Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die Einkommensteuer an sich und die Einkommensteuerreform des Jahres 1950 nicht unmittelbar zur Abstimmung über das Mineralölsteuergesetz gehört, sehe ich mich doch gezwungen, einige sachliche Richtigstellungen zu treffen. Über das Ergebnis der Einkommensteuer des Haushaltsjahres 1950/51 wird man ein Urteil endgültig erst abgeben können, wenn das Haushaltsjahr 1950/51 abgeschlossen ist. Ich darf daran erinnern, daß ich seinerzeit bei der Beratung der Änderungsgesetze ausdrücklich betont habe, es sei selbstverständlich, daß zumindest in den ersten neun Monaten starke Ausfälle eintreten werden, zumal das Gesetz ja rückwirkend in Kraft treten sollte
und sehr starke Rückzahlungen erfolgen mußten, die dann tatsächlich insbesondere auch die Lohnsteuer betroffen und das Lohnsteuerergebnis zum Mißvergnügen des Steuerfiskus, zum großen Vergnügen der Lohnsteuerzahler in den Monaten Juni, Juli und August stark gemindert haben.
Aber die heutige Entwicklung gibt den Optimisten jener Tage recht. Nicht nur, daß das Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer im September schon weit über dem all der Vorvierteljahre gelegen ist; das Aufkommen im Dezember vergangenen Jahres zeigt — ich möchte sagen — eine Rekordziffer:
es liegt um 15% über dem höchsten Aufkommen seit dem Januar 1949.
Wenn die Entwicklung der veranlagten Einkommensteuer in den kommenden Monaten — wir
haben ja auch in diesem Haushaltsjahr noch eine Vierteljahreszahlung — in demselben Maße weitergeht, werden die Berechnungen, die der Herr Vorredner aufgestellt hat, durch die Zahlen ohne weiteres widerlegt sein.
Soviel zu Nr. 1.
Nr. 2: Wir haben uns hier über eine Mineralölsteuer, also über eine Einnahme des Bundes zu unterhalten, eine Einnahme, die sich der Bund schafft, um die sozialen Ausgaben, die zu Lasten des Bundes gehen, zu decken. Die Einkommensteuer — das muß immer wieder betont werden und sollte allmählich bekannt sein — ist eine Ländersteuer.
Die Einkommensteuerreform vom Vorjahre hat infolgedessen in erster Linie in der Verantwortung der Länderfinanzminister und der Länderregierungen gelegen. Alle Landesregierungen, ungeachtet der Parteirichtung,
haben im Bundesrat der Einkommensteuerreform des Vorjahres zugestimmt.
Ich muß zugunsten der Länderfinanzminister und der Landesregierungen auch hier wieder betonen, daß das gerade auch aus sozialen Erwägungen geschehen ist.
Das Opfer, das die Länder gebracht haben, war notwendig, weil — ich habe das auch schon betont, aber man muß manchmal etwas wiederholen — neben der gesamten Steuerlast, die dem deutschen Volk auf Grund der Kontrollratsgesetze aufgebürdet worden ist, den Steuerpflichtigen im September 1949 eine neue Last, die Soforthilfeabgabe, auferlegt worden ist; die Soforthilfeabgabe, die letzten Endes doch auch aus den Einkünften, also den Vermögenserträgnissen, geleistet werden muß.
Ich habe in diesem Hause schon betont, daß die Einbringlichkeit der Soforthilfeabgabe um die Jahreswende 1949/50 gefährdet erschien, und daß wir uns damals schwere Sorgen machen mußten, weil neben der alten Steuerbelastung die neue Last der Soforthilfeabgabe fast nicht beitreibbar erschien. Es ist ein wesentliches Motiv auch für die Länderregierungen mit gewesen, bei der Einkommensteuer eine Entlastung eintreten zu lassen, um die Soforthilfeabgabe in dem gewünschten Maße fließen zu lassen. Die Soforthilfeabgabe ist inzwischen gesundet. Die Soforthilfeabgabe kommt den Kriegsgeschädigten aller Art zugute, und die Fisci der Länder haben das Risiko der Einkommensteuerreform auch in dem Bewußtsein auf sich genommen, dadurch einen sozialen Beitrag zu leisten und die Gesundung der Soforthilfeabgabe zu ermöglichen.
Die Einkommensteuerreform des Vorjahres darf nie für sich allein genommen, sondern muß im Zusammenhang mit all den Nöten und Plänen jener Tage gesehen werden. Es war entscheidend, daß der Kampf gerade gegen die Arbeitslosigkeit, der Kampf um die Erhöhung der Zahl der Beschäftigten aufgenommen wird. Niemand kann leugnen, daß die Zahl der Arbeitslosen, während sie von Januar 1949 bis März 1950 alle Monate absolut und relativ gestiegen war, von März 1950 ab bis zum Eintritt des Winterwetters Monat für 1 Monat um wenigstens 100 000 gesunken ist.
