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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 108. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1950 4057 108. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1950. Geschäftliche Mitteilungen 4058D, 4107A Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Diskonterhöhung der Bank deutscher Länder (Nr. 1591 der Drucksachen) 4058D Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . . 4059A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 4061B Kalbitzer (SPD) 4061D Scharnberg (CDU) 4063A Dr. Preusker (FDP) 4064C Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (5. Ausschuß) betr. Entnazifizierung (Nrn. 13, 27, 97, 99, 482, 609, 1057, 1658 der Drucksachen) 4065A Dr. Hammer (FDP) 4065A Ewers (DP) 4065D von Thadden (DRP) 4066D Mehs (CDU) 4067B Dr. Brill (SPD): als Abgeordneter 4067C als Berichterstatter 4069B Gundelach (KPD) 4068A Dr. Oellers (FDP) 4068A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4068B Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 4068D Kunze (CDU) 4069C Frau Kalinke (DP) 4069D Jacobi (SPD) 4070B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Versorgung mit Zucker und Brot (Nr. 1697 der Drucksachen) 4072A Kriedemann (SPD), Antragsteller . 4072A, C Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Sicherung familiengerechter Wohnungen im sozialen Wohnungsbau (Nr. 1676 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau (Nr. 1705 der Drucksachen) sowie in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Beschlagnahme von Wohnungen durch die Besatzungsmächte (Nr. 1539 der Drucksachen) und der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Wohnraum des sozialen Wohnungsbaues (Nr. 1552 der Drucksachen) . 4072D, 4077C Lücke (CDU), Interpellant und Antragsteller 4073A Dr. Reismann (Z), Antragsteller . . 4077D Paul (Düsseldorf) (KPD), Antragsteller 4078D, 4087D Stierle (SPD) 4079D Wirths (FDP) 4082A Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . . 4083B Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 4084A Huth (CDU) 4086A Hoecker (SPD) 4086D Erste Beratung des von der Fraktion der KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen für die schaffende, lernende und arbeitslose Jugend (Nr. 1535 der Drucksachen) . . . 4089A Gaul (FDP) 4089A Kohl (Stuttgart) (KPD) 4089B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (32. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Fink u. Gen. betr. Vorlage eines Heilpraktikergesetzes und den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf zur Änderung des Heilpraktikergesetzes (Nrn. 1503, 796, 935 der Drucksachen) 4089C Pohle (SPD), Berichterstatter . . . 4089C Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Verhandlungen wegen einer Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die UN (Nr. 1583 der Druck- sachen) 4090D Frau Wessel (Z), Antragstellerin . 4090D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Erhöhung von Unterstützungssätzen (Nr. 1434 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. einmalige Winterbeihilfe (Nr. 1470 der Drucksachen) 4093A Harig (KPD), Antragsteller 4093A Sabel (CDU) 4094A Pohle (SPD) 4094D Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit 4095D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Innerdeutscher Handelsvertrag (Nr. 1551 der Drucksachen) 4096B Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 4096B Kohl (Stuttgart) (KPD) 4096C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 1620 der Drucksachen) 4096D Beratung des Antrags der Abg. Strauß u. Gen. betr. Einstellung der Demontage des Ofenhauses III bei den Aluminiumwerken in Töging/ Bayern (Nr. 1627 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Demontage des Hochofens V in Watenstedt-Salzgitter (Nr. 1704 der Drucksachen) sowie in Verbindung mit der Beratung des Ergänzungsantrags der Fraktion der SPD zu Drucksache Nr. 1704 betr. Demontage der 10 000-Tonnen-Presse des Dortmund-Hoerder Hüttenvereins 4096D, 4097A, C Kahn (CSU), Antragsteller 4097A Bielig (SPD), Antragsteller 4097B Keuning (SPD), Antragsteller . . . 4097D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 4098D Wönner (SPD) 4099B Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Maßnahmen für Kriegssachgeschädigte (Nr. 1648 der Drucksachen) 4100C Dr. Reismann (Z), Antragsteller 4100C, 4103B Dr. Decker (BP) 4101B Frau Nadig (SPD) 4101C Kunze (CDU) 4102A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 4102B, 4103D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Bearbeitung von Schadensfällen von Besatzungsverdrängten (Nr. 1660 der Drucksachen) 4104C Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 4104C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministreium der Finanzen . 4105B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) (Nr. 1611 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) (Nr. 1708 der Drucksachen) . . . . 4105D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 4105D Paul (Düsseldorf) (KPD) 4106D Beratung der Übersicht Nr. 12 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 30) 4107A Kahn (CSU) 4107A Beratung der Übersicht Nr. 13 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umruck Nr. 34) . . 4107C Anfrage Nr. 131 der Fraktion des Zentrums betr. Erhöhung der Mindestreservatsätze durch den Zentralbankrat (Nrn. 1538 und 1714 der Drucksachen) 4107C Rückblick auf das Jahr 1950 und Weihnachts- und Neujahrswünsche des Präsidenten Dr. Ehlers 4107C Nächste Sitzung 4107D Die Sitzung wird um 9 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Kurt Pohle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident, man ist nie dagegen gefeit, einmal mit dem Psychiater Fühlung aufnehmen zu müssen.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Der Werdegang des Arztes ist festgelegt, die Prüfung und Niederlassung als Arzt sind geregelt. Was ärztliche Niederlassung bzw. Zulassung zur Tätigkeit bei den Krankenkassen betrifft, wird uns in einer neuen Regelung demnächst in diesem Hohen Hause beschäftigen.
    Wenn der Arzt irrt, kann es lebensgefährlich für den Patienten werden.

