Meine Damen und Herren! Die Besprechung der Interpellation und der verschiedenen Anträge hat sich zu einer großen Debatte über fast alle Probleme des Wohnungsbaues ausgewachsen. Im Augenblick möchte ich aber nicht auf die allgemeinen Probleme eingehen. Die vorgeschrittene Zeit würde es kaum erlauben, die ganze Problematik des Wohnungsbaues vor allem im Jahre 1951 sorgfältig durchzusprechen oder zu durchdenken. Ich möchte nur eine Außerung des Kollegen Stierle zurückweisen. Ich weiß nicht, ob ich richtig verstanden habe; aber mir schien, als habe er gesagt, mein Kollege Minister Erhard freue sich über Schwierigkeiten, die im Wohnungsbau aufgetreten sind. Das tut Kollege Erhard ganz sicher nicht.
Vielleicht habe ich ihn aber mißverstanden, dann war meine Bemerkung unnötig.
Was die Bevorzugung von Eigenheimen und Kleinsiedlungen anbetrifft, so dürfen Sie überzeugt sein, daß mir diese außerordentlich am Herzen liegt. Ich rühme mich nämlich, einer der Erfinder der sogenannten Stadtrandsiedlung zu sein, aus der die Idee im Jahre 1931/32 entstanden ist. Daraus ist dann später die vorstädtische Kleinsiedlung geworden, und man hat es mit einem Gehege von Paragraphen nicht verhindern können, daß sich der dringende Wunsch nach einem Eigenheim durchsetzte. Das ist ganz sicher wohl die idealste Siedlungsform, sei es als Einfamilien-, sei es als Reihenhaus. Dabei müssen wir uns darüber klar werden, daß die Kosten für eine solche Wohnung nicht größer zu sein brauchen als die einer Stockwerkswohnung, jedenfalls nicht viel größer. Bei der lockeren Bauweise werden aber die Aufschließungskosten — Gas, Wasser, Elektrizität, Entwässerung — und werden auch die Kosten der Verkehrsmittel zu Lasten der Gemeinden erheblich größer.
Dabei liegen die Verhältnisse in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Infolgedessen halte ich es nicht für möglich, vom Bund aus bestimmte
Baumittelquoten zur Verwendung für Eigenheime vorzuschreiben; denken Sie an einen Stadtstaat wie Hamburg oder an ländliche Verhältnisse, wie sie in meiner Heimat Württemberg-Hohenzollern gegeben sind, wo das Eigenheim sehr stark überwiegt, während in der Großstadt, jedenfalls zunächst, die Stockwerkswohnung vorherrschen muß.
Im übrigen ist das Ergebnis des Wohnungsbaues des letzten Jahres in diesem Sinne noch gar nicht so schlimm. Zu meiner eigenen Überraschung entfallen auf jedes neu gerichtete Wohngebäude im Jahre 1950 nur 2,2 Wohnungen. Ob sich die Zahl nach Abschluß der Statistik und Eingang der letzten Berichte der Länder noch verschiebt, weiß ich nicht. Ich würde sie aber im Sinne der Interpellation für ein sehr gutes Ergebnis halten.
Nun sind im Jahre 1950 nicht überall in den Ländern die Wohnungsgrößen des Wohnungsbaugesetzes eingehalten worden. Das lag an den Übergangsbestimmungen des § 29 des Ersten Wohnungsbaugesetzes; das lag auch daran, daß vieles, was im letzten Jahr gebaut wurde, im vorletzten Jahr geplant worden ist. Ich möchte annehmen, daß die kleineren Wohnungsgrößen im sozialen Wohnungsbau im nächsten Jahr wegfallen werden. Die normale Wohnungsgröße bis zu 65 qm wird an ihre Stelle treten. Es ist aber vorgesehen, daß bei Wohnungen für größere Familien — wie es bei Wiederaufbauwohnungen der Fall ist — die Wohnfläche bis 120 qm betragen kann. Damit ist, glaube ich, für die Länder ein ausreichender Spielraum gegeben, wobei immer die Grenze im finanziell Möglichen liegen wird.
Was Herr Kollege Lücke hervorgehoben hat, ist sehr richtig: Man kann das Problem der Wohnungen für Kinderreiche nicht nur auf Familien abstellen, die schon kinderreich sind, sondern man müßte es eigentlich auf Familien abstellen, die einmal kinderreich werden wollen. Da aber ein solcher Familienaufbau Jahre erfordert, können wir hoffen, daß wir in einigen Jahren etwas mehr tun können. Denn auch hier stoßen sich die Dinge hart im Raum. Größere Wohnungen erfordern höhere Baukosten und deshalb höhere öffentliche Mittel. Wenn ich bei gleichbleibenden öffentlichen Mitteln größere Wohnungen baue, dann kann ich nur weniger Wohnungen bauen. Dazu kommt ein weiteres Problem, nämlich das der höheren Mieten, die nun gerade wieder für die kinderreiche Familie sehr schwer erschwinglich, von ihr sehr schwer aufzubringen sind. Das führt dann logischerweise zu Mietzuschüssen für die kinderreichen Familien. Man wird wohl oder übel diesen Weg gehen müssen.
