrenze von 15 000 D-Mark, die automatisch die Wiederherstellung großer Vermögen ausschließt. Aber auch wenn diese Äußerungen in bezug auf die hundertprozentige Durchführung eines quotalen Ausgleichs gefallen wären, sind sie nicht richtig. Nach der Einheitswertstatistik von 1935 lag der Anteil der Vermögensträger über 100 000 Mark im deutschen Osten unter 2 %
und der Anteil der Vermögen unter 10%. In höherem Umfang kann natürlich auch der Lastenausgleich durch dieses Vermögen nicht in Anspruch genommen werden.
Nun verlangen die Geschädigten aber gar nicht die Durchführung eines sturen Quotenprinzips. Sie sind durchaus damit einverstanden, daß kleine Vermögensträger voll entschädigt werden und daß bei großen Vermögen die Quote bis unter 10 % heruntergesetzt werden kann. Damit widerlegen sich auch die Angriffe gegen den quotalen Lastenausgleich, er sei unsozial. Er ist meiner Überzeugung nach sozialer als der sogenannte soziale Ausgleich.
Mit der Festlegung einer absoluten Höchstgrenze sind wir unter keinen Umständen einverstanden. Sie durchbricht praktisch das Prinzip des quotalen Ausgleichs, das für uns allein in Betracht kommt, und stellt eine teilweise entschädigungslose Enteignung dar. Die jetzt vorgesehene Höchstgrenze von 15 000 DM bedeutet praktisch auch eine ungeheure Erschwerung der Naturalabgabe; denn es wird kaum irgendein Geschädigter eine Forderung haben, die es ihm ermöglicht, einen mittleren Wirtschaftswert oder einen Betrieb überhaupt zu übernehmen.
Wir halten die Staffelung der Entschädigungssätze in ihrer sozialen Struktur mit der von uns vertretenen Rechtsauffassung durchaus für vereinbar, weil wir an der Forderung nach der stärkeren Heranziehung der großen Vermögen festhalten. Insbesondere halten wir an der Forderung fest, daß der Vermögensgewinn in vollem Umfange erfaßt wird. Wenn diejenigen, die mehr oder weniger alles verloren haben, eine solche Forderung erheben, kann diese wohl nicht gut überhört werden.
Der Herr Finanzminister hat heute von unüberwindlichen technischen Schwierigkeiten gesprochen. Demgegenüber habe ich mir von Sachverständigen sagen lassen, daß die Schwierigkeiten der Durchführung dieser drei Vermögensabgaben, die wir im Entwurf haben, nicht größer sind als die Schwierigkeiten, die dann entstehen würden, wenn man eine Gesamtvermögensabgabe vornehmen würde.
— Ich habe ja schon gesagt, daß ich von der falschen Front aus spreche!
Ich möchte noch besonders hervorheben, daß wir durchaus damit einverstanden sind, bei der Bemessung der Kriegsschadenrente auch den Heimatverlust in Betracht zu ziehen. Damit erledigen sich also auch die Angriffe, die insoweit gegen uns gerichtet worden sind.
Schließlich wirft man dem quotalen Lastenausgleich auch vor, daß er unproduktiv sei. Wenn die Kriegsschadenrente entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats ausgestaltet wird, bleibt für produktive Zwecke kaum etwas übrig.
Gegen den Entwurf haben wir in erster Linie den Vorwurf zu erheben, daß er die Abgabe generell gestundet und eine Erstreckung der Abgabe auf 30 Jahre vorgenommen hat. Das können wir den Vertriebenen und Geschädigten im ganzen unter keinen Umständen zumuten. Wir wissen heute nicht, was nach 30 Tagen wird, und wir können sie unmöglich auf einen Zeitraum von 30 Jahren verweisen, insbesondere nicht die Alten und Erwerbsunfähigen und auch alle diejenigen nicht, die auf einen neuen Anfang angewiesen sind. Sie sind nicht einmal in der Lage, 10 oder 5 Jahre zu warten. Dann ist es zu spät.
Auch von dieser Seite aus ist uns immer wieder eine echte Vermögensumschichtung zugesagt worden. In dem Entwurf können wir an keiner Stelle eine Bestimmung finden, die auf eine echte Vermögensumschichtung hindeutet oder eine solche herbeiführen kann.
