Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer nicht den Vorzug hat, aus dem Raume Württembergs und Badens zu stammen, wird ja manchmal etwas über das Temperament staunen, mit dem der Meinungsstreit hier ausgetragen wird, das uns ja vielleicht ansonsten an gewisse Reden erinnert, die etwa von den Herren der Bayernpartei in diesem Saale gehalten worden sind, wobei allerdings die Südweststaatler noch temperamentvoller zu sein scheinen als die Herren, die Altbaden vertreten. Für uns aber. glaube ich, ist hier nicht zu entscheiden, ob wir Baden und Württemberg wiederherstellen oder einen Südweststaat schaffen wollen. Das kann nicht Aufgabe des Deutschen Bundestags sein.
Das kann nur Aufgabe der Bevölkerung dieses Gebietes sein.
Für uns geht es hier darum, daß wir, nachdem wir
gemäß Artikel 118 des Grundgesetzes den ersten
Teil der Neugliederung — die ja ein viel größeres
Problem umfaßt — vorzunehmen haben, hier die
Prinzipien entwickeln, nach denen später, wenn
die Suspension des Artikels 29 des Grundgesetzes
wegfällt, in ganz Deutschland die Frage der Neugliederung in Angriff nehmen können.
Deshalb ist der erste Schritt so wichtig, weil er nicht nur über das Schicksal Badens und Württembergs und des Südweststaats, sondern über alle Fragen der Neugliederung Deutschlands befindet, Fragen, die für uns von besonderer Wichtigkeit sind, weil sie ja unsere Art des Lebens betreffen.
Der Bundestag wird also gut tun, in der Sache selbst Zurückhaltung zu wahren und ihre Erledigung der Bevölkerung von Württemberg und Baden zu überlassen. Vor allem wird er gut daran tun, nach Möglichkeit ein Gesetz zu schaffen, das eine klare Entscheidung herbeiführt; denn ich glaube, es wäre ein Unglück, wenn wir dereinst in Gesamtdeutschland oder wenigstens in dem Gebiete, das heute unter der Herrschaft des Grundgesetzes lebt, über eine solche Frage abstimmen müßten, da sowohl der bayerische Bauer wie der Fischer von der Waterkant die Fragen des Südwestraums wohl nicht allzu gut zu beurteilen versteht, so wie umgekehrt wir aus dem Süden nicht gerade über Oldenburg oder Niedersachsen abstimmen möchten. Das sollte man doch besser der dortigen Bevölkerung überlassen.
Die Frage der Neugliederung des Bundesgebiets auch im südwestdeutschen Raum ist nun vom Standpunkt der föderativen Ordnung, wie er trotz vieler Einschränkungen im Grundgesetz gilt, von großer Bedeutung; denn Föderalismus schwebt nicht im luftleeren Raum, er ist nicht nur eine Sache blutleerer Paragraphen und Zuständigkeiten, sondern er ist vor allem eine Sache gewachsener Ordnungen, die vom Leben und vom Willen der Bevölkerung erfüllt sind.
Was kann nun für die Neugliederung der Ausgangspunkt sein? Ich glaube, der Ausgangspunkt hierfür kann im Südwestraum wie auch im übrigen Deutschland zuerst einmal nur das deutsche Recht sein. Nicht das, was die Besatzungsmächte geschaffen haben, kann für uns maßgebend sein, sondern d e r Rechtszustand ist der Ausgangspunkt, der im Jahre 1933 bzw. 1945 vorhanden gewesen ist. Wir müssen damit also von den Ländern, die damals bestanden haben, bei der Abstimmung und bei der Zählung der Stimmen ausgehen, und wir müssen vor allem demokratisch denken. Es wäre undemokratisch, wenn man das eine Land mit dem anderen abstimmen läßt, dann die Stimmen in beiden zusammenzählt und dann vielleicht das zahlenschwächere durch das stärkere Land majorisieren läßt.
Wo kamen wir hin, wo wäre das Selbstbestimmungsrecht der Völker, soweit man überhaupt noch davon spricht, wenn wir in zwei Ländern abstimmen und das zahlenmaßig schwächere vom stärkeren majorisieren ließen? Deshalb ist die Durchzählung der Stimmen in den historischen Ländern Baden und Württemberg sowohl vom Standpunkt des deutschen Rechts als auch vom Standpunkt der deutschen Demokratie aus allein vertretbar und allein möglich, weil alles andere ein Beispiel gäbe, an dem die Bundesrepublik in den verschiedensten Teilen ihres Gebietes leiden würde.