    (Heiterkeit.)

    Wenn er einen nachweisbaren Schaden stiftet, kann er zur Verantwortung gezogen werden.
    Neben diesen approbierten Kräften des Heilens, deren nichtgesteuerte Vermehrung auf den Universitäten auch den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens mit großer Sorge erfüllt, gibt es die nichtstudierten und nichtapprobierten Kräfte, die Heilpraktiker. Mit diesen Heilpraktikern haben die Drucksachen Nrn. 796 und 935 und der Münd-


    (Pohle)

    liche Bericht Drucksache Nr. 1503 zu tun. Seit dem Monat Mai beschäftigt sich der Ausschuß mit diesen Kräften des Heilens. Er hat die Frage studiert und diskutiert, wie man die unerhört große Variantenhaftigkeit dieses Problems auf einen gesetzlichen Nenner bringen kann. Der Ausschuß hat eine große Zahl von Sachverständigen gutachtlich gehört. Er hat sogar zum Schluß zwei sehr bekannte Tiefenpsychologen bemüht und nach einer Lösung bis zum eigenen Krankwerden gesucht.

    (Heiterkeit.)

    Er kam nun zu guter Letzt zu dem Ausweg, die gesammelten Einzelsteine mit der Zustimmung des Plenums der Gesundheitsabteilung des Innenministeriums zuzusenden, damit dort aus diesen Einzelsteinen der Gesetzesbau zu diesem Problem gerichtet wurde, um ihn nach planvollen Verschönerungsarbeiten des Bundesrats zur letzten Krönungsarbeit wieder an uns gelangen zu lassen. Um Legendenbildungen vorzubeugen, möchte ich von vornherein betonen, daß im Ausschuß nur fünf Ärzte und Ärztinnen sechzehn Laien gegenüberstehen. Die Ärzte haben nur soweit Gewalt über uns, daß wir ihnen folgen, wenn sie uns bei einer Mandelentzündung einen Umschlag verschreiben und uns ins Bett schicken. Ansonsten haben wir ihre Darlegungen mit derselben kritischen Sonde vorurteilslos geprüft, genau so, wie wir kritisch und vorurteilslos die gutachtlichen Äußerungen der Heilpraktiker gehört haben. Wir haben im Ausschuß weder den Ärzten noch den Heilpraktikern besonders zu dienen. Unsere Arbeit dient der Volksgesundheit, und die Erhaltung bzw. die Verbesserung des Gesundheitszustands unseres Volkes ist ausschlaggebend bei der Entscheidung auch über die Heilpraktikerfrage.
    Wie ist die gesetzliche Entwicklung auf dem Heilpraktikersektor? Die Gewerbeordnung vom Jahre 1869 ermöglichte die Kurierfreiheit. Am 17. Februar 1939 wurde ein Heilpraktikergesetz verkündet, das einen Ordnungsversuch mit der Absicht der Drosselung des Nachwuchses, der nur noch in Ausnahmefällen zur Heilpraktikertätigkeit zugelassen wurde, unternahm. Gleichgültig, ob Kurierfreiheit oder Heilpraktikerverbot mit der Absicht, nicht eine Vollspur- und eine Schmalspurmedizin