Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es ist verschiedentlich eingewandt worden, daß Art. 87 unseres Grundgesetzes nur von Grenzschutzbehörden spricht, aber nicht von Grenzschutzeinheiten. In der Verwaltungspraxis, meine Damen und Herren, ist es nichts Ungewöhnliches, daß Behörden über eigene Exekutivkräfte verfügen, ohne daß sie damit die Behördeneigenschaft verlieren. Ich darf nur an die Polizeibehörden erinnern, an die Polizeipräsidien, die schon vor 1933 weitgehend Vollzugsbeamte hatten, weit mehr Vollzugsbeamte, als uns heute selbst für die Grenzschutzbehörden vorschwebt. Welchen Sinn sollte überhaupt eine Grenzschutzbehörde oder gar eine Mehrzahl von Grenzschutzbehörden haben, wie sie der Art. 87 ausdrücklich vorsieht, wenn sie lediglich aus Bürobeamten und Schreibkräften bestehen sollten und nicht über eigene Exekutivkräfte verfügen dürften! Deshalb können diese Außenbeamten durchaus — sie müssen sogar — Polizeibeamte sein, die zweifellos nicht Aufgaben in irgendeinem geheimen oder getarnten militärischen Auftrag erfüllen, die aber eben polizeiliche Befugnisse haben sollen.
An der Doppeldeutigkeit, die in dem Worte Grenzschutzbehörden liegt, trägt nicht die Bundesregierung die Schuld. Im Grundgesetz ist der Ausdruck Bundesgrenzschutzbehörden damals bewußt geprägt worden. Man war sich bei der Verabschiedung des Grundgesetzes durchaus im klaren, daß es sich hierbei um reine Polizeibehörden und um nichts anderes handeln sollte. Auch die Militärgouverneure selbst haben in einem Schreiben vom 14. April 1949 daran erinnert, daß im Zusammenhang mit der Überwachung des Personenverkehrs an den Bundesgrenzen ausdrücklich von „Bundespolizeibehörden" gesprochen worden ist.
Nun verfolgt unsere Regierung nicht die Absicht, die gesamte Polizeiverstärkung in der Form von Bundesgrenzschutzbehörden durchzuführen. Grenzschutzbehörden müssen ihrem Begriff nach an der Grenze stationiert sein; sie müssen also ihre Funktionen auf ein bestimmtes Gebiet im Grenzbereich beschränken. Schon aus diesem Grunde können sie eine kasernierte Bereitschaftspolizei im Innern des Bundesgebiets, wie wir sie dringend nötig haben, wirksam nicht ersetzen, seien es nun Länderbereitschaftspolizeien, sei es Bundesbereitschaftspolizei.
Es kommt hinzu, daß der Bundesgrenzschutz von uns in einem möglichst kleinen Rahmen gehalten werden soll. Ich muß nur dem Hohen Hause einem Versuch widerraten, die Stärke des Grenzschutzes gesetzlich oder gar verfassungsgesetzlich festzulegen. Sie, meine Damen und Herren, haben ja jederzeit die Möglichkeit, durch Ihre Entscheidung die Zahl dieser Bundesgrenzschutzbehörden zu bestimmen. Wir verfolgen das Bestreben, den Personalbestand der Bundesgrenzschutzbehörden im engen Einvernehmen mit dem Hohen Hause festzusetzen. Deshalb ist von uns aus gar kein Bedenken gegen den in der letzten Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung von der Fraktion der CDU/CSU bereits vorgelegten Antrag zu erheben, wonach dieser Personalbestand durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder dieses Hohen Hauses festgesetzt werden soll.
Als Aufgabe obliegt den Bundesgrenzschutzbehörden der polizeiliche Schutz der Grenzen. Was darunter zu verstehen ist, ist in § 3 der Regierungsvorlage näher dargelegt. Um Reibungen mit den Landesbehörden und den Polizeieinheiten der Länder möglichst auszuschließen, hat sich die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrates angeschlossen, daß die Bundesgrenzschutzbehörden im Benehmen mit den Polizeibehörden der Länder zu handeln haben, wenn deren Polizeiaufgaben durch die Tätigkeit des Bundesgrenzschutzes berührt werden.
Aber eins müssen wir im Gegensatz zu den Beschlüssen des Bundesrats feststellen: zum polizeilichen Schutz der Grenzen gehört auch die Paßkontrolle. Der Bundesrat hat dem Bundesgrenzschutz das Recht zur Paßnachschau nicht geben wollen. Indessen kann der Bund auf diese Kompetenz nicht verzichten.
Paßrechtliche Sicherung der Grenzen gegenüber dem Ausland ist nach dem Art. 87 des Grundgesetzes geboten und nicht mehr Aufgabe der Länder, sobald der Bund von diesem Art. 87 Gebrauch macht.
Meine Damen und Herren! Aus diesen Überlegungen kann der einzig mögliche Schluß, der unserer angespannten Lage allein gerecht wird, nur dieser sein: Schlagen Sie der Bundesregierung dieses bescheidene Instrument, das die Gesetzesvorlage ihr verschaffen soll, nicht aus der Hand! Versagen Sie dem Bund nicht die in der Verfassung vorgesehene Möglichkeit, seine Grenzen aus eigener Kraft polizeilich zu schützen. Die Ermöglichung dieses Schutzes darf die Bevölkerung nach den langen, schleppenden Verhandlungen der vergangenen Monate von uns und von Ihnen mit Recht erwarten.
Gestatten Sie mir noch ein persönliches Wort! Die drei Monate, in denen ich an der Vervollständigung unserer inneren Sicherheit arbeite, sind tief enttäuschend gewesen. Hemmnisse und Schwierigkeiten von allen Seiten, unzureichendes Verständnis bei den hohen alliierten Behörden, unzureichendes Verständnis bei den Ländern selbst, obwohl es sich um ihre eigene Sicherheit handelt; Schwierigkeiten aber auch in dem unendlich langsamen Fortgang der Verhandlungen, die wir untereinander pflegen. Meine Herren, die Gegenseite, der der Kampf seitens unseres Hauses gilt, ist weitaus aktiver und entschlossener und geschlossener. Der Einsatz von der andern Seite geht planmäßig und methodisch mit gesteigerter Kraft vor sich, besonders von dem Zeitpunkt ab, an dem der GrotewohlBrief seine verdiente Erledigung gefunden hat.
— Ja, „nach Ihrer Meinung". Wenn Sie die Vorlage angreifen, ist das die beste Empfehlung für meine Worte!
Meine Damen und Herren, es ist nicht unsere Aufgabe, vor solchen Gefahren die Augen zu verschließen, sondern jetzt mit Entschlossenheit und Tatkraft zu handeln. Deshalb bitte ich um die Zustimmung aller Seiten des Hauses zu der Vorlage.