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ID0111500600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951 4335 115. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951. Glückwünsche zum Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten Heuss 4335D Begrüßung des Abg. Morgenthaler nach seiner Genesung 4336A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4336A, 4365C Zugehörigkeit des Abg. Paschek zur Fraktion der WAV 4336B Aufnahme des Abg. Dr. Freiherrn von Fürstenberg in die Fraktion der CDU . . . 4336B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800 der Drucksachen) 4336B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4336C Kunze (CDU) 4343D Kriedemann (SPD) 4347D, 4381C Dr. Kather (CDU) 4353A Dr. Horlacher (CSU) 4357B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4359A Tichi (BHE-DG) 4361A Wartner (BP) 4362D Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 4363D Kuhlemann (DP) 4365C Farke (DP) 4366C Dr. Atzenroth (FDP) 4367D Frommhold (DRP) 4369C Kohl (Stuttgart) (KPD) 4370C Wittmann (WAV) 4374A Loritz (WAV) 4375D Dr. von Golitschek -(FDP) 4377A Dr. Reismann (Z) 4377D Ausschußüberweisung 4383B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) (Nr. 1799 der Drucksachen) 4383C Ausschußüberweisung 4383C Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Nr. 252 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) (Nr. 1802 der Drucksachen) . . . 4383C Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 4383D Lücke (CDU) (zur Geschäftsordnung) 4390D Ewers (DP) 4391B Abstimmungen 4391A, D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Frau Dr. Probst, Dr. Laforet, Dr. Solleder u. Gen. betr. Koordinierung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau (Nrn. 1803, 1096 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Zusammenfassung der öffentlichen Finanzierungsmittel für den Wohnungsbau (Nrn. 1804, 1352 der Drucksachen) mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder (Nrn. 1805, 1540 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Wohnungsbauprogramme 1950 und 1951 (Nr. 1795 der Drucksachen) . . . . 4392B Wirths (FDP), Berichterstatter . . . 4392C Huth (CDU), Berichterstatter . . . . 4392D Kalbfell (SPD), Berichterstatter . 4392D Beschlußfassung 4393C Ausschußüberweisung 4393C Nächste Sitzung 4393C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt Ihnen hiermit einen Gesetzentwurf von einer Wichtigkeit und Bedeutung vor, wie er in der Geschichte der deutschen Parlamente wahrscheinlich selten zur Beratung und zur Behandlung gestellt ist, einen Gesetzentwurf, der eine der allergrößten Fragen des deutschen Volkes lösen soll, eine Frage, die nur gelöst werden kann, wenn das deutsche Volk an ihre Lösung mit sittlichem Ernst und in innerem Zusammenhalt und Gemeinsinn herantritt.
    Gestatten Sie mir, daß ich einen ganz kurzen Blick auch in die Vergangenheit werfe, in die Stunde der Saat, die uns die Ernte des Jahres 1945 und damit das Elend und die Not, die wir heute zu beheben haben, gebracht hat. Denken Sie zurück an jene Stunden, in denen ein Goebbels unseligen Angedenkens in die Massen seiner Zuhörer die Frage geschleudert hat: „Wollt Ihr den totalen Krieg?" und diese Massen mit einem begeisterten: „Ja, wir wollen den totalen Krieg!" geantwortet haben.

    (Zuruf von der Mitte: Welche Massen?)

    Denken Sie bitte zurück an die Stunden, in denen wir in der Zeit des Luftkrieges mit Frau und Kind in den Luftschutzkellern gebangt und gezittert haben, nicht so sehr um unser Vermögen, um unser Hab und Gut, sondern um das Leben von Frau und Kind. In dieser Stunde der Not haben wir uns geschworen, wir würden, wenn Gott uns diese Zeit überleben ließe, an nichts anderes denken, als zusammenzustehen, zusammenzuhalten, um aus all dem Schutt und der Asche das Haus des deutschen Volkes wieder aufzubauen.
    Denken Sie bitte zurück an jene Wochen, in denen zum ersten Mal die Massen der Heimatvertriebenen aus dem deutschen Osten in unsere Dörfer kamen, als der Staat auf die Aufnahme dieser Massen nicht vorbereitet war und die einfache brüderliche Hilfe und die Nächstenliebe eingreifen mußten, um das erste Brot und die erste Kleidung und das erste Obdach zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, es täte uns heute in der Zeit, da wir den Gesetzentwurf vor uns haben, gut, an diese Stunden zurückzudenken. Ich wundere mich manchmal, wie rasch ein Mensch und wie rasch ein Volk vergessen kann.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Vergessen haben vielleicht viele von denen, die damals die Goebbels-Frage „Wollt Ihr den totalen Krieg?" mit „Ja!" beantwortetet haben, welche Verantwortung sie für das Schicksal eines gesamten Volkes auf sich genommen haben. Vergessen haben sie, daß sie heute daraus eine doppelte Verantwortung ableiten sollten. In dem Kampf der Meinungen, die bisher aufgetaucht sind, glaube ich schon viele gesehen und gehört zu haben, die damals ein begeistertes Ja gerufen, damit die Verantwortung für das Elend übernommen haben und heute nun vielleicht auf der Seite derer stehen, die entweder ohne Verantwortung überstiegene Forderungen aufstellen oder, ebenso ohne Verantwortung, der Not der anderen aus Eigennutz nicht abhelfen wollen. Ich denke an all die, die sich in den Stunden des Luftkrieges die brüderliche Hilfe gegenseitig versprochen haben und an die man heute viel lauter appellieren muß, da diese Stunde des guten Willens vergessen zu sein scheint. Ich denke aber auch daran, daß wir gestehen sollten, wie vieles schon geschehen ist und wie die Dankbarkeit der ersten Stunde für die erste Hilfe in der Not auch


    (Bundesfinanzminister Schäfer)

    heute noch gelten sollte, um uns gemeinsam in der Zusammenarbeit und bei dem Überwinden der Not zu helfen.
    Ich möchte das deutsche Volk aufrufen, dieser Stunden zu gedenken. Denn wenn wir solches Beispiel geben würden, hätte unser Wort auch dem Ausland gegenüber mehr Kraft. Ich wundere mich, daß das Ausland in einer Stunde, in der die Vereinten Nationen enstehen und in der soviel von dem Recht der Menschlichkeit, von dem Zusammenstehen der demokratischen Länder der Erde gesprochen wird, sowenig der Not gedenkt, die auch das Ausland mit zu verantworten hat und auf der Potsdamer Konferenz und auf anderen Tagungen besiegelt hat. Das Ausland sollte sich einmal in die deutsche Lage hineinversetzen.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Es sollte sich einmal ein reiches Land wie die Vereinigten Staaten vorstellen, daß ein Teil ihres Gebietes von der Größe etwa der deutschen Bundesrepublik — z. B. die Staaten Massachusetts, Connecticut, Rhode Island, New Jersey — einen Krieg im Lande hinter sich gehabt hätte, der 30 bis 40% des gesamten Sachkapitals aller Wohngebäude, aller Fabriken und Werkstätten zerstört, der die Arbeitskräfte, die jungen Jahrgänge dieses Volkes ausgerottet, der Hunderttausende von Krüppeln, Witwen und Waisen in diesem Lande geschaffen, der diesem Lande all sein Auslandsvermögen, alles Geldkapital genommen und es von den Außenhandelsbeziehungen restlos abgeschnitten und ihm in allem die Frucht seines Geistes, die Erfindungen, die Patente, die Lizenzen in einer Stunde genommen hat, und seine Einwohner müßten sich dazu vorstellen, daß von dem, was dieses Volk heute erarbeitet, 50 % der Steuern, die der Bundessteuerzahler zahlt, an eine Besatzungsmacht gehen müssen, dazu noch die Demontage in diesem Land, ferner daß in einer Nacht vergleichsweise die ganze Bevölkerung von Kanada ohne Hab und Gut, nackt und bloß in das übervölkerte, verarmte, zerstörte Gebiet neu hereingedrängt worden ist, und dann möge sich das Ausland überlegen, welche Forderungen an das deutsche Volk gestellt sind: nicht nur wieder aufzubauen, nicht nur sein eigenes Brot mit eigener Arbeit unabhängig vom Ausland wieder zu verdienen, sondern auch eine Not von Millionen Menschen zu beheben und das Leben für diese Millionen Menschen wieder lebenswert zu machen, — ich glaube, wenn das Ausland sich in diese deutsche Lage versetzte, würde es ein Gefühl dafür haben, wie schwer die Aufgabe ist, die dem deutschen Volke gestellt wird und wie groß die Leistung des deutschen Volkes ist, das es übernimmt, diese Aufgabe zu meistern. Und Zweck und Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es eben, diese Aufgabe zu meistern. Wenn ich Zweck und Ziel des Gesetzentwurfes mit einem Satz umschreiben will: es ist der Zweck, dem deutschen Volk den sozialen Frieden im Lande zu gewähren und zu sichern, indem wir die Not nicht dadurch vergrößern, daß Not und Neid zusammenfinden, sondern indem wir durch den Geist der Liebe und der Gerechtigkeit die Not überwinden, durch den Geist, der das Wahrziel und letzte Ethos unseres Volkes, unseres Handelns sein soll.
    Wenn ich nach diesem Rückblick über den Gesetzentwurf selbst spreche, so lassen Sie mich zunächst einmal an einzelne nüchterne Zahlen erinnern. Auch Zahlen haben ein Leben und können sprechen; Zahlen lenken zum Denken und zum nüchternen Überlegen. Im November des vergangenen Jahres hat das Bundesministerium der Finanzen Ihnen bereits eine Denkschrift vorgelegt. Wir haben in dieser Denkschrift eine Art Bilanz aufgemacht. Wir haben gegenübergestellt, was an belastbarem Vermögen im Gebiet der deutschen Bundesrepublik überhaupt vorhanden ist und wie hoch ziffernmäßig die Kriegs-, die Vertriebenensachschäden und die Währungsschäden sind, deren Ausgleich als Forderung an das deutsche Volk herangetragen wird. Wir haben Ihnen eine genaue Berechnung auf Seite 86 dieser Denkschrift vorgelegt, wonach, wenn ich bei der Besteuerung des Vermögens bis zu einer Freigrenze von 3000 DM das Geringstmögliche, heruntergehe, nur ein belastbares Vermögen von etwa 90 Milliarden DM vorhanden ist. Demgegenüber stehen Kriegssachschäden in Höhe von 28 Milliarden DM, Flüchtlingssachschäden in Höhe von 25 Milliarden DM, Währungsschäden im Betrage von 160 Milliarden DM, insgesamt also eine Summe von 213 Milliarden DM! Von den Währungsschäden würde auf die sogenannten Altsparschäden allein ein Betrag von 35,4 Milliarden DM treffen.
    Wer sieht, was vorhanden ist und zur Verfügung steht, und wer vergleicht, was an Ansprüchen und Forderungen demgegenüber aufgestellt wird, der weiß, daß wir in der rauhen Welt der Wirklichkeit unmöglich in der Lage sind, alle Ansprüche zu befriedigen, sondern einen mittleren Weg der Vernunft und der Gerechtigkeit werden wählen müssen.
    Wenn ich Ihnen nun als kurzen Überblick über Sinn und Zweck des Gesetzentwurfes die Ziffern nenne, so muß ich sie zunächst mit dem vergleichen, was heute bereits die deutsche Volkswirtschaft unter der Geltung des Soforthilfegesetzes auf diesem Gebiet leistet. An Vermögensabgabe wurden im ersten Rechnungsjahr des Soforthilfegesetzes, im Jahre 1949, 1040 Millionen DM aufgebracht. Wir rechnen nun, nachdem es gelungen ist, im Zusammenhang mit der Steuerreform des vergangenen Jahres die Soforthilfeabgabe gesunden zu lassen, in diesem Jahre mit einem Aufkommen an Soforthilfeabgabe von 1400 Millionen DM. Gleichzeitig stehen zweckgebunden für den Wohnungsbau die Mittel zur Verfügung, die durch die Verzinsung der Umstellungsgrundschulden der öffentlichen Hand zufließen. Das sind in diesem Jahre 330 Millionen DM, also zusammen aus diesen beiden Quellen ein Aufkommen von 1730 Milzionen DM.
    Der neue Gesetzentwurf soll folgendes Aufbringen erzielen. — Der Gesetzentwurf ist in der Öffentlichkeit schon seit langen Monaten in seinen Grundzügen bekannt und besprochen. Ich darf also den Inhalt des Gesetzentwurfes ohne weiteres als bekannt in diesem Hohen Hause voraussetzen. — Das Aufbringen setzt sich zusammen aus der Vermögensabgabe, die wir mit einem jährlichen Ertrage von 1240 Millionen DM schätzen; aus der ergänzenden Vermögensteuer, die wir in den ersten Jahren mit 80 Millionen DM schätzen; aus der Hypothekengewinnabgabe, die im Durchschnitt bedeutend niederer als früher geschätzt werden muß, und zwar mit der fortschreitenden Tilgung, insbesondere der Tilgung bei Abgeltungshypotheken, und wegen der Verbesserungen, die der Gesetzentwurf bei Berücksichtigung von Kriegsschäden und anderen Momenten vorsieht, mit einem Betrage von durchschnittlich 250 Millionen DM, im ersten Jahre vielleicht noch höher. Dann die Obligationengewinnabgabe im ersten Jahre mit 70, später mit 35 Millionen DM, die Kreditgewinnabgabe mit etwa 20 Millionen DM. Das