nebeneinander laufen zu lassen, es würde trotzdem von Kräften, die sich dazu berufen, wenn auch nicht staatlich auserwählt fühlen, der Versuch der Heilung am kranken Menschen weiter unternommen werden. Das Risiko läßt sich in unserem Leben, gleichgültig auf welchem Sektor, nie ganz ausschalten. Das Risiko trägt der einzelne Staatsbürger, ob er sich im Krankheitsfall vom Arzt oder Heilpraktiker behandeln lassen will.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Bei der seelischen Bedingtheit vieler Krankheitserscheinungen unserer Zeit soll man den Kranken zum Heiler seines Vertrauens gehen lassen. Der Gesetzgeber hat die Frage zu untersuchen, was er verordnen kann, um die Möglichkeiten der Schadensverhütung auszuschöpfen. Der Ausschuß ist einmütig der Auffassung, daß das Gesetz von 1939 nicht mehr haltbar ist und fallen muß.
    Darüber, ob die Kurierfreiheit an die Stelle des Heilpraktikergesetzes gesetzt werden soll, ist diskutiert worden, doch ist darüber nicht durch Abstimmung entschieden worden. Es hat sich doch die Meinung herausgeschält, daß man ohne eine gewisse Ordnung in den Heilpraktikerfragen nicht auskomme. Der Ausschuß will den strebsam sich bemühenden Kräften des Heilens nicht die Straße oder Strecke zum Helfen blockieren. Er will in seiner Mehrheit aber auch kein neues Privileg.
    Der Ausschuß empfiehlt Ihnen also erstens, den Antrag Drucksache Nr. 796 betreffend Vorlage eines Heilpraktikergesetzes, welches das Gesetz von 1939 ablösen soll, anzunehmen; zweitens, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Heilpraktikergesetzes vom 17. Februar 1939 — Nr. 935 der Drucksachen — durch Annahme des ersten Antrags für erledigt zu erklären, wobei jedoch nicht eine Vorentscheidung über einzelne Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs getroffen werden soll, deren Verwendung in einem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchaus möglich erscheint.
    Damit bitte ich Sie, dem Mündlichen Bericht, Drucksache Nr. 1503, Ihre Zustimmung zu geben. Als vorweihnachtliches Weihnachtsgeschenk meinerseits habe ich den Bericht sehr kurz gehalten.

    (Heiterkeit.)

    Ein weiteres Weihnachtsgeschenk: ich habe mit den einzelnen Fraktionen bereits vereinbart, daß wir diesen Bericht ohne Debatte verabschieden wollen.

    (Heiterkeit und Beifall auf allen Seiten des Hauses.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Einem so wohlgemeinten Zuspruch wird das Haus wohl nicht sein Gehör verweigern. Wenn schon der Berichterstatter sich als unser Weihnachtsmann präsentiert hat, können wir es bei uns selber auch tun.

