Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut uns immer, wenn jemand wie der Herr Abgeordnete Renner mit einer derartigen Herzenswärme sich für die Kriegsbeschädigten einsetzt. Er ist ja auch sehr oft in der Ostzone, und ich wünschte nur, er würde dort einmal dieselben Forderungen für die Kriegsbeschädigten stellen.
Ich glaube, es würde ihm dann sehr bald Gelegenheit gegeben sein, mit seinem Kollegen Müller zusammen zu sein.
Aber zur Sache selbst möchte ich noch folgendes sagen. Das Kriegsopferversorgungsgesetz ist am 27. 10. 1950 vom Bundesrat verabschiedet worden. Nehmen Sie an, daß die schriftliche Übermittlung der Beschlüsse des Bundesrats 5 oder 6 Tage später bei der Bundesregierung eingegangen ist, dann finden Sie, da$ für alle anderen Maßnahmen, die die Bundesregierung treffen mußte, im allerhöchsten Fall 3 Wochen zur Verfügung standen. Es ist nach der ganz klaren Erklärung, die der Herr Bundesfinanzminister vor der Verabschiedung des Gesetzes hier abgegeben hat, völlig unverständlich, wie man die Kriegsbeschädigten wieder in die Unruhe bringen konnte, als wenn die Bundesregierung nun in der einen oder anderen Form der Durchführung dieses Gesetzes Schwierigkeiten machen wollte. Die Dinge liegen genau umgekehrt. Der Herr Bundesfinanzminister hat sofort, nachdem dieses Hohe Haus das Gesetz verabschiedet hat, sich um die Deckungsvorlage gekümmert. Sie ist zum Bundesrat gegangen. Nach den Erklärungen, die nachher auch von den maßgeblichen Parteien dieses Hohen Hauses gegeben worden sind, lag kein Grund für die Bundesregierung vor, noch irgendwelche Schwierigkeiten zu machen.
Wenn nun der Herr Abgeordnete Renner hier noch große Zahlenspiele aufführt und sagt, daß ja bei all diesen Fragen immer noch die alten Ziffern im Haushaltvoranschlag gestanden hätten, dann darf ich doch den Herrn Abgeordneten Renner darauf aufmerksam machen, daß das Haushaltsjahr des Bundes am 1. April beginnt. Für das erste halbe Jahr hatten wir also in den Haushalt das einzusetzen, was tatsächlich nach den alten Rechten an die Kriegsbeschädigten zu zahlen war, und wir hatten nur für das zweite Halbjahr die erhöhten Beträge einzusetzen. Im Haushalt des Bundes ist für die Durchführung der Kriegsheschädigtenrenten ein Betrag von 2,6 Milliarden DM enthalten.
Dazu kommen nunmehr die Mehrbeträge, die durch die Beschlüsse dieses Hohen Hauses zustande gekommen sind. Sie werden in einem Nachtragshaushaltsentwurf enthalten sein, und die Deckung dafür wird gegeben sein.
Ich möchte also zusammenfassend folgendes sagen. Wir werden alles tun, damit die Kriegsbeschädigten so schnell wie möglich in den Besitz der neuen Renten kommen. Dabei will ich allerdings nicht verhehlen, daß es noch allerlei Schwierigkeiten geben wird, weil wir selbstverständlich verpflichtet sind, vorher die Behörden zu schaffen. Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern an den Haushaltsausschuß die Eingabe gerichtet, die hierfür notwendigen Mittel vorweg zu bewilligen. Ich habe gestern im Ausschuß für Kriegsbeschädigte gesagt: „Ich werde Anfang nächsten Jahres mit den Arbeitsministern oder den zuständigen Stellen der Länder zusammenkommen und habe die Absicht, mit ihnen die Wege zu besprechen, die uns in die Lage versetzen, den Kriegsbeschädigten ihre Renten so schnell wie möglich zuteil werden lassen". Es ist mir unverständlich, woher Herr Renner die Grundlage für seine Berechnung nimmt, die ihn dazu kommen läßt, daß die Kriegsbeschädigten erst in drei oder vier Jahren zur Befriedigung ihrer Rentenansprüche kommen könnten. So liegen ja die Dinge nicht. Zur Zeit laufen 3,8 Millionen Renten. Für sie sind alle Vorbereitungen gegeben, die nach dem ersten Weltkrieg und nach der damaligen Gesetzesschaffung durchgeführt werden mußten. Wir brauchen also rein büromäßig nur die Umrechnungen vorzunehmen und haben nur für einen Kreis von 620 000 Men-
schen, deren Rentenanträge heute noch laufen, die grundsätzlichen Arbeiten vorzunehmen.
— Selbstverständlich gibt es ärztliche Nachuntersuchungen. Aber es gibt sie nicht für alle. Es gibt sie beispielsweise für Leute, Herr Renner, die in der ersten Zeit nach dem Kriege, als die amerikanische Besatzungsmacht sagte: „Wer 50 % kriegsbeschädigt ist, braucht kein Entnazifizierungsverfahren durchzumachen", zum Arzt gegangen sind. Wenn jemand von diesen Kriegsbeschädigten zu einem Arzt ging und ihm sagte „Bitte, bestätigen Sie mir doch, daß ich 50 % kriegsbeschädigt bin, dann brauche ich diesen Entnazifizierungsrummel nicht durchzumachen", dann hat er in vielen Fällen diese Bescheinigung bekommen. Wenn er aber auf Grund dieser Bescheinigung nachher einen Antrag auf Kriegsrente gestellt hat, dann ist das meines Erachtens etwas ganz anderes. Die Kriegsbeschädigten haben selbst das allergrößte Interesse daran, daß die Kriegsopferversorgung auf den Kreis der Menschen beschränkt wird, die auf Grund des Gesetzes diese Versorgung erhalten sollen.
So liegen die Dinge. Es denkt niemand daran, durch die ärztlichen Nachuntersuchungen, die hier oder da vorgenommen werden müssen, die endgültige Durchführung der Versorgung auch nur im entferntesten aufzuhalten.