Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat mich heute morgen beauftragt, Ihnen zusätzlich über die Grunde, die uns zum § 97 bestimmt haben, Bericht zu erstatten. Aber diese Gründe entsprechen auch meiner eigenen Überzeugung, so daß ich gegen meinen Parteifreund Schoettle durchaus auch in meinem eigenen Namen hier zu sprechen habe. Ich freue mich über diese Möglichkeit einer wirklichen Debatte, die hier im Hause selten vorkommt.
Ich kann den Ausführungen meines Kollegen Schoettle nicht zustimmen. Zunächst kann ich nicht verstehen, was es mit dem Budgetrecht des Parlaments zu tun hat, ob das Amtsgehalt der Verfassungsrichter im Gesetz selbst oder in einem besonderen Gesetz geregelt ist; denn dieses Budgetrecht steht doch dem Bundestag zu, aber nicht seinem Haushaltsausschuß!
Der Haushaltsausschuß ist wie jeder andere Ausschuß lediglich dazu da, Beschlüsse des Hauses vorzubereiten.
Er hat nicht weniger, aber auch nicht mehr Recht als alle übrigen Ausschüsse, und ich darf daran erinnern, daß wir Gesetze von einer ungeheuren finanziellen Auswirkung wie etwa das Bundesversorgungsgesetz beschlossen haben, dessen Auswirkungen in die Milliarden gehen, ohne daß der Haushaltsausschuß dabei federführend oder, ich glaube, sogar nur beteiligt gewesen ist. Also das Budgetrecht kann durch diese Art der Regelung in keiner Weise verletzt werden.
Was durch das Sondergesetz angestrebt wird, ist offenbar keinerlei sachliche Änderung, sondern in dem zweiten Gesetz soll genau das gleiche stehen, was bei uns in §§ 97 ff. enthalten ist. Ich weiß also nicht recht, welches das wirkliche Motiv ist. Es klingt so etwas an, man solle keinen Präzedenzfall schaffen, man solle nicht in einem Organisationsgesetz zugleich die, sagen wir einmal. finanzielle Regelung, insbesondere eine Gehaltsregelung mit vornehmen; denn man fürchtet wohl, daß bei der Einsetzung anderer Institutionen dieses Vorbild nachgeahmt werden könnte.
Davon kann absolut keine Rede sein; denn es gibt kein dem Bundesverfassungsgericht sonst irgendwie gleichrangiges oder vergleichbares Organ, da das Bundesverfassungsgericht neben der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat steht. Also die Gefahr, daß hier ein Weg beschritten wird, auf den sich später der eine oder andere bei der Organisation einer weiteren Bundesbehörde berufen könnte, ist nicht gegeben. Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts sind ja auch keine Beamten in dem hergebrachten Sinne, sondern sie bilden unmittelbar ein Organ der verfassungsrechtsprechenden Gewalt.
Die Konsequenz, die Sie mit dem Sondergesetz erreichen, ist aber nicht ohne Bedenken. und gerade auf diese Bedenken muß ich Sie eindringlich hinweisen. Was geschieht hier? Hier wird das Schicksal des § 97 und der folgenden Paragraphen vom Schicksal des Hauptgesetzes losgelöst, und für die Beachtung dieses Gesetzes und seine etwaige Veränderung ist künftig nicht mehr das Bundesjustizministerium, sondern das Bundesfinanzministerium zuständig. Das ist sachlich verfehlt; denn es handelt sich bei dieser Regelung nicht um finanzpolitische, sondern um verfassungspolitische Fragen. Die Art, wie die Richter gestellt werden, Richter besonderer Art, wie wir sie sonst gar nicht kennen, die ja nur auf acht, teilweise nur auf vier Jahre gewählt sind, ist ein immanenter Teil der Organisation dieses Gerichtshofes, der ohne Strukturänderung nicht herauslösbar ist, so daß die Frage, wie die Richter gestellt sind, zugleich eine Frage ihrer materiellen Unabhängigkeit ist.
Meine Damen und Herren! Es wird immer so viel von der richterlichen Unabhängigkeit gesprochen; es wird aber manchmal nicht genug für sie getan. Die Frage, vor der Sie jetzt stehen, ist
die, ob Sie glauben, daß der Herr Bundesfinanzminister der geeignete Hüter der richterlichen Unabhängigkeit ist.
Wenn Sie die Frage bejahen, dann stimmen Sie
dem Antrag Schoettle zu; sonst lehnen Sie ihn ab!