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    macht insgesamt einen Betrag von 1660 Millionen DM.
    Dazu kommt aber nach Sinn und Zweck des Gesetzentwurfs eine Leistung der öffentlichen Hand. Die öffentliche Hand will neben dem, was aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung steht, in der Kombinierung der Kriegsschadensrenten mit den Fürsorgeleistungen und der Kriegsfolgehife der öffentlichen Hand einen weiteren Beitrag von 260 Millionen DM leisten, so daß also insgesamt für den Kreis der Kriegsgeschädigten eine Summe von 1920 Millionen DM zur Verfügung stehen würde. Es darf nicht angenommen werden, daß das gesamte Aufkommen für den Lastenausgleich nur von den Abgabepflichtigen aufgebracht wird. Auch die öffentliche Hand leistet mit; nicht nur die oben erwähnten 260 Millionen DM, die unter dem Titel Fürsorge- und Kriegsfolgehilfe zu leisten sein werden; sondern man muß bedenken, daß die Länder in der Form mitleisten, daß erstens die bisherige Vermögensteuer der Länder nunmehr den Zwecken des Lastenausgleichs zugeführt werden soll, was einen Ausfall von rund 100 Millionen DM in den Haushalten der Länder bedeutet; daß zweitens die Länder damit rechnen müssen, daß nach dem neuen Gesetzentwurf die Abzugsfähigkeit vieler Lasten bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer gegeben ist, was einen Ausfall von 200 Millionen DM hervorrufen kann; daß außerdem erhöhte Verwaltungskosten anfallen, und zwar im Betrage von etwa 35 Millionen DM. Dem steht gegenüber, daß die Länder eine gewisse Entlastung bei der Heranziehung des Vermögens der öffentlichen Hand für den Lastenausgleichszweck in Höhe von etwa 45 Millionen DM erfahren, so daß die Gesamtbelastung der öffentlichen Hand, Bund und Länder, auf Grund dieses Gesetzes auf 550 Millionen DM zu schätzen ist.
    Der Aufbau des Gesetzes, daß nämlich zu den bisherigen Einkommensquellen noch andere Einkommensquellen — ergänzende Vermögensteuer und die Währungsgewinnabgaben — hinzutreten, hat zur Folge, daß sich für den einzelnen Abgabepflichtigen die Last trotzdem erleichtert. Sie können das an Hand des Gesetzes ohne weiteres verfolgen. Das gewerbliche Betriebsvermögen soll künftig mit insgesamt 3% des Stichtagvermögens jährlich herangezogen werden. Dasselbe Vermögen unterlag bisher der Soforthilfeabgabe mit 3% und gleichzeitig der Vermögensteuer mit 0,75%, so daß also der alten Belastung von 3,75% die neue Belastung mit 3% gegenübersteht. Beim Wohnhausbesitz war die bisherige Belastung 2% des Vermögens plus 0,75% Vermögensteuer. Die neue Belastung ist 2,5%. Bei der Landwirtschaft unter einem Vermögenswert von 15 000 DM war die bisherige Belastung 2% plus 0,75% Vermögensteuer, bei Vermögen über 15 000 DM 3% und 0,75% Vermögensteuer. Die neue Belastung ist einheitlich 2%, so daß hier also eine ziemlich starke Entlastung eintritt. Das sind nur ganz rohe Ziffern; wenn diese Ziffern verfeinert werden sollten, so müßte man daran denken, daß auf der einen Seite früher das Bruttovermögen Gegenstand der Besteuerung war, also ohne Schuldenabzug, während nunmehr die Schulden abzugsfähig sind; zweitens daß bisher eine Berücksichtigung der Kriegsschäden überhaupt nicht erfolgt ist, während der neue Gesetzentwurf eine wenigstens begrenzte Berücksichtigung der Kriegsschäden vorsieht; daß auf der andern Seite die Freibeträge nunmehr neu festgesetzt werden und daß bei der Vermögensteuer für das neue Vermögen ein Satz von 1% statt 0,75% verlangt wird.
    Zusammenfassend darf gesagt werden: Nach dem System des Gesetzentwurfs ist das Gesamtaufkommen, das den Lastenausgleichsberechtigten zufließt, bedeutend höher als das bisherige Aufkommen. Die Last für den einzelnen wird trotzdem geringer; die öffentliche Hand wird nämlich mit einem wesentlichen mittelbaren Betrag mit herangezogen.
    Nachdem ich dieses Gesamtbild des Gesetzentwurfs gegeben habe, darf ich nun noch über Einwendungen gegen den Gesetzentwurf sprechen, insbesondere über Einwendungen, die in jüngster Zeit in der Beschlußfassung des Bundesrats hervorgetreten sind. Es ist nicht richtig, daß — wie die Presse mitgeteilt hat — der Bundesrat den Gesetzentwurf schlechthin abgelehnt habe. Sowir es nicht. Dem Bundesrat lagen zwei Eventualanträge vor. Der eine Antrag, der immer als „Entweder-Antrag" bezeichnet wurde, hat grundsätzlich dem Prinzip des Gesetzentwurfes zugestimmt. Der zweite Eventualantrag, der als „Oder-Antrag" bezeichnet wurde, hat sich gegen einen Grundgedanken des Gesetzentwurfs, nämlich die Gewährung eines Rechtsanspruchs an die Kriegsgeschädigten auf Hauptentschädigung, ausgesprochen und infolgedessen eine systematische Änderung des Gesetzentwurfs gewünscht.
    Bei der Abstimmung im Deutschen Bundesrat haben sich bei dem „Entweder-", also dem zustimmenden Antrag, zunächst 21 Stimmen dafür und 17 Stimmen dagegen ausgesprochen. Als dann über den zweiten Antrag abgestimmt wurde, ergab sich das umgekehrte Bild: 17 Stimmen dafür und 21 Stimmen dagegen. Im Bundesrat wurde dann erklärt, daß es bei der dritten Abstimmung eine Stimmenthaltung nicht mehr geben dürfte. Die Stimmenthaltungen und die Abstimmungen überhaupt erfolgten aus den verschiedensten Beweggründen. Der eine wollte den Gesetzentwurf überhaupt nicht, weil er zuwenig gäbe, und der andere wollte ihn nicht, weil er zuviel gäbe. Die dritte Abstimmung über die „Entweder-Lösung" ergab dann ein Stimmverhältnis von 21 Für- und 22 Gegenstimmen. Über die „Oder-Lösung" wurde dann überhaupt nicht mehr abgestimmt, vielleicht weil die Gefahr bestanden hätte, daß auch diese Abstimmung zu keinem klaren Ergebnis geführt hätte.
    Aus dem ganzen Text der Entschließungen des Deutschen Bundesrats kann man nun entnehmen, daß der Deutsche Bundesrat bereit ist, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, wenn gewissen von ihm geäußerten Wünschen entsprochen wird. Diese Wünsche berühren allerdings eine grundsätzliche Frage. Es ist die Frage, die ja in der öffentlichen Debatte eine große Rolle gespielt hat: Soll der Gesetzentwurf einen sozialen Ausgleich suchen, oder soll der Gesetzentwurf einen quotalen Ausgleich suchen?
    Der Gedanke des sozialen Ausgleichs geht davon aus, daß es im Leben der Völker wie des Einzelnen nicht richtig ist, in die Vergangenheit zurückzusehen und sich an das zu klammern, was man früher gehabt hat und was man jetzt nicht mehr besitzt, und alles darauf abzustellen, das Verlorene wiederzuerlangen. Es wird gesagt, man müsse in die Zukunft sehen und müsse von der heute bestehenden sozialen Not ausgehend die Lösung suchen, die die Zukunft mit der Überwindung der vorhandenen Not bringen soll. Ich habe für diese Gedankengänge sehr großes Verständnis.
    Auf der andern Seite steht der quotale Gedankengang. Er geht davon aus, daß ein Volk, das einen Krieg geführt habe, die Vermögensschäden des