Einen breiten Raum in der Diskussion hat dann die Frage der Schlichtwohnung, die Frage des Ersatzes für Kasernenunterbringung eingenommen. Meine Herren, wenn ich eine solche Notlösung in bestimmten Fällen für nötig halte, so tue ich das nicht leichtfertig oder weil ich nichts davon verstehe, sondern einfach unter dem Zwang der Tatsachen. Wir müssen jetzt zunächst etwa 15 000 und dann etwa 75 000 Menschen, die bisher in Kasernen waren, möglichst schnell unterbringen. Ich habe es aufs schroffste abgelehnt, diese Unterbringung, wie sie schon angelaufen war, in Baracken durchzuführen. Baracken sind immer das Trostloseste, was es gibt. Ich habe mich aber damit einverstanden erklärt, daß der Herr Finanzminister die Höchstkosten einer solchen Wohnung mit 8 000 bis 8 500 Mark beziffert. Denn, meine Herren, auch die Einzelpläne XXIV und XXVII des Bundeshaushalts, aus denen diese Wohnungen finanziert werden müssen, sind nicht unerschöpflich.
Nun kommen wir zu zwei weiteren Schwierigkeiten. Meine Damen und Herren, die Wohnungen in den umgebauten Kasernen sind keineswegs mustergültige und erstklassige Wohnungen. Das sagen die Leute immer bloß dann, wenn sie raus sollen. Diese Wohnungen haben nur einen Vorteil: sie sind außerordentlich billig; die Mieten liegen etwa bei 60 Pfennig pro Quadratmeter.
Daß die Leute, die jetzt heraus müssen — es sind zum großen Teil DP's, aber es sind natürlich auch Vertriebene und andere Deutsche dabei —, nun sehr gern um denselben Mietzins eine größere und schönere Wohnung hätten, ist menschlich verständlich, aber praktisch nicht durchführbar.
Nun zu dem anderen Problem, meine Damen und Herren. Sie dürfen den Wohnungsstandard nicht nur am sozialen Wohnungsbau, sondern sie müssen ihn an der tatsächlichen Wohnungslage messen, d. h. daran, wie es für die Leute aussieht, die heute noch in Bunkern, in Kellern und Baracken hausen.
Schließlich ist die Schlicht- oder Einfachstwohnung in dem Lande erfunden worden, das unter dem stärksten Druck finanzieller Art und unter der stärksten Notlage lebt, nämlich in Schleswig-Holstein, und sicher nicht aus Bosheit oder aus besonders ungeschicktem Anfassen des Wohnungsbauproblems. Diese Frage werden wir noch öfter zu erörtern haben. Ich möchte nur noch einmal feststellen: es handelt sich hier nicht darum, den sozialen Wohnungsbau durch Schlichtwohnungen, oder wie sie mal heißen sollen, zu ersetzen, sondern es handelt sich darum. in ganz bestimmten Notfällen von dem Standard des sozialen Wohnungsbaues abzuweichen. Ich werde aber gern den Wunsch des Hohen Hauses weitergeben, auch diese sehr rasch zu erstellenden Wohnungen wenn irgend möglich im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues halten.
Nun zu dem Antrag des Zentrums über die für die Besatzung jetzt neu zu bauenden Wohnungen. Zunächst möchte ich das eine sagen: Mir und, ich glaube, auch dem Herrn Finanzminister sind in letzter Zeit keine Nachrichten zugegangen, daß neue Wohnungen beschlagnahmt worden sind. Sollte es der Fall sein, so wäre ich außerordentlich dankbar, wenn mir diese Fälle zur Kenntnis gebracht würden. Der Wunsch der Bundesregierung geht bedeutend weiter als der vorliegende Antrag. Er geht nämlich dahin, daß Neubeschlagnahmen grundsätzlich nicht stattfinden, sondern daß, wenn neuer Wohnungsbedarf der Besatzung entsteht, dieser nur durch Neubau gedeckt wird. Dabei möchte ich allerdings sagen, daß dieser Neubau in etwas verständigerem Umfang und in einer etwas verständigeren Art und Weise durchgeführt werden kann, als es geschehen ist.
