Meine Damen und Herren! Das Mineralölsteuergesetz ist nur ein Teil eines umfassenden Programms, das uns der Bundesfinanzminister teils schon vorgelegt hat, das teils schon verabschiedet ist und das teils noch vorgelegt werden soll. Bei diesem Programm denkt man an die Deckung neuer Bundesausgaben, angeblich auch an eine Bekämpfung inflatorischer Tendenzen. Diese inflatorischen Tendenzen in Deutschland konnten wir bisher nicht feststellen. Im Gegenteil. Die inflatorischen Tendenzen, die an anderen Stellen bemerkbar gewesen sein mögen, rechtfertigen in Deutschland jedenfalls ein solches Steuerprogramm nicht. Die Einkommen-, die Körperschaft-, die Umsatzsteuer sollen erhöht werden, das Notopfer Berlin ist erhöht worden, Tariferhöhungen der Bundesbahn haben sich angeschlossen. Durch alle diese Maßnahmen hat sich das Verhältnis zwischen den progressiven Steuern, der Körperschaft-, der Vermögensteuer, der Soforthilfeabgabe einerseits und den indirekten und abwälzbaren Steuern entscheidend geändert und wird noch weiter geändert werden.
Es dürfte wohl Einstimmigkeit darüber bestehen, daß die gesamte Steuerbelastung nach dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit ausgerichtet werden muß und daß dieses Ziel der Steuerpolitik von allen hier vertreten werden wird. Zwischen den abwälzbaren und nicht abwälzbaren Steuern hat sich — nur nach dem Steueraufkommen im dritten Quartal 1950 — bereits ein erstaunliches Verhältnis ergeben, und zwar sind 1153,9 Millionen aus den nicht abwälzbaren und 2395,7 Millionen aus den abwälzbaren, aus den indirekten Steuern aufgebracht worden. Das ist ein Verhältnis von 11 zu 23, also fast von 1 zu 2.
Das Verhältnis dagegen des Einkommens der sozial abhängigen Erwerbspersonen — insgesamt 14,3 Millionen im derzeitigen Bundesgebiet —, die ein Gesamteinkommen von 43 Milliarden Mark erzielt haben, zu dem Einkommen der selbständigen Erwerbspersonen — 3,7 Millionen Einzelpersonen, die aber 29 Milliarden Mark Einkommen erzielt haben - ist ungefähr 40 zu 60. Nun aber müssen
wir davon ausgehen, daß die indirekten Steuern zum größten Teil von den sozial Abhängigen und natürlich auch von den Unterstützungsempfängern bezahlt werden. Das Verhältnis zwischen indirekten und direkten Steuern müßte also wesentlich anders sein, wenn es auch nur den Erfordernissen sozialer Gerechtigkeit entsprechen soll. Sie wissen alle, daß die sozial Abhängigen nicht wie die Selbständigen über Reserven verfügen. Wenn das Gesamteinkommen der sozial Abhängigen 43 Milliarden und das Gesamteinkommen der Selbständigen 29 Milliarden beträgt, dann darf das Verhältnis der indirekten zu den direkten Steuern nicht wie 2,3 zu 1,1 Milliarden aussehen. So ist schon heute der Stand.
Dieser Stand soll durch die Belastung mit der erhöhten Mineralölsteuer noch zuungunsten der breiten Volksmassen verschlechtert werden. Ich gebe durchaus zu, daß die Mineralölsteuer zum Teil nicht abwälzbar sein wird. Das Kraftverkehrsgewerbe hat sich wegen seiner gebundenen Tarife mit Recht schon sehr darüber beklagt, aber zum ganz großen Teil ist die Mineralölsteuer, wie alle indirekten Steuern, abwälzbar und trifft deshalb den Lebensstandard der breiten Masse unmittelbar, das heißt das bereits unsoziale Verhältnis zwischen den verschiedenen Besteuerungskategorien wird durch diese Steuer noch weiter verschärft.
Ich bin mir klar darüber, daß auch der Finanzminister dieses Verhältnis mit Sorge betrachtet. Auch der Finanzminister möchte sicherlich gern, daß dieses Verhältnis nicht weiter verschärft wird. Der Grund dafür liegt in der eigentümlichen Verteilung der Steuerquellen nach dem Grundgesetz. Hier scheint mir der eigentliche Hebel anzusetzen zu sein. Art. 106 und 107 des Grundgesetzes sehen eine Neuverteilung der Steuerquellen vor. Wenn das Bundesfinanzministerium den Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere des Art. 107 — die Steuerquellen gerechter auf Bund und Länder zu verteilen — entsprechen und ein Gesetz vorlegen würde, dann könnten wir hier auch eine sozial gerechte Steuerpolitik betreiben. Wir verlangen deshalb vom Finanzministerium zunächst die Vorlage eines entsprechenden Gesetzes. Jetzt ist es so, daß die Hauptlasten der Bund zu tragen hat, daß dagegen die Steuerquellen, die wir erschließen können, den Ländern zugute kommen würden.
Das Bundesfinanzministerium selber hat ausgeführt, daß allein aus der Beseitigung der Bestimmungen über die Selbstfinanzierung ein Betrag von 970 Millionen zu erwarten sei. Wenn das Bundesfinanzministerium selber, und zwar mit Recht, erklärt, daß die Bestimmungen der Einkommensteuernovelle über die Selbstfinanzierung beseitigt werden müßten und daß hieraus 970 Millionen zu erwarten seien, dann zeigt das den Weg, wie man zur Verwirklichung steuerlicher Gerechtigkeit etwas beitragen könnte. Der bequeme Weg, nämlich der Weg über eine Erhöhung der Mineralölsteuer, dagegen muß zu einer ganz falschen, weiteren Belastung führen.
Wir sind deshalb nicht in der Lage, diesen Weg, den das Bundesfinanzministerium uns hier vorschlagen will, mitzugehen. Wir sehen durchaus ein, daß die Ausgaben des Bundes gedeckt werden müssen, wir verlangen aber, daß die Wege gegangen werden, die im Grundgesetz für diesen Zweck vorgesehen sind, auf denen man nicht mit
dem Erfordernis sozialer Gerechtigkeit in Konflikt kommt.