Wenn man die Behandlung der Geschädigten mit der Behandlung der Abgabepflichtigen vergleicht, dann kann man nicht mehr leugnen, daß hier mit zweierlei Maß gemessen wird: auf der einen Seite die ganze strikte Enteignung aller Vermögen über 15 000 DM, was praktisch auf die Vernichtung des ostdeutschen Mittelstandes hinausläuft, und auf der anderen Seite das ängstliche Bestreben, nur ja eine mühelose Aufbringung der Abgabe aus dem Ertrag zu ermöglichen und ja keinen zu zwingen, sich etwa von seinem Vermögen zu trennen. Man hat uns immer gesagt, 1,5 Milliarden DM seien die Grenze der Leistungsfähigkeit für die deutsche Wirtschaft. Wir haben inzwischen erfahren müssen, daß diese Grenze durch das neue Steuerbukett des Finanzministers erheblich weiter gerückt worden ist, nämlich um 2,7 Milliarden DM. Der Finanzminister hat das heute mit dem Hinweis auf Korea erklärt. Nun, wir wissen, daß eine Mal ist es Korea, das andere Mal ist es etwas anderes.
— Bitte sehr, Korea mag eine gewisse Bedeutung gehabt haben; aber ich habe Ihnen, Herr Kollege Kunze, schon immer erklärt, daß ich dieses Dogma von 1,5 Millarden DM als Höchstgrenze nicht anerkenne, und die Erfahrung hat mir durchaus recht gegeben.
Es ist auch eine gewisse Gefahr für die Geschädigten, wenn der Lastenausgleich ganz auf das Sozialprodukt, auf den Ertrag gelegt wird. Wir haben gesehen, wie die Unterhaltshilfe von der Teuerung überholt worden ist, und die Befürchtungen, die wir in dieser Hinsicht für die Zukunft haben und haben müssen, sind wirklich nicht leicht zu nehmen.
Niemand kann leugnen, daß der Lastenausgleich in erster Linie ein Liquiditätsproblem ist. 1,5 Milliarden auf 30 Jahre, das gibt 45 Milliarden. Das ist ein Betrag, mit dem wir schon etwas anfangen könnten. Aber die Schwierigkeit liegt darin, jetzt in den ersten Jahren — ich habe die Gründe schon angeführt — größere Beträge fällig zu machen. Man muß den Weg der Anleihe gehen, wie der Herr Finanzminister uns das schon gesagt hat. Aber es ist nicht der einzige Weg; es müssen alle, aber auch alle Wege gegangen werden. Es ist nicht möglich und nicht zulässig und für uns nicht tragbar, daß die ganze Abgabe generell gestundet wird und daß auf diese Weise die Natural- und Sofortabgabe geradezu ausgeschlossen wird.
Man wird mir sagen, daß ich vielleicht mit dieser Forderung, die heute schon einmal so strikt abgelehnt worden ist, die Beine nicht mehr auf dem Boden habe. Wir erkennen durchaus an, daß es sehr zahlreiche Fälle gibt, in denen eine sofortige Abgabe unmöglich ist, und wir haben uns damit einverstanden erklärt, daß es in allen Fällen, in denen die Abgabe nicht mehr als 15 000 DM beträgt, bei der Regelung des Entwurfs bleibt. Auch in den Fällen, die darüber liegen, soll der Abgabepflichtige das Recht haben, nachzuweisen, daß er nicht zahlen kann. Aber auch dann, wenn er diesen Nachweis nicht führt, verlangen wir noch nicht die sofortige Fälligkeit, sondern wir verlangen einen zusätzlichen Zins, der einen Druck in Richtung einer sofortigen Fälligkeit ausüben soll. Man sage mir, ob das unbillig ist oder ob das utopisch ist.
Sehen Sie sich an, was heute in der Wirtschaft vor sich geht. Denken Sie an alles, was wir auf dem Gebiet der Steuergebarung erlebt haben, und dann sagen Sie mir noch, daß es nicht wesentliche Wirtschaftskreise gibt, die durchaus in der Lage sind, sofort zu zahlen oder sich durch Naturalabgabe von dem Lastenausgleich zu befreien. Wir würden uns einer schweren Unterlassungssünde schuldig machen, wenn wir in dieser Richtung nicht das Äußerste versuchen würden. Ich sage mit allem Nachdruck, daß es sich hier für alle Geschädigten, jedenfalls für alle Geschädigtenverbände um eine Conditio sine qua non handelt.
Wir lehnen den Einheitswert als Wertmesser ab. Der Einheitswert ist ein unrichtiger und fiktiver Wert. Bei einer Belastung des Grundbesitzes in Höhe des Einheitswertes würde die Folge sein, daß die Werte auf beiden Seiten aus der Entschädigung herausfallen. Das ist vom Entwurf dadurch anerkannt worden, daß auf der Entschädigungsseite nur die Hälfte der Schulden eingesetzt zu werden braucht. Das ist aber eine völlig willkürliche und ungerechte Regelung, und wir müssen. erwarten und darauf hinwirken, daß im Ausschuß ein Wertmesser gefunden wird, der allen Teilen gerecht wird.