(Heiterkeit.)

Dann schlage ich vor, zur Abstimmung zu schreiten. Wer für die Annahme der Drucksache Nr. 1503 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Einstimmig beschlossen.
Ich rufe die nächste Ziffer der Tagesordnung — Punkt 4 — auf:
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Verhandlungen wegen einer Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die UN (Nr. 1583 der Drucksachen).
Der Herr Bundeskanzler ist nicht anwesend.

(Abg. Kunze: Ohne Debatte!)

-- Vom Ältestenrat wurden für die Begründung 15 Minuten vorgeschlagen. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Wessel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der im vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 1583 aufgezeigte Weg ist bereits in der außenpolitischen Debatte dieses Hohen Hauses am 18. November von mir als Sprecherin der Zentrums-Fraktion als ein Weg bezeichnet worden, der angesichts der weltpolitischen Spannungen von der Bundesregierung gegangen werden sollte. Das wäre ein sinnvoller deutscher Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens. Inzwischen sind die Spannungen in der Welt, insbesondere durch den Fortgang des Koreakriegs, nicht geringer geworden und damit auch die Auseinandersetzungen um die Beteiligung Deutschlands an der Verteidigung Europas und seiner eigenen Verteidigung weitergegangen. Sie haben aber auch zu Vorschlägen geführt, die sowohl von der Bundesregierung wie von den politischen Parteien als eine für Deutschland unmögliche Verhand-


    (Frau Wessel)

    lungsgrundlage bezeichnet worden sind. Auch die gegenwärtige Konzeption der Atlantikpakt-Mächte zeigt nach wie vor die Einstellung, das deutsche Volk als Objekt, nicht aber als Subjekt in der Verteidigungslinie Deutschlands und Europas zu sehen. Vom deutschen Standpunkt aus gesehen — und auch mir als Sprecherin einer deutschen Partei — scheint es notwendig zu sein, von dieser Poistion aus die Möglichkeiten und Aussichten einer Einbeziehung Deutschlands in den Weltsicherheitsplan zur Erhaltung des Friedens zu prüfen und die Sicherheitsfrage von unserem eigenen Lande aus zu bewerten.
    Deutschland liegt mitten in Europa, das vermutlich in absehbarer Zeit nicht durch den Europarat oder den Schumanplan politisch geeinigt werden wird. Damit ist die Aussicht für jene Konzeption, die von einer dritten Macht „Europa" ausgeht, immer geringer geworden. Das mag für viele eine bittere Enttäuschung sein, insbesondere für jene, die den Eintritt Deutschlands in den Europarat mit sehr vielen Hoffnungen begleitet und für eine Wende in der europäischen Einigungsbewegung gehalten haben. Vielleicht ist noch bitterer die Erkenntnis, daß die heutige schwache Position Europas hinsichtlich der fehlenden Übereinstimmung seiner politischen Auffassungen wie auch seiner militärischen Verteidigungsbereitschaft von Anfang an genährt wurde durch Fehler der Alliierten, insbesondere hinsichtlich ihrer Deutschlandpolitik. Dies scheint mir eine Erklärung für das psychologische Verhalten des deutschen Volkes zu seiner Einbeziehung in den Verteidigungsplan der Alliierten zu sein.
    Meine Damen und Herren! Angesichts der Gefahren, von denen sich die westliche Welt von den Mächten des Ostens bedroht fühlt, bemüht man sich nun um den Aufbau einer militärischen Front, die auch im Politischen noch nicht vorhanden ist. Diejenigen also, die ihre militärische Position auf der dritten Kraft „Europa" aufbauen, übersehen dabei völlig, daß das in Nationalstaaten und Nationalländchen zerrissene Europa erst zu einer politischen Kraft gemacht werden muß. Hier erhebt sich nun doch die Frage, ob die Welt endgültig in zwei Teile gespalten bleiben muß und ob sich jeder Staat entweder der östlichen oder der westlichen Weltanschauung zu verschreiben hat. Wer diese Auffassung vertritt, muß sich darüber klar sein, daß eine solche Entwicklung nur in der politischen Kapitulation einer Seite oder in einem Krieg enden kann. Wer bei dieser Sachlage den „unvermeidlichen Krieg" als der Weisheit letzten Schluß betrachtet, muß sich auch darüber klar sein, daß diese Auseinandersetzungen dann in Europa und nicht zuletzt in Deutschland ausgetragen werden. Wenn erst einmal die Waffen zu sprechen beginnen, dann ist Europa ein einziges großes Schlachtfeld.
    Deshalb sind auch von deutscher Seite aus jene Bemühungen der Westalliierten zu begrüßen, mit Rußland zu einer Viererkonferenz zu kommen und zu versuchen, die Weltspannungen auf dem Weg über Beratungen zu lösen.
    Meine Damen und Herren! In dieser grundsätzlichen Situation gilt es auch die Position Deutschlands zu sehen. So sehr wir wünschen, daß beim etwaigen Zustandekommen von Verhandlungen der drei westlichen Staaten mit Rußland die deutsche Frage in ihrer vollen Bedeutung und Wichtigkeit für den Westen wie für den Osten gesehen werden möge, ebenso sollten wir unsere Aufgabe darin sehen, in ein System eingeordnet zu werden, dessen Bestand von Rußland nicht als ein gegen sich gerichteter Angriff bezeichnet werden kann. Solange ein Teil der europäischen Staaten glaubt, die Rettung Europas nur in der Stärkung der Atlantikfront sehen zu müssen, solange steht auf der anderen Seite der Kreml unter dem Eindruck einer ihn bedrohenden Einschließungsfront, die vom Atlantik bis Asien reicht.