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    Krieges gleichmäßig auf alle seine Glieder verteilen müsse, daß also das, was der eine verloren habe, in Höhe und Wert von dem ersetzt werden müsse, dem der Zufall des Krieges einen Vermögensverlust erspart habe. Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, daß weder der „soziale Ausgleich" als eine reine Doktrin aufgefaßt werden darf noch daß der „quotale" als Doktrin eine Lösung des Problems bietet. Dieser bietet sie schon einfach aus der Tatsache heraus nicht, die sich aus den Ziffern ergibt, welche ich Ihnen bekanntgegeben habe. Denn nach diesen Ziffern würde der quotale Gedankengang zu einem Konkursverfahren des deutschen Volkes wegen Überschuldung führen müssen. In einem Konkursverfahren muß man sich bekanntlich letzten Endes auch nach der vorhandenen Masse richten und muß die Rechtsansprüche der Masse gegenüber in den Hintergrund treten lassen.
    Der soziale Gedanke, rein durchdacht, würde dazu führen, daß man sagt: Gut, wir belasten das deutsche Vermögen, aber wir belasten dieses deutsche Vermögen — das wurde auch im Bundesrat ausgesprochen — nicht beschränkt auf einen Personenkreis, sondern bestimmt zur Behebung der gesamten sozialen Not, die im deutschen Volk vorhanden ist. Damit, meine Damen und Herren, ist der Grundgedanke des Lastenausgleichs natürlich überhaupt aufgegeben. Von dem, was die Idee des Lastenausgleichs war, ist dann überhaupt keine Rede mehr, und das, was wir anstreben, der soziale Friede im Lande, würde in dem Moment gefährdet sein, in dem der Grundgedanke des Lastenausgleichs völlig aufgegeben wird.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir haben im Deutschen Bundestag vor einigen Wochen ein großes Gesetzgebungswerk angenommen, das Bundesversorgungsgesetz. Das Bundesversorgungsgesetz galt denen, die um des deutschen Volkes willen ihre Gesundheit und damit auch ihre Zukunft als Menschen und Staatsbürger dem Volke geopfert haben. Sie haben dieses Opfer der Allgemeinheit gebracht, und es ist selbstverständlich, daß die Allgemeinheit, der letzte und kleinste Steuerzahler, jeder mit seinem Vermögen und seinem Einkommen, dazu beiträgt, die Not dieser Menschen zu lindern.
    Hier im Lastenausgleich stehen sich Vermögensschaden und Vermögensbesitz gegenüber. Das ist eine andere Relation. Es ist natürlich, daß man daran denkt, daß derjenige, der im Kriege Vermögensschaden erlitten hat, sich an den wendet, der das Vermögen im Kriege behalten hat. Deswegen ist der Grundgedanke des Entwurfs, aus dem Vermögen, das erhalten geblieben ist, einen Sonderfonds zu bilden, der den Vermögensschaden aller Art ausgleichen soll, zweifellos gerecht und billig. Er muß in seinem Grundgedanken aufrechterhalten bleiben.
    Die Schwierigkeit, die mit dieser Lösung verbunden ist, hat sich in allen Stadien gezeigt. Zunächst einmal war die große Schwierigkeit, daß verlangt wurde, man möchte — und das ging noch zu weit in dem Geleise der Doktrin des quotalen Vermögensausgleichs — alle Entschädigungen zunächst auf einem „Vermögensvergleich" im gesamten deutschen Volk unter Heranziehung jedes einzelnen Vermögensbesitzers aufbauen, den Schadensanspruch und dann die Leistung des anderen berechnen. Meine Damen und Herren, die Ausführung dieses Gedankens, der auch im Bundesfinanzministerium, in der Bundesregierung ernsthaft geprüft worden ist, scheitert schon daran, daß sie technisch unmöglich ist, daß die Voraussetzungen für den Vermögensvergleich fehlen, durch eidesstattliche Erklärungen nicht genügend ersetzt werden können und daß außerdem auch die wirtschaftlichen Folgen unabsehbar wären. Wahrscheinlich würden wir auf diesem Wege dazu kommen, daß der festgestellte Vermögensbestand und die Ansprüche an die Vermögen in einem unmöglichen Verhältnis stehen und daß sich infolgedessen herausstellen würde, daß der eigentliche Zweck eines solchen Vermögensvergleichs, nämlich eine quotale Lösung zu finden, überhaupt außerhalb des Bereichs des Möglichen und Erreichbaren liegt. Wir müssen bei dem zu Belastenden dann von dem Vermögen ausgehen, das an dem Tage vorhanden war, an dem das deutsche Volk seine Bilanz gezogen hat. Das ist der Währungsstichtag. Wenn ich das Vermögen vom Währungsstichtag nehme, drängt sich aber ohne weiteres auch der Gedanke auf, eine Besteuerung der Währungsgewinne, die an jenem Tage eingetreten und evident geworden sind, mit dem Gesetzentwurf zu verbinden.
    Wenn wir uns klar werden, daß der quotale Gedanke schon an der rauhen Wirklichkeit scheitert und nicht durchführbar ist, ganz abgesehen von der Frage, ob er sich ethisch überhaupt begründen läßt, so braucht wohl auf die Forderung einer sofortigen Vermögensumschichtung, einer sofortigen Fälligkeit aller Ansprüche nicht eingegangen zu werden. Jeder, der den klaren Blick für die Wirklichkeit hat, weiß, daß in dieser Stunde eine Forderung auf sofort fällige Vermögenszahlungen von 50 oder mehr Prozent des einzelnen Vermögens und eine damit verbundene Vermögensumschichtung eine Unruhe und Unsicherheit in das Wirtschaftsleben hineintragen würden, die die Wirtschaft von heute der Gefahr des Zusammenbruchs aussetzen und die damit nicht die Not lindern, sondern die Not ins Ungemessene vermehren würden.
    Wer verantwortungsvoll an dieses Problem herantritt, muß also sagen: wir müssen den gesunden Kern, der in diesen Forderungen steckt, auf anderem Wege zu erreichen suchen. Deshalb legt der Gesetzentwurf großen Wert auf den Vorschlag der freiwilligen Ablösung, weil zu hoffen ist, daß durch eine freiwillige Ablösung, die auch mit Vorteilen versehen und vom Gesetz begünstigt sein würde, in den ersten Jahren — das sind die entscheidenden Jahre für die Bewährung des Gesetzentwurfs — größere Beträge zur Verfügung gestellt werden können und damit sofort Großes geleistet werden könnte.
    Ich gestehe ganz offen, daß es deshalb ein Bemühen der Bundesregierung gewesen ist, die Laufzeit der Ratenzahlungen nicht allzusehr auszudehnen, und daß ich Bedenken gegen alle Vorschläge gehabt habe, deren Durchführung die Laufzeit allzusehr gestreckt hätten. Denn je länger die Laufzeit ist, um so geringer ist der Anreiz, wirklich den Weg der freiwilligen Ablösung zu wählen. Unter den verschiedenen Möglichkeiten für und wider mußte dann der Weg gewählt werden, eine Laufzeit von 30 Jahren, also die Spanne einer Generation, zugrunde zu legen.
    Eine der schwierigsten Fragen bei der Feststellung, welches Vermögen denn überhaupt zur Abgabe herangezogen werden dürfe, war die Frage der Berücksichtigung der Kriegsschäden. Man darf aber nie vergessen, daß die Kriegsschäden und ihre wirtschaftliche Wirkung heute fast in jedem Falle anders liegen, also verschiedenartig sind, und daß der einzelne, der, von einem einzelnen Beispiel ausgehend, an die Lösung dieser Frage gehen wird, wahrscheinlich nie den für die Allgemeinheit gün-


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    stigen und möglichen Weg finden würde. Wir mußten auch hier einen Mittelweg gehen, und so wurden die Kriegsschäden zwar berücksichtigt, aber mit gewissen Begrenzungen, die schon deshalb notwendig waren, weil eine unbegrenzte Berücksichtigung der Kriegsschäden einen derart großen Ausfall an abgabepflichtigen Vermögen bedeutet hätte, daß die Abgabensätze viel zu stark und untragbar hätten erhöht werden müssen.
    Ein weiterer Punkt, der in der öffentlichen Debatte eine Rolle gespielt hat, ist, daß den Vermögenswerten der Einheitswert zugrunde gelegt werden solle. Zwei Sätze dazu. Sie können den Einheitswert in Einzelfällen nicht ändern, weil sonst jeder aus dem Einzelfall eine Berufung ziehen und einen Anspruch auf Änderung seines Einheitswertes — natürlich zu seinen Gunsten — ableiten würde. Sie könnten also nur an einen allgemeinen Zuschlag zum Einheitswert denken. Das bedeutet gar nichts anderes, als daß Sie die Abgabensätze entsprechend erhöhen. Wir sind nun einmal der Meinung, daß diese Abgabensätze schon an der Grenze des wirtschaftlich Möglichen liegen.
    Meine Damen und Heren, ein Wort dazwischen! Wir haben im Vorjahr vom Bundesfinanzministerium eine Denkschrift vorgelegt — die berühmte Drucksache Nr. 1000 —, in der wir über die Haushaltslage gesprochen haben und in der ich betont habe, daß die Steuerlast des deutschen Volkes ohne volkswirtschaftlichen Schaden nicht mehr erhöht werden könne. Ich bitte, mir nicht entgegenzuhalten, daß ja heute die Bundesregierung genötigt ist, an neue Lasten zu denken, und daß deshalb diese Voraussagen nicht gehalten werden können. Die Drucksache Nr. 1000, meine Damen und Herren, ist v o r Korea erschienen, ist zu einer Zeit erschienen, als wir mit — ich möchte sagen — normalen wirtschaftlichen Verhältnissen einer deutschen Volkswirtschaft gerechnet haben, die unter ihren eigenen Lebensbedingungen zu arbeiten hatte. Nach Korea haben sich die Dinge wesentlich gewandelt. Nach Korea steht die deutsche Volkswirtschaft stark unter dem Einfluß ausländischer Einwirkungen, die auf der einen Seite einen vielleicht sogar von uns manchmal gar nicht gewollten Impuls für die Wirtschaft geben, auf der andern Seite aber mit demselben Impuls den Zwang zu Belastungen verbinden, den wir früher nicht übernommen hätten und in diesem Maße nicht hätten zu übernehmen brauchen. Die Welt vor Korea und die Welt nach Korea sind auch volks-
    und weltwirtschaftlich zwei verschiedene Dinge. Ich muß die Verhältnisse betrachten, wie sie heute sind, und angesichts der Steuerlasten, die dem deutschen Volke heute zugemutet werden müssen, ist es eine große Leistung des deutschen Volkes, wenn es die Lasten, die es in den früheren Plänen auf diesem Gebiet bereits zu übernehmen sich entschlossen hatte, auch unter den neuen Zeitverhältnissen beibehält und den Standpunkt vertritt, daß auch der Lastenausgleich ein Stück Verteidigungsbeitrag für die demokratische Welt ist. Denn letzten Endes besteht das Wesentliche an dem Verteidigungsbeitrag des deutschen Volkes darin, den sozialen Frieden im Lande zu bewahren, sich damit immun gegen das Gift des Ostens zu machen

    (Oho-Rufe bei der KPD)

    und damit dem Osten nicht die Möglichkeit zu geben, das zu tun, was er in allen Ländern getan hat, die sich seinem Gift gegenüber nicht immun erwiesen haben, nämlich mit offener oder versteckter
    Gewalt einzugreifen, sich diese Länder zu unterwerfen.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte — Zuruf von der KPD.)