Es ist auch richtig, wenn man bei der Abstimmung von der Bevölkerung ausgeht, die nicht mir gerade zufällig ihren Wohnsitz dort hat, sondern die dem Lande schon seit längerer Zeit verbunden ist. Wer zu den Ländern Württemberg und Baden
gehört — solange wir kein Staatsangehörigkeitsgesetz haben, meinetwegen, wer dort geboren ist —, der soll sein Stimmrecht auch dann behalten, wenn er etwa nach 1945 nach Bonn verzogen ist und es sonst nicht ausüben könnte. Man wird sich überlegen müssen, ob der Antrag Hilbert nicht zu schwach ist, ob nämlich nicht ein Jahr Wohnsitz zuwenig ist, um sich wirklich in die Verhältnisse eines Landes eingelebt zu haben und ein Urteil fällen zu können, ob man hier nicht zum Unterschied von den Landtagswahlen einen Wohnsitz von zwei oder drei Jahren vorschreiben sollte.
- Von mir aus vielleicht auch das! Es ist eine Frage, die man im Ausschuß noch erörtern kann. Dann aber, glaube ich, erfordert die Demokratie, daß der Wähler klar vor eine alternative Frage gestellt wird. Der Herr Kollege Schoettle hat zwar gemeint, es sei zu kompliziert. Offenbar hat er von der Intelligenz der Bevölkerung Württembergs und Badens eine schlechtere Meinung als ich,
er ist ja ein Württemberger, er müßte es besser wissen. Aber da wir gerade im Lande Bayern erst vor kurzem einen Landtagswahlkampf durchgeführt haben, bei dem in Oberbayern bei einem Zweistimmen-Wahlrecht ungefähr 12 Parteien mit jeweils bis zu 50 Kandidaten auftraten und wo der Wähler zwischen den Kandidaten entscheiden konnte und es auch verstanden hat — die Parteifreunde des Herrn Schoettle haben dabei sogar gute Geschäfte gemacht, sie haben gewonnen —, darf ich doch fragen: glauben Sie wirklich, daß die Württemberger unfähiger und demokratisch unreifer sind als die Bayern? Das glaube ich nicht.
— Ich rede nicht ins Blaue hinein. Ich bin nämlich im Lande dringewesen, und ich glaube, daß jeder Badener und Württemberger genau weiß, was die Lösung des Südweststaates und was die Lösung Altbaden oder Altwürttemberg bedeutet. Dazwischen kann man sich entscheiden. Ein Volksentscheid soll eine echte politische Entscheidung darstellen und keine Akklamation nach einem Stil, wie wir ihn leider in der vergangenen Zeit erlebt haben, bei dem man den Namen Demokratie nur noch zum Schein geführt hat. Geben Sie der Bevölkerung daher die Chance, sich zwischen zwei Möglichkeiten der Alternative entscheiden zu können!
Es ist hier sehr betont vom Rad der Geschichte gesprochen worden, das man nicht zurückdrehen soll. Überlassen wir das einmal der Bevölkerung von Baden und Württemberg! Für mich stellt ein Erlaß des Herrn Eisenhower noch nicht das Rad der Geschichte dar. Ob es das für die Bevölkerung von Baden und Württemberg tut, ,das wollen wir ihr überlassen.
Es wurden noch andere große Worte gesprochen. Der Herr Kollege Freudenberg hat gesagt, daß man in Nord- und Südbaden nicht eine einheitliche Sprache spreche, derweil ich in aller Bescheidenheit meine, daß man in Nord- und Südbaden die gleiche deutsche Sprache spricht, die auch bei uns in Bayern nicht ganz unbekannt ist.
Ob man Altbadener oder Südweststaatler ist — man soll die Dinge nicht übertreiben man soll nacht vom Lebensraum des Südweststaates sprechen, wenn doch für uns alle der Lebensraum nicht Südweststaat, Baden, Württemberg, Hamburg oder Nordrhein-Westfalen, sondern Deutschland heißt — und ich hoffe, daß der Tag nicht fern ist. an dem unser gemeinsamer Lebensraum Europa heißt. Aber in .dem Lebensraum Europa ist es dann gleichgültig, wie die Gliederung erfolgt, ob Württemberg und Baden selbständig sind oder staatlich zusammengehören.
80 Jahre im Deutschen Reich waren Württemberg und Baden Säulen dieses Reiches. Im heutigen, leider kleiner gewordenen Deutschland werden die beiden Länder wohl auch nicht zu klein sein. Stellen wir deshalb ein falsches Pathos und einen falschen Nationalismus zurück, und lassen wir nach den Gesetzen der Demokratie und des überlieferten deutschen Rechts die Bevölkerung dort nüchtern durch einen klaren Volksentscheid entscheiden. Hierzu scheint mir im großen und ganzen der Gesetzentwurf des Herrn Hilbert den richtigen Weg zu zeigen. Die Landesgruppe der Christlich-Sozialen Union gibt deshalb diesem Gesetzentwurf ihre Unterstützung.