Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem 19. Oktober 1950 hat die Fraktion des Zentrums einen Antrag betreffend Errichtung neuer Zuckerfabriken eingereicht, der Ihnen als Drucksache Nr. 1491 vorliegt. Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Bau neuer Zuckerfabriken aus Gegenwertsmitteln zu fördern. Insbesondere sollen neue Zuckerfabriken in Gebieten mit vorwiegend kleinbäuerlichen Betrieben errichtet werden, damit auch in diesen Gebieten der Zuckerrübenanbau lohnend wird.
In der 43. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Bundestages am Mittwoch, dem 29. November 1950 wurde über diesen Antrag folgender Beschluß gefaßt:
Der Ausschuß vertritt die Auffassung, daß eine Aufbringung der erforderlichen Mittel zur Errichtung neuer Zuckerfabriken durch die Landwirtschaft allein nicht möglich ist, sondern daß verlorene Zuschüsse notwendig sind, wenn ECA-Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung wird ersucht. die Finanzierung der neu zu errichtenden Fabriken beschleunigt sicherzustellen, um somit eine Vermehrung der Eigenerzeugung zu erreichen.
Bisher ist für die Länder Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen je eine Zuckerfabrik vorgesehen. Die Länder Bayern und Schleswig-Holstein haben sich bereits über die Standortfrage geäußert. In Bayern soll die Fabrik in Ochsenfurt, in Schleswig-Holstein in Kiel errichtet werden. In Niedersachsen konnte eine Einigung über den Standort der neuen Zuckerfabrik noch nicht erzielt werden.
Als Abgeordneter des Südwestens möchte ich die Damen und Herren des Hohen Hauses auch auf ein Gebiet in der Nähe des Bodensees aufmerksam machen, das bisher von Zuckerfabriken weit abgelegen ist, wo aber sowohl die Notwendigkeit wie die Möglichkeit und die Geneigtheit besteht, Zukkerrüben anzubauen, und wo es dringend erwünscht wäre, mit der Zeit auch vielleicht an der Grenze Südwürttembergs und Südbadens eine solche Fabrik zu errichten, um dadurch der Landwirtschaft die Möglichkeit zu geben, Zuckerrüben anzubauen und mit den Abfällen die Milch-, Fett-und Fleischproduktion zu steigern.
Die Errichtung einer Zuckerfabrik mit einer Durchschnittsverarbeitung von 15- bis 20 000 Doppelzentnern Rüben je 24 Stunden erfordert nach den verschiedenen Gutachten etwa 15 Millionen DM. Es ist bisher vorgesehen, daß ein Drittel dieser Summe durch die rübenbauende Landwirtschaft und sonstige an der Errichtung interessierte Kreise aufgebracht werden soll, während 10 Millionen DM aus ECA-Mitteln zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Pläne der Zuckerfabriken Ochsenfurt und Kiel sind der HICOG-Mission zu diesem Zweck mit der Bitte vorgelegt worden, aus den ECA-Mitteln für jede Fabrik 10 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Die HICOG hat sich bisher nicht ablehnend verhalten, hat jedoch erklärt, daß verlorene Zuschüsse an gewerbliche Betriebe grundsätzlich nicht gewährt würden. Dahingegen scheint es noch möglich, 10 Millionen DM für jede Fabrik als Kredit aus ECA-Mitteln bereitzustellen.
Das Land Niedersachsen ist aufgefordert worden, nunmehr beschleunigt eine Entscheidung in der Standortfrage herbeizuführen. Bis zu dieser Entscheidung können Unterlagen über die Zuckerfabrik in Niedersachsen der ECA-Mission noch nicht vorgelegt werden.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, überzeugt von der großen Bedeutung der Zuckerwirtschaft in unserem Bundesgebiet, ist einmütig der Auffassung, daß Zucker eines der wertvollsten Nahrungsmittel darstellt und daß alles getan werden muß, um die Erzeugung im Inland mit allen Kräften zu fördern. Daß dies möglich ist, zeigen uns die Zahlen über die Zuckerfabrikation im letzten Jahre und im laufenden Jahre. Im Jahre 1949/50 wurden rund 550 000 Tonnen Weißzucker aus heimischem Rübenbau hergestellt. Im Jahre 1950/51 werden es 900 000 Tonnen sein. Die Ausweitung des Rübenbaues bringt uns
eine Sicherung der Zuckerversorgung im eigenen
Lande und eine Ersparung von wertvollen Devisen. Es ist auch Ihnen, meine Damen und Her. ren, bekannt, daß es notwendig ist, den Gemüsebau im großen etwas zurücktreten zu lassen, um den kleinen und mittleren Betrieben Gelegenheit zum Absatz zu geben. Die größeren Betriebe, die bisher den Gemüsebau gepflegt hatten, sollten sich auf Zuckerrüben umstellen. Voraussetzung dafür ist aber nicht nur der lohnende Rübenpreis, sondern sind auch neue Fabriken, weil es unmöglich ist, in den jetzt vorhandenen Fabriken eine größere Rübenerzeugung zu verarbeiten.
Ich brauche in diesem Kreise nicht zu betonen, meine Damen und Herren, daß der Zuckerrübenbau die intensivste landwirtschaftliche Kultur darstellt und gleichzeitig eine Steigerung der Milch-, Fett- und Fleischproduktion ermöglicht. Die Zuckerwirtschaft und die Regelung aller sich daraus ergebenden Fragen, die hier mitspielen, ist darum nicht nur eine landwirtschaftliche Angelegenheit, sondern ein volkswirtschaftliches Problem.
Im Namen ,des Ausschusses bitte ich Sie, aus all den dargelegten Gründen dem Beschluß des Ausschusses, der Ihnen als Drucksache Nr. 1739 vorliegt, Ihre Zustimmung zu geben.