    Den sozialen Frieden zu bewahren, ist die Hauptaufgabe dieses Gesetzentwurfs, und sie muß vom Inland und vom Ausland nach dieser Richtung hin gewürdigt werden.
    Eine weitere Frage, die in der Öffentlichkeit eine Rolle spielte, betraf die sogenannte Doppelbesteuerung. Kann ein Vermögen zweimal herangezogen werden, das Vermögen bei der Gesellschaft und die Anteile der Gesellschaft bei dem Gesellschafter erneut? Der Gesetzentwurf hat sich in dem Sinne entschieden, daß er die Vermögen nur einmal besteuert, nämlich da, wo das Sachvermögen liegt, also bei der Gesellschaft; er will aber die Widerspiegelung dieses Sachvermögens in der Vermögensziffer des Gesellschafters keiner neuen Besteuerung unterwerfen. Das ist konsequent, denn Grundgedanke des Gesetzes ist die Besteuerung von Vermögen und nicht einer Person. Der Bundesrat macht einen andern Vorschlag; er macht der Vorschlag, die Anteile der Gesellschafter halb, und zwar nach dem Stichtag vom 31. Dezember 1948, heranzuziehen. Ich glaube, daß dieser Vorschlag überhaupt keine innere Begründung hat.
    Es ist weiter darüber gesprochen worden, ob auch der Hausrat zu der Vermögensabgabe herangezogen werden soll. Der Entwurf sieht davon ab. Der Hausrat wird auch steuerlich regelmäßig nicht erfaßt; ihn festzustellen, würde einen Eingriff in die persönliche Sphäre jedes einzelnen Staatsbürgers bedeuten und würde an ein Gesetz erinnern, an das der frühere Wirtschaftsrat auch nicht gern erinnert sein will, an das sogenannte Speisekammergesetz. Ich glaube, daß ein solches Gesetz und die mit einem solchen Gesetz verbundenen Vollzugsschwierigkeiten nicht dazu beitragen würden, das zu tun, was wir wollen: sozialen Frieden im Lande zu bewahren.
    Eine lebhafte Debatte hat über die Besteuerung der öffentlichen Hand stattgefunden. Daß sich der Bundesrat dagegen wehrt, ist ja wohl selbstverständlich. In der Öffentlichkeit wird gesagt, man. dürfe die öffentliche Hand überhaupt nicht besteuern, weil das die Rückwirkung habe, daß die öffentliche Hand, Länder und Gemeinden, diesen Ausfall durch Werktarife, Gebühren oder Steuern ausgleichen müsse und der einfache Steuerzahler letzten Endes die Lasten zu tragen habe. Meine Damen und Herren, auch in den Steuergesetzen ist die öffentliche Hand grundsätzlich einer Besteuerung unterworfen. Man muß wohl den Grundsatz anerkennen: was im Wettbewerb der Wirtschaft steht, darf steuerlich und von der Abgabenseite her nur gleichmäßig behandelt werden. Der Gesetzgeber für Steuern und für Abgaben ist nicht dazu da, die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Wirtschaft durch seine Steuern und Abgaben zugunsten des einen und zuungunsten des anderen zu verschieben. Alle Betriebe gewerblicher Art, ob sie nun in der öffentlichen Hand oder in privater Hand liegen, müssen denselben Abgaben unterworfen werden.
    Wir wünschen auch nicht, daß wir in all diesen Fragen zwischen In- und Ausländern zu unterscheiden haben. Wer in der deutschen Wirtschaft steht, ist dem steuerlichen Gesetzgeber gegenüber gleichverpflichtet und gleichberechtigt.
    Ausnahmen können in Fällen gemacht werden, in denen es sich um Versorgungsbetriebe handelt,


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    bei denen jeder Gedanke des wirtschaftlichen Wettbewerbs oder des wirtschaftlichen Gewinns ausscheidet, wie z. B. bei der Trinkwasserversorgung. Hier sieht das Gesetz Ausnahmevorschriften auch bereits vor.
    Der letzte Punkt, der hinsichtlich der Vermögensabgabe in der Öffentlichkeit erörtert worden ist, betrifft die sogenannte dingliche Sicherung. Das Soforthilfegesetz hat hier an die Möglichkeit der dinglichen Sicherung dieser Abgabeverpflichtungen gedacht und hatte deshalb einen § 29 eingesetzt. Ihnen liegt heute ein Gesetzentwurf vor, in dem die Bundesregierung vorschlägt, diesen § 29 aufzuheben. Die Bundesregierung hält eine dingliche Sicherung der Abgabeverpflichtungen für unmöglich; nicht nur wegen der Überlastung der Grundbuchämter und so fort, sondern auch, weil damit eine Einschränkung des Privatkredites und aller Kreditunterlagen verbunden wäre, die volkswirtschaftlich nicht getragen werden kann.
    Die Einwendungen des Bundesrats gehen dann in erster Linie auch gegen die sogenannte ergänzende Vermögenssteuer. Ich nehme es dem Bundesrat gewiß nicht übel, wenn er sich dagegen wehrt, daß eine Steuerquelle, die er bisher gehabt hat, nun einem anderen Zweck, dem Lastenausgleich zugewandt werden soll. Aber ich darf doch darauf verweisen: Wenn der Deutsche Bundesrat das damit begründet, daß er einen Ersatz haben müßte, so ist dem entgegenzuhalten, daß die Bundesregierung bereits einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Einkommensteuer vorgelegt hat, die nach den Absichten der Bundesregierung den Ländern eine Mehreinnahme von jährlich etwa 950 Millionen DM bringen soll. Bei der Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs war bereits daran gedacht, daß man den Ländern für den Wegfall der Vermögenssteuer den notwendigen Ersatz durch diese Verbesserung der Einkommensteuer bieten muß und bieten will. Dieser ergänzenden Vermögenssteuer ist sämtliches Vermögen unterworfen, das nicht abgabepflichtig ist, also z. B. die oben erwähnten Gesellschaftsanteile, etwa das am Stichtag vorhandene Geldvermögen und insbesondere das Vermögen, das sich neu gebildet hat. Diese ergänzende Vermögenssteuer ist im System des Gesetzes unentbehrlich. Die Vermögensabgabe, die auf dem Stichtagvermögen beruht, muß aller menschlichen Voraussicht nach Jahr für Jahr in ihrem Ertrag sinken, weil das Stichtagvermögen Jahr für Jahr natürliche Ausfälle haben wird. Wenn wir also einen Plan auf 30 Jahre aufstellen und wenn wir 30 Jahre möglichst gleichbleibende Mittel zur Verfügung haben wollen, um die Lasten, so wie sie berechnet sind, zu tragen, dann muß für die eine Einkommensquelle, die langsam versickert, eine andere Einkommensquelle gefunden werden, die das ersetzt, was hier verlorengeht. Die ergänzende Vermögenssteuer, die ja in erster Linie auf dem sich neu bildenden Vermögen beruhen wird, ist der natürliche Ersatz für den Ausfall, der bei der Vermögensabgabe eintreten wird.
    Die Währungsgewinnabgaben sind politisch und — ich möchte sagen — ethisch notwendig. Die öffentliche Meinung ist vielfach damit vergiftet worden, daß dem deutschen Volk von MilliardenWährungsgewinnen erzählt worden ist, die am Währungsstichtag gemacht worden seien. Selbstverständlich sind es immer die „bösen, lasterhaften" Regierungen in Bund und Ländern, die sich weigern, eine solche Quelle auszuschöpfen. Die Bundesregierung macht hier den Versuch, alles, was an Währungsgewinnen überhaupt erreichbar und ergreifbar ist, für den Zweck des Lastenausgleichs heranzuziehen. Sie kann darauf verweisen, daß ein Teil in Form der sogenannten Umstellungsgrundschulden heute schon herangezogen worden ist und daß diese Umstellungsgrundschulden in Form der Hypothekengewinnabgabe fortleben.
    Es ist billig, daran zu denken: wenn ich schon die dinglichen Belastungen heranziehe, dann muß ich doch auch an den Fall denken, in dem z. B. ein Industrieunternehmen eine Obligationenanleihe ausgegeben und diese nebenbei noch dinglich gesichert hat. Dieses Unternehmen wird, weil es nebenbei eine dingliche Sicherung gegeben hatte, auf dem Weg über die Umstellungsgrundschuld herangezogen. Warum soll das andere Unternehmen, das eine Obligationenanleihe ohne dingliche Sicherung ausgegeben hat, nicht herangezogen werden? Warum soll ich die Fälle, in denen sich nachrechnen läßt, daß am Währungsstichtag, sagen wir einmal, 1 Million Mark Forderungen 100 000 Mark Außenstände gegenüberstanden und ein Währungsgewinn von 90 %, also von 900 000 Mark, entstanden ist, nicht heranziehen? Die technischen Schwierigkeiten sind gewiß nicht zu unterschätzen. Insbesondere wird die Frage der Saldierung für die Abgabepflichtigen nicht befriedigend gelöst werden können. Die Abgabepflichtigen haben das Bestreben, ihre sämtlichen Schäden, die sie im Kriege wirklich oder vermeintlich erlitten haben, zum Ausgleich bringen zu lassen. Aber wir dürfen doch auf die Rechtsnatur der Ansprüche verweisen. Ich kann einen Ausgleich nur mit den Schulden und Verpflichtungen herstellen, die in wirtschaftlichem und rechtlichem Zusammenhang mit dem Objekt stehen, das Gegenstand der Besteuerung ist. Bei der Hypothekengewinnabgabe ist es das einzelne Grundstück, bei der Obligationenabgabe das einzelne Betriebsvermögen, bei der Kreditgewinnabgabe das gesamte Vermögen des einzelnen Schuldners. Nach diesen Grundsätzen muß auch die Frage der Saldierung behandelt und gelöst werden. Einzelne Härtefälle sind auf diesem Gebiet möglich. Man nehme das Beispiel an, daß irgendein großer Betrieb, der vielleicht noch dazu unter Treuhänderschaft stand, gezwungen gewesen ist, jahrelang unter Betriebsverlusten zu arbeiten und zur Deckung dieser Betriebverluste Kredite aufzunehmen. Hier handelt es sich nicht um einen wirklichen Währungsgewinn. In diesen Fällen muß individuell abgeholfen werden. Deswegen ist eine Ermächtigung für solche Sonderfälle vorgesehen.
    Ein Streitpunkt, der sich ergeben hat, betrifft die Frage, wie das Aufkommen und der ganze Sonderfonds zu verwalten ist. Es hat sich heute schon gezeigt, daß auf das Weisungsrecht des Präsidenten des Hauptamtes für Soforthilfe für alle Mittel-und Unterstellen auch im Vollzug des Soforthilfegesetzes nicht verzichtet werden konnte. Es wird auch für die Zukunft nicht darauf verzichtet werden können. Bei der Aufbringungsseite hat der Gesetzentwurf vorgesehen, die Verwaltung genau so zu regeln, wie sie heute bereits auf dem Gebiet der Umsatzsteuerverwaltung geregelt ist. Ich glaube, der Bundesrat kann nicht wohl behaupten, daß die Umsatzsteuerverwaltung, die einstimmig auch vom Bundesrat gebilligt worden ist, mit den Grundsätzen der Verfassung nicht im Einklang stehe. Wenn aber hier das Beispiel schon gegeben ist, dann wird man wohl auch verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß die Verwaltung des Aufkommens nach dem System der Umsatzsteuerverwaltung gestaltet wird, nicht erheben können.