    (Zuruf rechts: Umgekehrt!)

    Jedenfalls vertritt Moskau diese Auffassung — und ich muß sagen, nicht ohne Geschick — in seiner Friedenspropaganda, hinter der es ohne Zweifel -- das gestehe ich Ihnen gern zu - seine eigenen Expansionspläne zu tarnen versucht.
    Auch die Lage Deutschlands aber, meine Damen und Herren, und die militärische Schwäche Europas sollten die Bundesregierung veranlassen, dem vorliegenden Antrag der Zentrums-Fraktion die gebührende Beachtung zu schenken. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner außenpolitischen Rede vom 8. November die militärische Stärke Rußlands dargelegt. Seine Ausführungen werden nun unterstützt in einem soeben erschienenen Buch des ehemaligen Generalobersten Guderian: „Kann Westeuropa verteidigt werden?" Guderian schreibt:
    Die militärische Sinnlosigkeit liegt für jeden
    Soldaten auf der Hand: auf russischer Seite
    175 Divisionen, die im Kriegsfall auf 500 verstärkt werden können. Demgegenüber sind es
    im Westen nach dem Stand vom Oktober 1950
    12 Divisionen, die man in absehbarer Zeit
    bestenfalls auf 20 vermehren kann. Damit
    soll eine Verteidigungslinie am Rhein von
    1000 km Länge gehalten werden. Von einer
    Elbelinie kann überhaupt ernsthaft nicht die
    Rede sein, weil sie zum größten Teil in den
    Händen der Russen ist, vom Angreifer also
    gar nicht überschritten werden muß.
    Unter diesen Umständen hält Guderian einen deutschen Verteidigungsbeitrag für zwecklos, solange nicht die militärischen und politischen Voraussetzungen geschaffen werden, wozu er entsprechende Truppenverstärkungen der Alliierten, Einigung Europas und Freiheit und Gleichberechtigung für Westdeutschland zählt.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Angesichts dieser Sachlage sollte es auch die Alliierten nicht verwundern, wenn das deutsche Volk in seiner Verteidigungsbereitschaft zurückhaltend ist; und sicherlich wird ein nicht geringer Teil Deutscher sein, der der Auffassung Guderians zustimmt, wenn er sagt:
    Die westdeutsche Bundesrepublik muß sich bezüglich ihrer äußeren Sicherheit ganz auf die Besatzungsmächte verlassen. Diese wollten es so und tragen damit auch allein die ganze Verantwortung für Westeuropa.