Wenn die Einkommensteuerreform als Teilstück eines Gesamtplans dabei mitgewirkt hat, so kann gesagt werden: es war ein soziales Ziel, dem sie gedient hat.
Genau so verhält es sich bei der Frage nach dem anderen Zweck der Einkommensteuerreform, der Frage nämlich, wie man in Deutschland die Bildung von Sparkapital ermöglichen kann, um mit Hilfe der Spargelder ein Wohnungsbauprogramm und alle anderen Pläne durchzuführen. In dem Geschäftsbericht für das vergangene Jahr, den die Bundesregierung Ihnen bereits vorgelegt hat, finden Sie die genauen Ziffern, wie mit dem Eintreten der Einkommensteuerreform die Einlagen bei den Sparkassen damals gestiegen sind.
Diese Einlagen haben es ermöglicht, die Finanzierung des Wohnungsbauprogramms mit durchzuführen.
Was mit der Einkommensteuerreform beabsichtigt war: Gesundung der Soforthilfeabgabe auf der einen Seite, Ermöglichung eines Arbeitsbeschaffungsprogramms und Ermöglichung auch eines Wohnungsbauprogramms, ist im wesentlichen erreicht worden. Die Einkommensteuerreform bedeutet nicht eine Gefährdung der Einkommensteuer. Die Gefährdung der Einkommensteuer liegt vielmehr in anderen Dingen, z. B. in der DM-Eröffnungsbilanz, um einen wunden Punkt zu nennen. Das ist eine Erbschaft, die wir übernommen haben und an der wir jetzt nichts mehr ändern können. Weiter kommt hinzu, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich geändert haben. Wir müssen daran denken, daß nach Korea andere Aufgaben an uns herantreten und das System der Begünstigung der Eigenfinanzierung nicht mehr beibehalten werden kann. Das hat der Herr Vorredner zugegeben.
Ich sehe dem Tag entgegen, an dem der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die neue Einkommensteuerreform diesem Hohen Hause vorliegt. Ich habe das Vertrauen auch in die Parteien der Opposition, daß dieser Steuergesetzentwurf aus sachlichen Überlegungen, weil er ja Forderungen entspricht, die heute von der Opposition erhoben worden sind, die Zustimmung auch der Opposition dieses Hauses finden wird. Wenn das das Ergebnis der heutigen Debatte ist, dann gehe ich heute mit einem großen Gewinn aus diesem Saale fort.
Es wird nun beklagt, daß die Mineralölsteuer nicht zusammen mit einer großen Steuerreform vorgelegt wird. Ich glaube, es ist kein Geheimnis mehr, vor welchen bitteren Notwendigkeiten das deutsche Volk heute steht. Es ist kein Geheimnis mehr, daß die Bundesregierung in voller Erkenntnis dessen, was lebensnotwendig für uns ist, die Verantwortung für die Vorlage übernehmen und sie Ihnen unterbreiten wird. Ich habe den Ausschüssen des Hauses hierzu wenigstens einmal die persönlichen Ideen und Pläne des Bundesfinanzministers dargelegt. Sie haben wider meinen Willen zu früh den Weg in die Presse gefunden und sind heute bekannt. Wer also heute über die Mineralölsteuer abstimmt, kennt das Programm, von dem sie
in gewissem Sinne ein Teilstück ist, ganz genau. Daß dieses Teilstück vorausgenommen werden muß, weiß er auch. Dieses Teilstück muß vorausgenommen werden, um den gegenwärtigen Haushalt noch abzugleichen und für ihn noch Einnahmen zu schaffen, für den Haushalt, von dem der Deutsche Bundestag stolz sagen kann, daß er dem deutschen Volke, dem notleidenden deutschen Volke an sozialen Leistungen Unerhörtes bietet. Es ist aber selbstverständlich, daß dabei die verfassungsmäßige und finanzpolitische Pflicht der Abgleichung des Haushalts, der Vermeidung von Fehlbeträgen erfüllt bleiben muß. Wenn ich die Mineralölsteuer für dieses Jahr brauche, kann ich leider mit der Gesetzgebung nicht so lange warten, bis Ihnen die Gesetze vorgelegt werden können, die die Einnahmequelle des nächsten Haushaltsjahrs zu schaffen haben.
Ich darf kurz zusammenfassen. Ich glaube, in einem sollten wir alle einig sein: Wenn ich um des deutschen Volkes willen wünsche und wenn das deutsche Volk wünscht, daß die sozialen Leistungen auch in der Zeit, in der neue Aufgaben an uns herantreten, in dem alten Maß erfüllt werden — und die Bundesregierung betrachtet es als einen Verteidigungsbeitrag, die sozialen Leistungen zu erfüllen —,
dann würde der Deutsche Bundestag unehrlich am deutschen Volk handeln, wenn er zwar die Leistungen beschließt, aber die Mittel nicht bewilligt.