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    Bei dem zweiten Weg, Weisungsrecht des Hauptamtes für Soforthilfe für alle Verwaltung der Entschädigungen und Leistungen, müssen wir offen zugeben, daß es wohl besser ist, eine Änderung des Grundgesetzes, nur auf diesen Zweck beschränkt, vorzuschlagen. Wir sollen uns gewiß hüten, das Grundgesetz abzuändern, wenn nicht zwingende Not dazu vorhanden ist. Aber es dürfte ein Einverständnis aller Länder mit dem Bund bestehen, daß in diesem Falle das Weisungsrecht notwendig ist und eine Änderung des Grundgesetzes, die sich auf den Vollzug des Lastenausgleichsgesetzes beschränkt, empfehlenswert ist. Das ist der offene und ehrliche Weg, während alle anderen Wege wahrscheinlich Verfassungsbestimmungen verschleiern oder umgehen würden. Das wäre der Verfassung nicht würdig.
    Damit habe ich einen Überblick über die Frage des Aufkommens gegeben. Nun ein kurzes Wort zu der Frage der Entschädigung. Hier ist die erste Frage, „was" entschädigt werden soll. Der Gesetzentwurf beschränkt sich grundsätzlich auf all die Schäden, die durch die Massenvertreibungen und Massenzerstörungen des Krieges angerichtet worden sind. Er geht darüber nicht hinaus. Währungsschäden werden nur insofern berücksichtigt, als sie zu besonderen sozialen Härtefällen geführt haben. Vom Bundesrat wird hier die Frage der Altsparer hereingeworfen. Aber die Frage der Altsparer würde wahrscheinlich die Frage der Währungsschäden insgesamt aufwerfen. Und seien wir doch ganz offen und ehrlich: es gibt eigentlich nur einen Weg, sämtliche Währungsschäden zu beheben; das ist der Weg, an Stelle der D-Mark wieder die R-Mark einzuführen. Diesen Weg wird jeder in diesem Hohen Hause ablehnen. Wenn wir eine Einzelfrage anschneiden, so müssen wir für diese Einzelfrage auch die besondere Lösung finden. Die Lösung ist in der Frage der Altsparer so schwierig, daß wohl nichts anderes übrig bleibt, als vorgeschlagen ist: sie nicht in den Gesetzentwurf über den Lastenausgleich hineinzuwerfen und diesen nicht dadurch zu komplizieren, daß er mit einem Vermögenswert von 35,4 Milliarden neu belastet wird, sondern diese ganze Frage, wie immer vorgesehen, nach Abschluß des Gesetzentwurfs, wenn wir in der Lage sind, eine neue Bilanz des deutschen Volksvermögens zu ziehen, zu regeln, soweit wir dazu in der Lage sind.
    Auch die Frage der politisch Verfolgten kann nicht in den Gesetzentwurf übernommen werden. Sie ist ohnehin bereits Gegenstand der Gesetzgebung der Länder, die auch die Mittel hierzu aufbringen. Ohne allzu große Komplizierung kann die Ländergesetzgebung nicht aufgehoben und die Frage mit dem Lastenausgleich verbunden werden.
    Der Gesetzentwurf gewährt, wenn die Frage des „Was" entschieden ist, zur Frage des „Wie" einen Rechtsanspruch, der aber nicht etwa auf der Annahme basiert, der. Staat habe die Verpflichtung, den Vermögensstand und die Vermögensschichtung eines Volkes auf ewig zu garantieren, auch nicht auf der Annahme beruht, daß der Staat, wie man etwa sagen könnte, für jeden Schaden haftbar sei, der durch eine Katastrophe — und auch der Krieg ist eine Katastrophe — eintritt. Nein, der Rechtsanspruch beruht lediglich darauf, daß wir es als eine sittliche Verpflichtung des deutschen Volkes ansehen, brüderlich zusammenzustehen und eine Notgemeinschaft zu bilden. Dieser Rechtsanspruch wird aus dem Gedanken der Notgemeinschaft als eine freiwillige Leistung des deutschen Volkes übernommen. Daraus folgt, daß der Einwand, den der Bundesrat gegen den Rechtsanspruch auf Hauptentschädigung bringt, von der Bundesregierung nicht anerkannt wird, so daß der Entwurf in unveränderter Form vorgelegt werden mußte. Ich möchte aber rein materiell bemerken, daß es mir unverständlich ist, wie man sagen kann, daß dann, wenn der Rechtsanspruch auf Hauptentschädigung fiele, für soziale Zwecke mehr Mittel verfügbar wären. Mindestens in den ersten fünf Jahren ändert sich an dem materiellen Aufkommen und der materiellen Verwendung nichts, ob man den Rechtsanspruch anerkennt oder nicht. Dieses Argument des Deutschen Bundesrates kann ich also leider nicht anerkennen.
    Ich möchte nun abschließen und zusammenfassen. Das Bild wird sich künftig folgendermaßen gestalten. Die Kriegsschadenrente wird mit einem jährlichen Aufwand von 420 Millionen D-Mark berechnet; die Wohnraumhilfe, die der Gesetzentwurf vorsieht, mit einem jährlichen Aufwand von 330 Millionen D-Mark; der Härtefonds, der insbesondere für die Vertriebenen aus der Ostzone und den deutschen Ostgebieten gedacht ist, die nicht unter den Begriff der Vertriebenen und Flüchtlinge fallen, mit 65 Millionen D-Mark; der Währungsfonds für die Entschädigung des Währungsschadens der Vertriebenen, der über die bei der Währungsumstellung von der übrigen deutschen Bevölkerung erlittenen Schäden hinausgeht, mit 50 Millionen D-Mark; die sonstigen Förderungsmaßnahmen allgemeiner Art mit 120 Millionen D-Mark; die Hausrathilfe mit 300 Millionen D-Mark. Diese verschiedenen Arten von Entschädigungen und Leistungen bedeuten also einen jährlichen Gesamtaufwand von 1285 Millionen D-Mark. Das Gesamtaufkommen ist, wie ich Ihnen berichtet habe, mit 1660 Millionen D-Mark zu schätzen. Für die Eingliederungshilfe bleibt also ein Betrag von 375 Millionen D-Mark!
    Meine Damen und Herren, es ist das Kennzeichen des Gesetzentwurfs, daß er im Gegensatz zum Soforthilfegesetz das Schwergewicht nicht auf die Rentengewährung legt. Renten sollen Alten und Erwerbsunfähigen gewährt werden. Das Schwergewicht des Gesetzentwurfs liegt auf dem Gedanken der Eingliederungshilfe. Wir wollen, daß die Zahl derer, die sich als Kriegsgeschädigte, als Flüchtlinge, als Luftkriegstotalgeschädigte, die sich — um ein häßliches und unberechtigtes Schlagwort unserer Zeit zu gebrauchen — als „Entrechtete" fühlen, Jahr für Jahr geringer wird.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    Wer von der Allgemeinheit eine Rente bezieht, behält immer das Gefühl einer gewissen Minderwertigkeit, eines Unterstützten.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Wer dagegen die Möglichkeit hat, in einer neuen Existenz aus eigener Kraft nunmehr sich und seine Familie zu ernähren und sich und seiner Familie ein neues Heim zu schaffen, der hat auch das Gefühl, gleichberechtigt in einer neuen Heimat zu stehen.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Wir wollen die Zahl derer, die gleichberechtigt und bewußt im deutschen Vaterland als ihrer Heimat leben, jährlich immer mehr steigern, und wir haben keinen sehnlicheren Wunsch als den, die Zahl derer, die sich als Unterstützte, als Entrechtete fühlen, Jahr für Jahr zu verringern. Deswegen, meine Damen und Herren, muß ich sagen, daß es mein Herzenswunsch gewesen wäre, den Betrag,


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    der für die Eingliederungshilfe zur Verfügung steht, eher zu erhöhen als zu vermindern. Es stehen jährlich 375 Millionen zur Verfügung, und diese Eingliederungshilfe ist eine sehr produktive Maßnahme.
    Ich habe heute, als ich in dieses Haus kam, einen Presseausschnitt in die Hand gedrückt bekommen, wonach der Handelsausschuß der Vereinigten Staaten angeblich erklärt hat, daß die deutsche Wirtschaft nicht mehr kreditwürdig sei und man ihr kein Kapital mehr geben könne, und als Grund dafür war die Belastung des deutschen Kapitals durch den Gesetzentwurf, über den wir sprechen, angegeben.