    (Abg. von Thadden: Sehr gut!)

    Nun hat die Art, wie man die Frage der deutschen Wiederbewaffnung aufs Tapet gebracht hat, und zwar nach rein militärischen Gesichtspunkten und ohne einen Hauch von psychologischer Rücksicht auf die Verfassung des deutschen Volkes, die ohnehin vorhandene Mißstimmung in weiten Volkskreisen noch verstärkt. Auch das Verhalten der französischen Regierung, die einer Beteiligung Deutschlands an einer Europaarmee nur unter Bedingungen zustimmen will, die für das deutsche


    (Frau Wessel)

    Volk unmöglich sind und als diskriminierend empfunden werden, hat diese Situation im deutschen Volke noch verschärft. Worauf es jetzt noch ankommt ist, dem deutschen Volke klarzumachen, daß nicht sinnlose Opfer von ihm verlangt und erwartet werden in einem militärischen Verteidigungszustand von Deutschland und Europa, wie er z. B. von Guderian dargelegt worden ist.
    Die Perspektive, von der aus ein deutscher Sicherheitsbeitrag gesehen werden muß, ist meines Erachtens in den darüber geführten Debatten falsch gestellt worden.

    (Abg. Thadden: Sehr richtig!)

    Die Frage, vor der das deutsche Volk in der Bundesrepublik steht, lautet zunächst nicht, ob es für einen unvermeidlichen Krieg gerüstet werden soll, sondern ob es eine Aktion verstärken soll, die dazu bestimmt ist, einen Krieg zu verhindern,

    (Beifall beim Zentrum und bei der CDU.) und zwar dadurch, daß diese Aktion auf den Angriffslustigen abschreckend wirkt und ihm die Chance eines Sieges nimmt. Nur durch die Solidarität aller freien Völker und nur durch den echten Zusammenschluß aller, die Gemeinsames zu verteidigen haben, kann der Weltfriede noch gesichert werden. Für die Sicherung eines solchen Weltfriedens wird auch das deutsche Volk bereit sein, seinen Beitrag zu leisten, weil er ihm sinnvoll und auch notwendig erscheint.


    (Abg. von Thadden: Sehr richtig!)

    In der gegenwärtigen Weltsituation und der Situation Deutschlands glauben meine politischen Freunde und ich, den Eintritt Deutschlands in die Vereinten Nationen als den Weg zu einem echten Sicherheitsbeitrag Deutschlands bezeichnen zu sollen. Aus der Forderung, daß Deutschland an der Sicherheitsbereitschaft der Welt teilnehmen soll, ergibt sich die Notwendigkeit und Möglichkeit, den Antrag auf Eintritt Deutschlands in die Vereinten Nationen zu stellen. Der Atlantikpakt ist nur ein Teilgebäude in dem Rahmen des weltumspannenden Bundes der Vereinten Nationen und scheint uns aus der dargelegten Situation Europas und zu seiner Sicherheit nicht ausreichend zu sein.

    (Abg. von Thadden: Sehr richtig!)