— Warum sollte ich es nicht vornehm ausdrücken? Ich kann aber das eine Beispiel anführen, das mir vorschwebt: In einer großen deutschen Stadt wird dadurch ein Druck ausgeübt, daß man sagt, ein beschlagnahmt gewesenes Krankenhaus, das vor kurzer Zeit freigegeben wurde, werde wieder beschlagnahmt, wenn nicht die und die Wohnungen in 34 Tagen stünden. Dazu will ich vorsichtig nur soviel sagen: Das ist zweifellos nicht zweckmäßig. Dieses Verfahren, von dem wir an vielen Stellen hören, ist durchaus geeignet, die ganze deutsche
Bauwirtschaft nicht nur zu Lasten des sozialen Wohnungsbaues, sondern auch zu Lasten der Besatzungsbauten vollkommen durcheinanderzubringen. Es besteht kein Zweifel, daß der von der Besatzung bisher beschlagnahmte Raum in gar keiner Weise entsprechend ausgenutzt ist,
sondern daß hier aus Rücksichten, die man auf eigene, fernliegende Interessen nimmt und die man auf deutsche Belange nicht nehmen zu müssen glaubt, Wohnraum festgehalten wird, über den anderwärts sehr viel günstiger verfügt werden könnte. Ich hoffe aber, daß die Aufgabe unseres Kollegen Blank dazu führen wird, mit den Besatzungsmächten zu einer verständigeren Verteilung des beschlagnahmten Wohnraums und auch zu den notwendigen Kontrollen zu kommen — sie brauchen ja nicht von uns zu sein —, damit dieser Wohnraum wirklich ausgenützt wird. Des weiteren müssen wir zu einem gemeinsamen Vorgehen beim Bauen kommen.
— Ich weiß nicht, ob man mich dort reinläßt.
Zweifellos ist es eine Aufgabe dieses Hauses und der Presse, die Erörterung dieser Fragen in der öffentlichen Meinung nicht versanden zu lassen, sondern immer wieder auf diese Punkte hinzuweisen. Abgerundete Zahlen kann ich Ihnen geben: Es sind nach dem Stand vom Mai 1950 — ich glaube nicht, daß seitdem bedeutende Veränderungen nach oben oder unten eingetreten sind — in Deutschland 16 000 Einfamilienhäuser, 11 000 Wohngrundstücke und 14 000 Einzelzimmer beschlagnahmt, dazu noch 9000 unbebaute Grundstücke, etwa 4000 Grundstücke der öffentlichen Hand, 1900 Hotels, Kuranstalten und Gaststätten, 4000 sonstige Gewerbebetriebe und Krankenhäuser.
Das ist, glaube ich, für das Ausmaß von Sicherheit, das wir im Augenblick genießen, etwas viel; aber ich hoffe, daß infolge der Besprechungen des Kollegen Blank da etwas andere Verhältnisse eintreten werden.
Die Zahl der Besatzungsverdrängten können wir nicht genau angeben. In einem ganz weiten Rahmen muß sie zwischen 300 000 und 500 000 liegen. Das ist immerhin eine sehr beachtliche Zahl.
Nun zu dem letzten Antrag, der gestellt worden ist und der auf § 22 Abs. 7 des Wohnungsgesetzes abzielt, nämlich eine ausreichende Anzahl von Wohnungen für Leute bereitzustellen, die das Eigenkapital nicht aufbringen können. Das ist im Wohnungsgesetz vorgesehen. Eine bestimmte Ziffer von Bundes wegen hier festzulegen, davon würde ich dringendst abraten. Die örtlichen Verhältnisse sind außerordentlich verschieden. Ich kann dazu folgende Zahlen nennen. Ein Teil der Länder stellt es auf die untere Bewilligungsbehörde ab und entscheidet von Fall zu Fall wie z. B. Hamburg, Niedersachsen oder Bayern. Ein Teil legt ziemlich feste Quoten fest: Bremen zwischen 50 und 70 %, Rheinland-Pfalz 50 %, Württemberg-Baden 50 %, Württemberg-Hohenzollern nur 30 %. Das hängt mit Wohngewohnheiten und mit der Struktur der Bevölkerung zusammen. Zentrale Reglementierung würde sich hier nicht bewähren. Ich darf auch darauf hinweisen, daß den Schwierigkeiten gerade für Kriegsbeschädigte, Vertriebene oder Lastenaus-
gleichsberechtigte, Eigenkapital aufzubringen, gesetzlich und praktisch schon Rechnung getragen ist. Der Kriegsbeschädigte kann seine Rente bis zu 10 Jahren bekanntlich kapitalisieren lassen, um damit seinen Beitrag für seine Wohnung zu leisten. Abgesehen von der im künftigen Lastenausgleich vorgesehenen Regelung, hat das Hauptamt für Soforthilfe erst in letzter Zeit 40 Millionen bewilligt, die als Eigenkapitalersatz für Lasten ausgleichsberechtigte dienen sollen.
Meine Damen und Herren! Ich bin für die heutige Erörterung sehr dankbar. Sie wird mir Anlaß geben, die Wünsche des Hohen Hauses in den Besprechungen und Auseinandersetzungen mit den Ländern zur Durchführung des neuen Wohnungsbauprogramms sehr nachdrücklich zu vertreten und sie unter äußerster Ausnutzung aller Möglichkeiten in die Tat umzusetzen, soweit eben die Geldmittel, die das alles erfordert, vorhanden sind.