    (Zuruf rechts: Nein, die Mitbestimmung!) Meine Damen und Herren, das Ausland unterliegt einem großen Irrtum; denn dieser Gesetzentwurf vermehrt die bisherige Belastung für den einzelnen und für das gewerbliche Betriebsvermögen nicht. Es ist also gar kein Anlaß, aus diesem Gesetzentwurf irgendwelche derartigen Schlußfolgerungen zu ziehen. Aber das eine ist richtig: wir haben uns in Gesprächen mit wichtigen Persönlichkeiten des Auslandes von seiten der Bundesregierung immer bemüht, Verständnis dafür zu wecken, daß das deutsche Volk hier eine letzte äußerste Kraftanstrengung leistet, daß die Not aber so groß ist, daß sie mit dieser Kraftanstrengung zwar gemildert, aber nicht restlos überwunden werden kann, daß die internationale Welt, die auch ein internationales Verschulden abzutragen hat, an der Hilfeleistung mittragen muß und daß wir deshalb im Vertrauen auf die internationale Welt in den Gesetzentwurf eine Bestimmung hineingeschrieben haben, die die Bundesregierung ermächtigt, eine Anleihe aufzunehmen


    (Abg. Dr. Gerstenmaier: Sehr gut!)

    in der Hoffnung, daß es einmal gelingen werde, den wirklichen Geist der Vereinten Nationen der Welt zu wecken und mit ihrer Hilfe auch eine solche Anleihe zu erhalten.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die Gespräche, die wir geführt haben, lassen mir die Hoffnung auf eine solche Hilfe nicht mehr als ganz utopisch erscheinen. Ich glaube, sagen zu können, daß in nicht ganz einflußlosen Kreisen der Wille dazu vorhanden ist. Es wurde aber betont: es ist Voraussetzung, daß das deutsche Volk für das System des Lastenausgleichs einen Weg findet, damit das, was aus der deutschen Produktion und Wirtschaftskraft herausgenommen werden muß, auch in erster Linie nach Möglichkeit dafür verwendet wird, die Kräfte der Kriegsgeschädigten, der Flüchtlinge und der Heimatvertriebenen wieder in die deutsche Produktion hineinzustellen und diese damit zu stärken.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wenn ich unter diesem Gesichtspunkt den Gesetzentwurf nach den Zahlen werte, so darf ich folgendes feststellen. Was wir an Eingliederungshilfe verwenden, nämlich 375 Millionen DM, ist produktive Ausgabe, was wir an Wohnraumhilfe verwenden — 330 Millionen DM — ist produktive Ausgabe, und was wir für Förderungshilfe aller Art verwenden — 120 Millionen DM — ist ebenfalls produktive Ausgabe.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Sehr gut!)

    Der Gesetzentwurf rechnet also mit produktiven
    Ausgaben im Betrage von 825 Millionen DM; das
    ist rund die Hälfte des gesamten Aufkommens. Ich
    glaube, daß das deutsche Volk auch nach dieser
    Richtung mit einem ehrlichen Gesicht vor die ganze Welt hintreten und sagen kann: Ich habe mich bemüht, eine deutsche Not zu lindern, und ich habe mich bemüht, das auf einem wirtschaftlich zweckmäßigen Wege zu tun, die deutsche Produktionskraft nicht zu schmälern, sondern aus der Not, aus der Masse der Heimatvertriebenen neue Kräfte für die deutsche Produktion zu gewinnen.

    (Erneute Zustimmung in der Mitte.) Infolgedessen möchte ich bitten, den Gesetzentwurf als ein Ganzes zu nehmen.

    Ich weiß genau, daß man aus den Erfahrungen des Soforthilfegesetzes gegen den Vorschlag der Kriegsschadenrente dieses oder jenes Bedenken einwenden kann. Meine Damen und Herren, wenn das durch das System der Vollversorgung ersetzt würde, so hätte das zur Folge - denken Sie daran —, daß die 280 Millionen DM, die die öffentliche Hand aus den Mitteln der Kriegsfolgehilfe und der Fürsorge demselben Personenkreis zur Verfügung zu stellen bereit ist, wegfallen würden. Für diesen Personenkreis stände diese Summe von 280 Millionen DM nicht mehr zur Verfügung, sondern würde bei der Vollversorgung aus dem Lastenausgleichsstock herausgenommen werden. Das hätte zur Folge, daß die Eingliederungshilfe, die mit 375 Millionen DM vorgesehen ist, wenigstens um den Betrag von 280 Millionen DM schmelzen und schwinden müßte und daß dann ein Betrag bliebe, der so klein wäre, daß der eigentliche Zweck der Eingliederungshilfe überhaupt nicht mehr zu erreichen wäre.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Das ist unmöglich!)

    Ich möchte deshalb bitten, den Gesetzentwurf unter all diesen Gesichtspunkten als Ganzes, als Geschlossenes aufzufassen und zu behandeln. Ich wünsche, daß dieser Gesetzentwurf in der deutschen Öffentlichkeit als ein Beitrag zum inneren Frieden des deutschen Volkes und damit als eine Stärkung des Friedens der Welt betrachtet wird. Wir sind das Grenzland neben dem Eisernen Vorhang. Die moralische Kraft und der innere Friede in diesem Grenzland können entscheidend dafür sein, ob der Friede der Welt bewahrt bleiben wird. Mögen In- und Ausland begreifen, daß diese große Kraftanstrengung des deutschen Volkes als Verteidigungsbeitrag dem Frieden der Welt dienen soll.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie haben die Begründung des Gesetzentwurfes gehört.
Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Johannes Kunze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir nach der Entgegennahme der Begründung zu diesem Gesetzentwurf heute in die Debatte der ersten Lesung eintreten, dann kann es meines Erachtens nicht unsere Aufgabe sein, jetzt die Einzelheiten dieses umfangreichsten Gesetzeswerkes, das der Deutsche Bundestag zu behandeln hat, darzustellen, sondern es kann sich lediglich darum handeln, zu den Grundsätzen dieser Regierungsvorlage das zu sagen, was vom Standpunkt des Volksvertreters oder der Vertretungen der einzelnen Fraktionen dieses Hauses zu sagen ist.
    Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung! Es ist im Laufe der letzten Monate, soweit ich die Dinge übrsehen kann, immer deutlicher sichtbar geworden, daß wir ein Volk sind, daß es sich in einer be-


    (Kunze)

    sonders schweren Zeit dadurch bequem macht, daß es die großen und schweren Probleme simplifiziert; und man sucht die Masse dadurch zu beeinflussen, daß man ganz bestimmte Phrasen und Leitsätze in das Volk hineinschleudert und es dadurch für Auffassungen gewinnen will, die bei einer nüchternen Betrachtung der Wirklichkeit sich als undurchführbar herausstellen.
    Der Herr Bundesfinanzminister ist in seinen Darlegungen auf eine Reihe von Grundsatzproblemen eingegangen. Erlauben Sie mir, einige von diesen Fragen aufzugreifen und Ihnen die Meinung, die ich und meine Freunde vertreten, hierzu zu sagen.
    Sie haben gehört und wissen alle aus den Diskussionen in der Öffentlichkeit, aus den Forderungen, die hier und dort erhoben worden sind, daß man auf der einen Seite das Grundsatzprinzip des Kollektiven mit dem Grundsatzprinzip des Individuellen und auf der andern Seite den Grundsatz des Quotalen mit dem Grundsatz des Sozialen als Gegensätze gegenüberstellt. Es ist außerordentlich wichtig, wenn wir uns darauf besinnen, daß es einer der Grundfehler im Denken des deutschen Volkes ist, immer in Extremen zu denken, als ob wir mit einem rein Quotalen oder einem rein Sozialen eine Lösung finden könnten.
    Über den kollektiven Lastenausgleich als Prinzip brauchen wir nicht zu sprechen, denn der Gedanke eines kollektiven Lastenausgleichs ist in der Öffentlichkeit und auch in der Meinung der Mehrheit dieses Hauses zu Ende gedacht.
    Wenn wir also, meine Freunde und ich, uns darüber auseinandersetzen, welche Grundgedanken und welche Grundsätze wir zur Anwendung bringen sollen, so erkläre ich Ihnen: Wir wollen einen Weg, der weder rein quotal noch rein sozial ist, sondern wir wollen einen gesunden Weg, der weg von der Phrase, die diese Worte enthalten, zu der wirklichen Lösung durchdringt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Würden wir rein sozial im Sinne der Gedankengänge, die von extremen Seiten ausgehen, diesen Grundsatz zur Anwendung bringen, so würden wir in logischer Folge den Grundsatz der Anerkennung des Privateigentums aufgeben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dazu sind meine Freunde nicht bereit.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wollten wir aber nach dem Grundsatz der Anerkennung des Privateigentums jetzt mit eben der gleichen Fehlkonstruktion des überspitzt Quotalen handeln, dann würden wir, meine Damen und Herren, völlig vergessen, wie denn die wirkliche Lage des deutschen Volkes ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Erlauben Sie mir, Ihnen dazu nur einmal ein paar Zahlen zu sagen. Erstens: Mehr als 70 % des deutschen Volkes in der Vergangenheit und Gegenwart haben überhaupt kein Vermögen besessen, wobei ich den Hausrat in diesem Sinne nicht als Vermögen bezeichne, ohne ihm damit seinen Wert nehmen zu wollen; denn diesen Hausrat braucht jeder. Diese 70 und mehr Prozent haben von dem gelebt und leben heute noch von dem, was sie mit ihrer Hände Arbeit schaffen wollen und schaffen können. Ich würde also von vornherein bei einem rein quotalen Denken dann nur echte Vermögensverluste, die in Sachwerten, in Grund und Boden, in Häusern, in landwirtschaftlichen oder sonstigen Vermögen bestünden, heranziehen, um zwischen den Besitzenden und den Geschädigten einen Ausgleich herbeizuführen. Dann würde ich die 70 % übergehen, dann würde ich den sozialen Gedanken totschlagen.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Darum habe ich mit meinen Freunden die Auffassung: Wir werden hier den gesunden Weg finden müssen, der allein gegangen werden kann, wenn das letzte Ziel dieses Gesetzes erreicht werden soll. Wir werden den Weg suchen müssen, um zum sozialen Frieden zu kommen, und wir werden in der Beratung dieser Regierungsvorlage miteinander diesen Weg finden.
    Erlauben Sie mir hier am Anfang ein Wort, da ich mich verpflichtet fühle, einige Male auf die Stellungnahme des Bundesrates einzugehen. Der Bundesrat hat — so hat die Presse berichtet — mit 22 gegen 21 Stimmen die Regierungsvorlage abgelehnt. Der Herr Bundesfinanzminister hat diese irrtümliche Berichterstattung bereits korrigiert. Es ist eine große Gefahr, die hier bei der Presse liegt, daß sie über eine Unmasse von Dingen, die sich in diesem Hause tun, berichten soll, daß ihr nicht der nötige Raum zur Verfügung steht und daß sie darum in die Gefahr gerät, mit Schlagzeilen zu arbeiten. Ich habe daher die Bitte an die Tagespresse, daß sie der Formulierung ihrer Schlagzeilen die Bedeutung beimessen möge, die sie für weiteste Kreise der Leser hat. Vergessen Sie nicht, meine Damen und Herren: breite Massen des deutschen Volkes lesen in der Presse nur die Schlagzeilen und haben dann ihr Urteil fertig. Was dahinter im Kleindruck steht, wird mehr oder weniger oberflächlich oder gar nicht gelesen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Zu der Stellungnahme des Bundesrates habe ich grundsätzlich ein Doppeltes zu sagen; einmal eine Feststellung zu treffen: Ich bitte die hochverehrten Mitglieder des Deutschen Bundesrates, es mir nicht zu verübeln, wenn ich frage, ob die Stellungnahme des Deutschen Bundesrates wirklich die des Rates eines Bundes oder einer Interessenvertretung der Länder ist.

    (Sehr gut! und Hört! Hört! in der Mitte.)

