Rede von
Dr.
Else
Brökelschen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Sinn der Interpellation der CDU/CSU ist, zu zeigen, daß wir entschlossen sind, in einer Zeit der allgemeinen Notlage, in der die finanziellen Fragen als die entscheidenden zu erscheinen drohen, an unserem Anliegen programmatisch festzuhalten, und nicht um finanzieller Gründe willen von ihm abzugehen. Wir wünschen, daß dieses Anliegen in seinem ganzen Ernst gesehen wird. Gerade als Frau begrüße ich es, daß ich Gelegenheit habe, dazu ein paar ganz kurze Bemerkungen zu machen.
Es ist vorhin gesagt worden, der Ausdruck „familiengerechte Wohnungen" sei nicht glücklich gewählt. Wir haben den Ausdruck absichtlich gewählt, weil wir das Programm damit ausdrücken wollen, weil wir sagen wollen, daß wir auch in der Notlage an dem Prinzip festhalten, Wohnungen zu bauen, die den Bedürfnissen der Familie gerecht werden. Wir tun das, weil wir ganz genau sehen, daß allein durch die Familie und über die Familie die große Frage der Jugendnot, die in ihrer Schwere fast unüberwindlich scheint, gelöst werden kann.
Es nützt auf die Dauer nichts, große Jugendwerke zu proklamieren, Millionen für Jugendgesetzgebungen auszuwerfen, wenn man nicht die Familie als letzte Heimstätte für die Jugend wieder neu schafft und wenn man nicht die letzten Kräfte neu belebt, die die Jugend zur Genesung führen sollen.
Meine Herren und Damen! Ich habe mit Interesse den Ausführungen des Herrn Kollegen
Paul von der KPD zugehört. Ich stelle fest, daß er Wohnungen für solche bauen will, die nicht im Besitz ihrer Körperkräfte sind, daß er in erster Linie für solche bauen will, die alles verloren haben, für Kriegsbeschädigte, Heimkehrer und alte Leute. Ich stelle fest, daß der Leiter des Hauptwohnungsamtes in Berlin am 6. Dezember mitgeteilt hat: volkseigene Wohnungen in der StalinAllee kommen ausschließlich für Aktivisten der volkseigenen Betriebe
sowie für die Arbeiter unserer Verwaltung
in Frage. Ich stelle ferner fest, daß derselbe Leiter gesagt hat, auch weitere Wohnungen sollten Aktivisten, Arbeitern und Angestellten sowie Intelligenzlern zugewiesen werden, also in erster Linie werktätigen Menschen, die am Aufbau tätig sind.
Ich rate Herrn Paul, entweder im Osten zu versuchen, seine Gesichtspunkte durchzubringen, oder aber nicht hier den Mitleidigen für Bedürftige und Heimkehrer zu spielen und gleichzeitig für die Ostzone das Privileg der Aktivisten zu proklamieren.
Im Anschluß an diese Dinge ein paar ernste Bemerkungen. Das Wohnbauprogramm der Ostzone sieht für 1950 21 000 Wohnungen im Wiederaufbau und Neubau vor.
Für dieses „Riesenprogramm" sollen 147 Millionen Ostmark aufgewendet werden.
Man kann sich dort mit diesem Wohnungsprogramm begnügen, weil man die Wohnungsnot in der Ostzone anders beheben will. Im Gesetz zum Schutze von Mutter und Kind ist nämlich festgelegt, daß im Rahmen dieses Gesetzes in den nächsten Jahren erbaut werden sollen: Kinderheime für Kleinkinder mit 60 000 Plätzen, Kinderkrippen mit 40 000 Plätzen und weitere Kinderheime für größere Kinder, in denen jede werktätige Mutter ihr Kind auf Staatskosten unterbringen und erziehen lassen kann.
Sehen Sie, meine Herren und Damen, das ist der Weg, der beschritten werden muß, wenn man nicht die Wohnungsansprüche der Familie befriedigt.
Wir kommen dann eben dahin, daß der Staat die Kinder beschlagnahmt;
und wo der Staat die Kinder an sich zieht, da braucht man allerdings nicht mehr familiengerecht zu bauen.
Meine Herren und Damen, für uns ist eine Wohnung dann familiengerecht, wenn in ihr die Familie wachsen und leben kann, und für das Leben der Familie verlangen wir Raum und keine Hucklöcher, in denen ein Leben einfach nicht möglich ist. Wir verlangen um der Gesundung unserer Jugend willen eine Regelung der Kinderschlafzimmer, die vor allen Dingen eine frühzeitige Trennung der Geschlechter ermöglicht.
Von sozialdemokratischer Seite ist darauf hingewiesen worden, daß Wohnblocks auch von der
CDU nicht abgelehnt werden können. Das tun wir auch nicht. Wir sind keine romantischen Phantasten. Wir sehen sehr gut, daß Massennot auch Massenlösungen verlangt. Wir wenden uns nur dagegen, daß diese Wohnungen der Weisheit letzter Schluß oder eine ideale Lösung darstellen sollen. Gerade in einem Augenblick, wo Millionen heimatlos und wurzellos gewordener Menschen hier in den Westzonen leben, müssen wir das Anliegen aussprechen, diesen Menschen wieder zu Eigentum und zu einem persönlich gestalteten Leben zu verhelfen. Das ist der Grund, warum wir das Anliegen der Eigenwohnungen in aller Deutlichkeit herausstellen. Wir sind nicht gewillt, von dieser Forderung abzugehen, weil wir sehr wohl wissen, daß das ethisch Richtige auf die Dauer auch das politisch Richtige ist, und weil wir genau sehen, daß familiengerechte Wohnung, Eigenheim und Kleinsiedlung Werte sind, für die es zu leben lohnt. Sie gehören mit zur Stärkung des Lebenswillens und der Einsatzbereitschaft, ohne die auf die Dauer unser Volk und unser Staat keine Zukunft haben werden.