    Sobald Deutschland die Möglichkeit eigener Außenpolitik durch die Einrichtung eines Außenministeriums hat, dürfte der Zeitpunkt gekommen sein, einen Antrag auf Aufnahme in die UNO zu stellen. Wie durch die Presse mitgeteilt wurde, ist Deutschland bereits im Ernährungsausschuß der UNO vollberechtigt vertreten, und gestern las ich in der Zeitung, daß auch von der Bundesregierung der Antrag gestellt worden ist, Deutschland vollberechtigt in die UNESCO aufzunehmen. Ich meine deswegen, daß hier wirklich ein Ansatzpunkt vorhanden ist, in der Debatte um den Sicherheitsbeitrag Deutschlands jetzt einen konstruktiven Weg zu gehen, indem wir unsere Aufnahme in die UNO beantragen.
    Wer den so oft gerühmten und berühmten Pulsschlag des Volkes nur ein wenig fühlt, der weiß, daß jetzt alles darauf ankommt, die ungeheure Erregtheit und Nervosität des deutschen Volkes in der Frage der Wiederbewaffnung durch die Überzeugung zu bezwingen, daß diese Frage nicht zu einer Angelegenheit der Regierung und der Regierungsparteien gestempelt wird und eventuell durch Mehrheitsbeschlüsse in diesem Hause erledigt werden soll. Man würde einen verhängnisvollen Irrtum begehen, zu glauben, daß eine solche Schicksalsfrage für Deutschland auch gegen einen erheblichen Teil dieses Hohen Hauses entschieden werden könnte.

    (Beifall beim Zentrum. — Abg. von Thadden: Sehr gut!)

    Dafür steht zuviel auf dem Spiel, auch hinsichtlich des Schicksals der 18 Millionen deutscher Menschen in der Ostzone, die wir doch bei unseren Überlegungen nicht vergessen dürfen. Was in dieser frage beschlossen wird, sollte möglichst die Unterschrift aller in diesem Hohen Hause tragen können.

    (Abg. von Thadden: Wird es aber nicht!)

    In vielen Fragen, die uns hier beschäftigen, kann man durchaus verschiedener Meinung sein, aber auf keinen Fall darin, wie man in dieser, unser gemeinsames Schicksal betreffenden Frage vor dem Volke bestehen soll. Wir halten diese Angelegenheit für so wichtig, daß wir mit dem vorliegenden Antrag darum bemüht sind, eine gemeinsame Basis in diesem Hohen Hause zwischen Regierung und allen verantwortungsbewußten Parteien zu finden. Angesichts der weltpolitischen Entwicklung können wir die Entscheidungen, die auf uns zukommen, in ihrer ganzen Tragweite nicht ernst genug sehen. Sie benötigen eines Basis im Bundestag, die keinen Zweifel über die Meinung des deutschen Volkes zuläßt. Darum sollten auch juristische oder sonstige völkerrechtliche Bedenken, die von der einen oder anderen Seite in diesem Hohen Hause vielleicht gegen den Antrag der Zentrumspartei erhoben werden, um des gemeinsamen Bemühens willen in diesem Augenblick zurückgestellt werden. Meine politischen Freunde und ich sind auch durchaus damit einverstanden, daß unser Antrag zur weiteren Beratung dem Außenpolitischen Ausschuß überwiesen wird.
    Den Besatzungsmächten, die vielleicht auf Grund des Besatzungsstatuts oder aus völkerrechtlichen Gründen oder aus technisch-politischen Fragen heraus ihre Bedenken anmelden, möchte ich sagen, daß Deutschland seine Pflicht gegenüber der Rettung und Erhaltung Europas und seiner Menschheitswerte keineswegs vergißt, daß man aber auch dem deutschen Volke in dieser Frage gerecht werden muß. Nur in völliger Gleichberechtigung und als ein Teil der Vereinten Nationen werden wir unseren Anteil an dem Schicksal der Welt tragen können.
    Ich möchte mit dem Ausspruch schließen, den Lincoln mitten im Bürgerkrieg den schwankenden Kongreßmännern machte: „Meine Herren! Sie können der Geschichte nicht entgehen." Man sollte sich dieser politischen Weisheit eines Lincoln auch heute erinnern.

    (Beifall und Händeklatschen im ganzen Hause.)