    Denn wir haben hier das Groteske, daß der Bundesrat da zu einem Nein kommt, wo ein Teil des Bundesrates Forderungen stellt, die die Abgabenseite berühren, und der zweite Teil der Mehrheit dadurch zustande gebracht wird, daß Forderungen auf der Entschädigungsseite erhoben werden. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mitglieder des Bundesrates, die solche Beschlüsse fassen, müssen doch einen Augenblick prüfen, woher denn diese Differenz bei der Kürzung der Abgabenseite kommt und wie die Erhöhung der Ausgabenseite letztlich gedeckt werden soll. Ich glaube, es wird zu den Aufgaben des Ausschusses für den Lastenausgleich gehören, mit den Vertretern des Bundesrates hier Wege zu suchen, damit wir diese Diskrepanz nicht hinterher unter Anrufung von Art. 77 des Grundgesetzes auch bei diesem Gesetz beseitigen müssen.
    Und das Zweite, was die Öffentlichkeit hierbei auch nicht bedenkt: Wenn ich die Stimmen der Länder im Bundesrat in Beziehung setze zu der Bevölkerungsziffer dieser Länder, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß die Länder, die — wenn Sie den Ausdruck erlauben — mit Nein votiert haben, nicht ganz 10 Millionen Menschen, und die Länder, die mit Ja votiert haben, über 40 Millionen Menschen in ihren Grenzen haben.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)



    (Kunze)

    Es ist doch einfach eine Tatsache, daß ich die drei Stimmen des Landes Bremen im Bundesrat nicht so bewerten kann wie etwa die Stimmen des Landes Bayern, in dem 23 % Vertriebene sitzen und dessen Bewohnerzahl 15mal so groß ist wie die des Landes Bremen.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zurufe links.)

    Ich möchte deshalb darum bitten, daß man die Stellungnahme des Deutschen Bundesrates auch unter diesem Gesichtspunkt einer kritischen Prüfung unterzieht.
    Die zweite Problematik, mit der sich der Bundesrat und vor allem die deutsche Öffentlichkeit befaßt haben, meine Damen und Herren, ist, sowohl auf der Abgabe- wie auf der Nehmerseite, der Einheitswert. Die Bundesregierung hat in ihrer Vorlage — und in diesem Punkte hat der Bundesrat einmütig zugestimmt — die Einheitswerte als Grundlage genommen. Über dieses Problem ist in Sachverständigenkreisen quer durch alle Fraktionen dieses Hohen Hauses noch und noch diskutiert worden. Wir haben, soweit ich die Dinge übersehen kann, bis zu dieser Stunde eine andere Lösung als die, die Einheitswerte zum Ausgangspunkt zu nehmen, nicht finden können.
    Ich darf die deutsche Öffentlichkeit auch einmal auf folgende Tatsache aufmerksam machen: Auch hier wird mit Worten herrlich gestritten, ohne daß die Wirklichkeit des Lebens erkannt wird. Es wird mit dem Wort „Verkehrswerte" statt „Einheitswerte" gearbeitet. Ja, meine Damen und Herren, wo kein Grundstücksmarkt ist, gibt es doch auch keinen Verkehrswert. Das Reichsbewertungsgesetz wird sehr oft, bewußt oder unbewußt, in seinen Grundlagen nicht erkannt. Wovon geht beispielsweise die Bewertung beim landwirtschaftlich genutzten Vermögen aus? Doch von nichts anderem als von der Ertragsseite, von dem durchschnittlichen Ertrag, der in Jahrzehnten, d. h. in längeren Erntezeiträumen ermittelt worden ist. Wenn ich dann in den Tausenden von Briefen, die mir auf den Schreibtisch geflattert sind und die wahrscheinlich sehr vielen von Ihnen in der gleichen Form und in dem gleichen Tenor täglich auf den Schreibtisch flattern, lesen muß, sei es von Vertriebenen: der Einheitswert des landwirtschaftlichen Grundbesitzes sei mindestens der dreifache — und das geht selbst bis zum Zehnfachen —, und von landwirtschaftlichen Kreisen: der Einheitswert sei völlig übersetzt, sei viel zu hoch, so komme ich doch zu der Überzeugung, daß die Regierungsvorlage, die die Einheitswerte als Grundlage genommen hat, damit den richtgien Weg gegangen ist.
    Es wird Aufgabe der Beratungen dieses Hohen Hauses, insbesondere des Ausschusses, sein, zu prüfen, ob sich bei der Anwendung dieses Grundsatzes irgendwelche offensichtliche Härten ergeben. Ich habe z. B. in sorgfältigen Prüfungen feststellen können, daß die Durchführungsverordnungen zum Reichsbewertungsgesetz in den Ländern verschieden ausgelegt worden sind, so daß man zu dem grotesken Schluß kommen muß, daß z. B. — ohne das generalisieren zu wollen - in Württemberg mit anderen Maßstäben als in anderen Ländern gearbeitet wurde. Wir werden in aller Ruhe diese Frage auf die Substanz prüfen und da zu bestimmten Konsequenzen kommen müssen, weil wir bei all unseren Beratungen und Entscheidungen uns alle von dem Grundsatz leiten lassen, im Rahmen des Menschenmöglichen gerecht zu sein.
    Sowohl in der Regierungsvorlage als auch in der Stellungnahme des Deutschen Bundesrates ist als weiterer Grundsatz festgelegt worden, daß eine einheitliche Vermögensabgabe erreicht werden soll. Darüber sind sich alle Sachverständigen klar, daß Vermögen nicht gleich Vermögen ist, sondern daß je nach der Art des Vermögens auch der Ertrag verschieden sein wird. In dem Bemühen, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß es hier unbestreitbar zwei Möglichkeiten gibt, nämlich entweder entsprechend den verschieden hohen Erträgen die Abgabe prozentual auch verschieden zu gestalten oder bei einer Bleichhohen Abgabe die Verzinsung dieser Abgabe zu staffeln, ist die Regierung in Übereinstimmung mit den Sachverständigen der Regierungsparteien zu der letzteren Lösung gekommen. Auch darüber mögen die Auffassungen geteilt sein. Im Ziel wird erreicht werden müssen. eine schon gefundene Lösung zu akzeptieren oder eine neue zu erarbeiten, die diesen Grundsatz der Belastung des Vermögens bis zur Grenze des wirtschaftlich Tragbaren verwirklicht oder die Möglichkeit der Verwirklichung schafft.
    Wir haben uns in unseren Überlegungen davon leiten lassen - und die Bundesregierung hat sich dieser Überlegung und ihren Ergebnissen nicht verschlossen —, daß wir andere soziale Rücksichten nehmen müssen, als sie das Soforthilfegesetz genommen hat. Es ist doch ein Unterschied, ob ein Arbeiter oder Angestellter in zwanzigjähriger Arbeit Groschen auf Groschen zusammenlegt, um endlich zum Ziele eines kleinen Eigenheims zu kommen und so vermögend zu werden, oder ob jemand vom Vater her zehn Häuser ererbt hat, die 500 000 DM wert sind. Wir haben die Überzeugung, daß, wenn hier nicht mit echten sozialen Freigrenzen gearbeitet wird, das Gesetz nicht verstanden werden könnte, weil es auch an dem Punkte eine falsche Gleichsetzung von Vermögen und Vermögen mit sich bringen würde.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Darum ist die Freigrenze sozial gestaffelt nach dem Grundsatz: selbst erarbeitetes kleineres Vermögen soll jetzt nicht durch den Lastenausgleich wiederum vernichtet oder in seiner Erhaltungsmöglichkeit ernsthaft gefährdet werden. Das bedingt selbstverständlich — ich komme nachher darauf zu sprechen - auch, daß wir auf der andern Seite bei den kleineren Vermögen der Geschädigten den gleichen Grundsatz anwenden. Sonst würde der Grundsatz sozialer Gerechtigkeit nur für den einen Teil, den besitzenden Teil, exerziert werden, und wir würden vergessen, es bei dem anderen Teil zu tun.
    Der Bundesrat hat gegen die Grundsatzkonzeption der Regierungsvorlage, Einbeziehung der Vermögenssteuer in den Lastenausgleich, Bedenken erhoben, die niemals grundsätzlicher Art sind, sondern die auf einer verständlichen Wahrung der Interessen der Länder beruhen. Der Herr Bundesfinanzminister hat dazu seinerseits bereits so klar und deutlich Stellung genommen, daß ich sagen kann: was er zu dem Punkte ausgeführt hat, entspricht auch der Auffassung, die meine Freunde und ich teilen. Ich brauche mich daher zu dem Punkte nicht zu äußern.
    Lassen Sie mich noch kurz auf die verschiedenen weiteren Abgaben eingehen, die die Regierungsvorlage vorsieht, die Hypothekengewinnabgabe, die Obligationengewinnabgabe, die Währungsgewinnabgabe oder die Kreditgewinnabgabe und auf die Sonderabgabe vom Vorratsvermögen.
    Meine Damen und Herren, soweit es die ersten drei Kapitel angeht, handelt es sich um sehr


    (Kunze)

