Rede von
Kurt
Pohle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident, man ist nie dagegen gefeit, einmal mit dem Psychiater Fühlung aufnehmen zu müssen.
Der Werdegang des Arztes ist festgelegt, die Prüfung und Niederlassung als Arzt sind geregelt. Was ärztliche Niederlassung bzw. Zulassung zur Tätigkeit bei den Krankenkassen betrifft, wird uns in einer neuen Regelung demnächst in diesem Hohen Hause beschäftigen.
Wenn der Arzt irrt, kann es lebensgefährlich für den Patienten werden.
Wenn er einen nachweisbaren Schaden stiftet, kann er zur Verantwortung gezogen werden.
Neben diesen approbierten Kräften des Heilens, deren nichtgesteuerte Vermehrung auf den Universitäten auch den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens mit großer Sorge erfüllt, gibt es die nichtstudierten und nichtapprobierten Kräfte, die Heilpraktiker. Mit diesen Heilpraktikern haben die Drucksachen Nrn. 796 und 935 und der Münd-
liche Bericht Drucksache Nr. 1503 zu tun. Seit dem Monat Mai beschäftigt sich der Ausschuß mit diesen Kräften des Heilens. Er hat die Frage studiert und diskutiert, wie man die unerhört große Variantenhaftigkeit dieses Problems auf einen gesetzlichen Nenner bringen kann. Der Ausschuß hat eine große Zahl von Sachverständigen gutachtlich gehört. Er hat sogar zum Schluß zwei sehr bekannte Tiefenpsychologen bemüht und nach einer Lösung bis zum eigenen Krankwerden gesucht.
Er kam nun zu guter Letzt zu dem Ausweg, die gesammelten Einzelsteine mit der Zustimmung des Plenums der Gesundheitsabteilung des Innenministeriums zuzusenden, damit dort aus diesen Einzelsteinen der Gesetzesbau zu diesem Problem gerichtet wurde, um ihn nach planvollen Verschönerungsarbeiten des Bundesrats zur letzten Krönungsarbeit wieder an uns gelangen zu lassen. Um Legendenbildungen vorzubeugen, möchte ich von vornherein betonen, daß im Ausschuß nur fünf Ärzte und Ärztinnen sechzehn Laien gegenüberstehen. Die Ärzte haben nur soweit Gewalt über uns, daß wir ihnen folgen, wenn sie uns bei einer Mandelentzündung einen Umschlag verschreiben und uns ins Bett schicken. Ansonsten haben wir ihre Darlegungen mit derselben kritischen Sonde vorurteilslos geprüft, genau so, wie wir kritisch und vorurteilslos die gutachtlichen Äußerungen der Heilpraktiker gehört haben. Wir haben im Ausschuß weder den Ärzten noch den Heilpraktikern besonders zu dienen. Unsere Arbeit dient der Volksgesundheit, und die Erhaltung bzw. die Verbesserung des Gesundheitszustands unseres Volkes ist ausschlaggebend bei der Entscheidung auch über die Heilpraktikerfrage.
Wie ist die gesetzliche Entwicklung auf dem Heilpraktikersektor? Die Gewerbeordnung vom Jahre 1869 ermöglichte die Kurierfreiheit. Am 17. Februar 1939 wurde ein Heilpraktikergesetz verkündet, das einen Ordnungsversuch mit der Absicht der Drosselung des Nachwuchses, der nur noch in Ausnahmefällen zur Heilpraktikertätigkeit zugelassen wurde, unternahm. Gleichgültig, ob Kurierfreiheit oder Heilpraktikerverbot mit der Absicht, nicht eine Vollspur- und eine Schmalspurmedizin nebeneinander laufen zu lassen, es würde trotzdem von Kräften, die sich dazu berufen, wenn auch nicht staatlich auserwählt fühlen, der Versuch der Heilung am kranken Menschen weiter unternommen werden. Das Risiko läßt sich in unserem Leben, gleichgültig auf welchem Sektor, nie ganz ausschalten. Das Risiko trägt der einzelne Staatsbürger, ob er sich im Krankheitsfall vom Arzt oder Heilpraktiker behandeln lassen will.
Bei der seelischen Bedingtheit vieler Krankheitserscheinungen unserer Zeit soll man den Kranken zum Heiler seines Vertrauens gehen lassen. Der Gesetzgeber hat die Frage zu untersuchen, was er verordnen kann, um die Möglichkeiten der Schadensverhütung auszuschöpfen. Der Ausschuß ist einmütig der Auffassung, daß das Gesetz von 1939 nicht mehr haltbar ist und fallen muß.
Darüber, ob die Kurierfreiheit an die Stelle des Heilpraktikergesetzes gesetzt werden soll, ist diskutiert worden, doch ist darüber nicht durch Abstimmung entschieden worden. Es hat sich doch die Meinung herausgeschält, daß man ohne eine gewisse Ordnung in den Heilpraktikerfragen nicht auskomme. Der Ausschuß will den strebsam sich bemühenden Kräften des Heilens nicht die Straße oder Strecke zum Helfen blockieren. Er will in seiner Mehrheit aber auch kein neues Privileg.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen also erstens, den Antrag Drucksache Nr. 796 betreffend Vorlage eines Heilpraktikergesetzes, welches das Gesetz von 1939 ablösen soll, anzunehmen; zweitens, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Heilpraktikergesetzes vom 17. Februar 1939 — Nr. 935 der Drucksachen — durch Annahme des ersten Antrags für erledigt zu erklären, wobei jedoch nicht eine Vorentscheidung über einzelne Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs getroffen werden soll, deren Verwendung in einem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchaus möglich erscheint.
Damit bitte ich Sie, dem Mündlichen Bericht, Drucksache Nr. 1503, Ihre Zustimmung zu geben. Als vorweihnachtliches Weihnachtsgeschenk meinerseits habe ich den Bericht sehr kurz gehalten.
Ein weiteres Weihnachtsgeschenk: ich habe mit den einzelnen Fraktionen bereits vereinbart, daß wir diesen Bericht ohne Debatte verabschieden wollen.