    schwierige Spezialfragen, mit denen sich die besten Sachverständigen dieses Hauses bei den Beratungen noch ernsthaft zu beschäftigen haben. Aber ein großes Ziel ist doch hier in wenigen, schlichten Worten darzustellen und aus dem, was die Gesetzesvorlage will, zu folgern. Sie will auf der einen Seite durch die Abgabe von Vorratsvermögen und von übersteigertem Vorratsvermögen bis zu den Grenzen des Möglichen Hortungsgewinne erfassen, so wie es das Soforthilfegesetz getan hat; auf der andern Seite will sie Währungsgewinne erfassen, damit nicht derjenige seinen Gewinn behält, der Schulden gemacht hatte, um sich Vorräte zu kaufen, und um Mitternacht vom 20. zum 21. Juni 1948 mit dem beglückenden Gefühl aufwachen oder noch wach sein konnte: Mein Vermögen habe ich, und meine Schulden betragen nur noch 10 %. Das ist der Kerngedanke, der diesen Maßnahmen, die uns vorgeschlagen werden, zugrunde gelegt werden muß.
    Dahinter stecken aber nun — der Herr Bundesfinanzminister hat es angedeutet — eine große Reihe von schweren Fragen, die in Sachverständigenkreisen durchdacht und erörtert werden müssen. Erlauben Sie mir auch dazu ein grundsätzliches Wort. Wer die Regierungsvorlage gründlich studiert hat — und das haben ja zumindest die verehrten Abgeordneten dieses Hohen Hauses getan —, der wird festgestellt haben, daß die Zahl der vorgesehenen Rechtsverordnungen bis an die 50 herangeht. Das zeigt auf der einen Seite die einzigartige Schwierigkeit, mit der wir zu arbeiten haben, auf der andern Seite stellt es uns aber auch die Aufgabe, zu prüfen, inwieweit wir in den Beratungen dieses Hauses die Schwierigkeiten meistern und unserer uns obliegenden Pflicht gerecht werden, die Gesetze zu schaffen und sie in ihrer Substanz nicht der Exekutive zu überlassen. Das kann nur grundsätzlich gesagt werden. Es ist keine Zeit, darüber im einzelnen Ausführungen zu machen.
    Lassen Sie mich zu der Frage der Ausgleichsleistungen kommen. Es ist bereits der Gegensatz der Auffassungen zwischen dem „Bundesrat" — einem Teil der Bundesratsvertretungen, die nur ein Bruchteil der Ländervertretungen sind, wenn ich die Bevölkerungsziffer zugrunde lege — und der Bundesregierung dargestellt worden. Ich persönlich vertrete — und das darf ich im Namen meiner Freunde sagen— grundsätzlich die Auffassung, die ich anfangs darstellte und auch jetzt im Zusammenhang mit diesem Teil noch einmal wiederholen möchte. Wir lehnen jeden Versuch, einen wirklich erlittenen und als solchen ermittelten Schaden durch generelle soziale Maßnahmen zu berücksichtigen, ab. Wir verschließen uns aber nicht der Erkenntnis, daß es Verluste gibt, die sich nicht in Geld oder nachgewiesenen Grund- und Bodenverlust ausdrücken lassen, und daß diesen Menschen auch geholfen werden muß und es notwendig ist, sie einzugliedern. Ich bin der Meinung, daß es möglich werden muß und möglich ist, daß jedem, der, wenn ihm der Start gegeben wird, die Kraft zu einem neuen Anfang hat — sei es zur Seßhaftmachung, Eingliederung, Wiederselbständigwerdung oder zum Neuselbständigwerden —, auch die Chance gegeben werden muß.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das fordert kein vernünftig denkender Mensch, daß ich, der ich keinen Pfennig Vermögen gehabt habe, nun qua Lastenausgleich 10 000 DM geschenkt bekomme, um mich selbständig zu machen; aber es entspricht den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit,
    daß man mir, wenn ich die Möglichkeit habe, eine Existenz aufzubauen, den Start .dazu gibt. Diesen Start müssen wir den Menschen geben. Ich sehe hier darum, wenn ich Sie an meine Ausführungen über die extreme Denkweise des deutschen Volkes erinnern darf, durchaus den Weg, zu einer gesunden mittleren Lösung zu kommen und eine Verständigung zwischen den Auffassungen beider Teile dieses Hauses herbeizuführen, weil ja die Auffassungen zu diesem Punkte nicht etwa parteipolitisch festgelegt sind, sondern je nach dem Standort, von dem aus der einzelne es betrachtet, hat er auch eine verschiedene Auffassung von den Notwendigkeiten und Möglichkeiten.
    Ein sehr strittiges Kapitel sowohl in den Beratungen der Regierungsvorlage als auch in den Beratungen im Bundesrat war die Frage der Kriegsschadenrente. Es ist zweifellos richtig — ich führe das als meine persönliche Auffassung hier aus —, daß es für weiteste Kreise der Geschädigten und auch der Öffentlichkeit schwer verständlich ist, wenn man irgend jemandem, der geschädigt ist, eine Rente von 10 DM im Monat anbietet. Es ist gar keine Frage, daß die gegenwärtige Gestalt der Kriegsschadenrente einer sorgfältigen Prüfung und nach meiner Überzeugung auch grundsätzlichen Reform bedarf. Nur haben wir uns eines vor Augen zu halten: daß das Ziel, Menschen einzugliedern, wieder neu zu fundieren, dabei nicht aus den Augen gelassen werden darf. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß wir den Weg u. a. dadurch finden könnten, daß wir sagen: das, was jetzt nach der Regierungsvorlage in den normalen Haushalt der Fürsorge-Etats der Länder, Gemeinden und des Bundes gehört, wird herausgenommen und diese Mittel werden global dem Lastenausgleich zugeführt, so daß dadurch wirklich die Möglichkeit von Rentenleistungen gegeben ist, die zu verantworten sind, nicht nur von Rentenleistungen, meine Damen und Herren, die optisch besser aussehen. Die Optik hält nur so lange stand, wie die Propaganda läuft. In dem Moment, in dem die erste Zahlung kommt, hört die Wirkung der Optik auf; darüber sollten wir uns klar sein.
    Ein weiteres Problem ist die Hausratentschädigung. Da werden wir sorgfältig zu überlegen haben — unter Berücksichtigung der Grund- und Leitgedanken des Gesetzes —, ob nun wirklich die jetzt von der Regierung vorgeschlagene total nivellierende Lösung von uns akzeptiert werden kann. Wir haben uns im Ausschuß für den Lastenausgleich bei den überaus wertvollen Beratungen über die Feststellung bereits darüber verständigen können, daß wir eine gestaffelte Tabelle bei der pauschalen Festsetzung des Hausratverlustes zugrunde legen wollen, und waren uns darüber klar, daß das auch folgerichtig bei der Beratung des Ausschusses für den Lastenausgleich über die Lastenausgleichsgesetzgebung zur Auswirkung kommen muß.

    (Sehr gut! rechts.)

    Aber vergessen Sie bitte eines nicht, meine Damen und Herren: die Regierungsvorlage nimmt nach den statistischen Erhebungen aus den aufkommenden Mitteln 3,6 Milliarden für Hausratentschädigung an; die von uns gemeinsam erarbeitete neue Tabelle frißt etwa 5,4 bis 6 Milliarden auf. So hart das klingt, müssen wir uns doch darüber klar sein, das ist meine persönliche Überzeugung, daß wir den Hausratschaden niemals in seiner vollen Höhe erfassen und in normalen Relationen den Geschädigten ersetzen können. Das wäre zwar gerecht, aber, meine Damen und Herren, wehe uns, wenn


    (Kunze)

    wir uns der formalistischen Gerechtigkeit unterwerfen würden, statt den Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit zur Maxime unserer Entscheidungen zu erheben.
    Erhebliche Kritik ist an der Wohnraumhilfe geübt worden. Lassen Sie mich ganz schlicht eines sagen. Wir haben beispielsweise im Raum GroßAugsburg Platz für Tausende von Spinnern. Die Spinner sitzen, aus dem Sudetenland vertrieben, im Bayerischen Wald. Ich könnte fortfahren, Ihnen ähnliche Bilder, ähnliche Verhältnisse zu schildern, die Sie aber alle kennen. Das ist doch bester Lastenausgleich, wenn ich Mittel benutze, um jetzt dort im Großraum Augsburg Wohnungen zu schaffen und den Menschen das Ziel ihres Kampfes zu geben, nämlich wieder Arbeit statt Almosen. Jeder Mensch, auch wenn er aus der Soforthilfe oder Wohlfahrt Geld bekommt, empfindet sich im tiefsten Grunde deklassiert. Schaffe ich ihm die Grundlage der Existenz durch einen neuen Arbeitsplatz und eine Wohnung, habe ich seine Lastenausgleichsfrage gelöst. Leider besteht keine Möglichkeit, heute schon zu sagen: diese Wohnraumfrage hat doch mit dem Lastenausgleich nichts zu tun; das möge die Regierung aus anderen Mitteln decken, wenn der Haushalt das nicht erlaubt. Wenn der Gürtel enger geschnallt werden muß, dann wage ich auch, Mittel des Lastenausgleichs für solche Zwecke zu verwenden, zumal wenn die Regierungsvorlage sie ausdrücklich bestimmt: a) in erster Linie für den Kreis der Anspruchsberechtigten aus diesem Gesetz, b) befristet zeitlich nach der Höhe und c) als Darlehn verzinslich. Dann rollen doch eines Tages diese Mittel wieder zurück und können dann nach den Grundsätzen dieses Gesetzes weitere Verwendung finden.
    Ich komme kurz noch auf drei Probleme. Die Regierungsvorlage sieht die Bildung eines Härtefonds vor. Meine Damen und Herren, hinter dieser Bildung stehen zwei sehr schwere und ernste Fragen. Es steht erstens die ganze Frage der Behandlung der Bewohner der Ostzone dahinter, die in den Raum der Bundesrepublik geflüchtet oder gekommen sind. Bis zur Stunde sind alle Überlegungen und Prüfungen, ob man auf anderen Wegen durch Einbeziehung dieser Gruppe von Menschen in dieser Frage einer Lösung näherkommen könne, gescheitert. Darum hat die Regierung vorgesehen, sich zunächst einmal mit diesem Vorschlage zu begnügen. Wir werden uns in der Ausschußberatung noch sehr ernsthaft damit zu befassen haben.
    Aber noch eine zweite Frage — ich glaube, daß ich da nicht nur im Namen meiner Freunde spreche, sondern der Zustimmung des ganzen Hauses gewiß sein kann —, wir sind gewillt und entschlossen, bis zu den Grenzen des staatsrechtlich und politisch Möglichen zu gehen, d. h. praktisch, Berlin in den Lastenausgleich einzubeziehen.

    (Beifall bei der CDU.)

    Wie wir das formaljuristisch machen, das überlassen wir freundlich den bewährten und qualifizierten Juristen dieses Hauses. Aber ich glaube, daß Sie auch alle mit mir einig sein werden, daß wir, soweit uns die Macht gegeben ist, gleiches Recht in Deutschland für alle setzen.

    (Beifall bei der CDU.)

    Nun kommen die letzten beiden Punkte, einmal: Mittel für sonstige Förderungsmaßnahmen. Sehen Sie, schlummernde Kräfte in der Jugend der Kriegsgeschädigten und Vertriebenen, Kräfte der Intelligenz und des Geistes können heute weitgehend nicht zum Zuge kommen, weil den Eltern die Mittel fehlen, ihren Kindern die entsprechende Ausbildung zu geben. Es erscheint mir politisch richtig, sozial gerecht und volkswirtschaftlich nötig, dieses brachliegende Kapital für die Zukunft zu erschließen. Wir können uns in Deutschland den Luxus nicht leisten, Menschen, die zu Größerem fähig sind, aus Mangel an Mitteln die Ausbildung zu verweigern. Das wird sich in der nächsten Generation rächen.
    Das allerletzte Problem ist das der Währungsgeschädigten. Eins ist in der Regierungsvorlage festgelegt und dürfte zweifelsohne die Zustimmung dieses Hohen Hauses finden, daß ein durch die alliierte Währungsgesetzgebung eingetretenes Unrecht beseitigt wird, daß man nämlich den Heimatvertriebenen, deren Konten in der Heimat nicht aufgewertet werden konnten, nunmehr die Möglichkeit gibt, daß ihre am Währungsstichtage nachgewiesenen Guthaben genau der gleichen Aufwertung unterstellt werden, wie das mit den Geldguthaben innerhalb der Bundesrepublik geschehen ist. Das sind die berühmten 6,5%.