Rede von
Dr.
Franz
Weiß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Handelsvertragsverhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Brasilien, die zum Abschluß des vorliegenden Abkommens geführt haben, wurden am 25. April d. J. in Rio de Janeiro begonnen und am 7. Juni 1950, also in der kurzen Zeit von sechs Wochen, zum Abschluß gebracht. Im allgemeinen dauern derartige Verhandlungen sechs Monate und mehr. Die Verhandlungen verliefen in einer sehr günstigen Atmosphäre; sie wurden seitens der brasilianischen Delegation in einem durchaus deutschfreundlichen Geist geführt. Dies soll auch an dieser Stelle anerkennend hervorgehoben werden.
Das Handelsabkommen wird, wie es in der Begründung zu dem vorgelegten Gesetzenwurf heißt, deshalb als „Vereinbarung über den Warenverkehr" bezeichnet, weil dieses erste deutsche Vertragswerk nach dem zweiten Weltkrieg einerseits gewisse Fragen regelt, die zeitlich bedingten Charakter tragen, andererseits infolge der noch ungeklärten politischen und völkerrechtlichen Lage gewisse Fragen nicht regelt, die an sich in einen Handelsvertrag hineingehören, zum Beispiel das Konsularwesen und das Niederlassungsrecht.
Das Einfuhr- und Ausfuhrvolumen beträgt bei diesem Abkommen auf jeder Seite 115 Millionen Dollar. Das sind etwa 5 °/o des Außenhandels der Bundesrepublik Deutschland im laufenden Jahr. Der Handelsverkehr zwischen den Vereinigten Staaten von Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland soll, wie es in dem Art. 12 der Vereinbarung heißt, im Laufe der Zeit noch ausgebaut werden. Dazu bietet die Wirtschaft beider Länder große Möglichkeiten. Brasilien, ein Land von etwa 50 Millionen Einwohnern und einer Bodenfläche von 8,5 Millionen Quadratkilometern, hat große Rohstofflager, besonders an Eisenerzen und Ölen, sowie einen großen Holzreichtum in seinen allerdings noch nicht erschlossenen Landesteilen aufzuweisen. Die Landwirtschaft Brasiliens liefert wichtige Erzeugnisse, für die gerade in der Bundesrepublik Deutschland dringender Bedarf vorliegt. Für die von der brasilianischen Regierung angestrebte Industrialisierung des Landes und für das in einem Fünfjahresplan festgelegte Arbeitsprogramm zur Förderung von Volksgesundheit und Ernährung, Transportwesen und Energie werden Investitionsgüter benötigt, die die Bundesrepublik Deutschland zu liefern in der Lage ist, vor allem auch in einer Qualität, die den deutschen Waren auf dem Weltmarkt von jeher einen guten Absatz gesichert hat. So ergänzen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Länder in ausgezeichneter Weise, und bei der bereits erwähnten günstigen Einstellung Brasiliens Deutschland gegenüber ist eine rasche Steigerung des Handelsverkehrs zu erwarten. Beweise ihrer deutschfreundlichen Einstellung hat die brasilianische Regierung vor kurzem dadurch gegeben, daß sie ein Gesetz über die Freigabe der Vermögenswerte von Deutschen erlassen hat, die in Brasilien wohnen, weiterhin durch die wohlwollende Behandlung der deutschen Schutzrechte, der deutschen Einwanderung, des Reiseverkehrs.
Die aus den Vereinigten Staaten von Brasilien nach der Bundesrepublik einzuführenden Waren umfassen einen Gesamtwert von 115 Millionen Dollar für den Zeitraum eines Jahres und im ganzen 50 verschiedene Produkte, und zwar 50 bis 60 % industrielle Rohstoffe und 30 bis 40% Ernährungsgüter. An erster Stelle steht Rohkaffee im Wert von 30 Millionen Dollar. Die brasilianische Regierung befürchtet allerdings, daß dieser Posten nicht voll abgenommen werden wird wegen der Belastung dieses Produktes durch Steuern und Zölle in Höhe von 11,60 DM je Kilogramm. An zweiter Stelle folgt Baumwolle im Wert von 25, Millionen Dollar. Infolge der ungünstigen letzten Ernte wird dieser Posten allerdings voraussichtlich nicht ganz geliefert werden; eine etwaige Fehlmenge wird von der nächsten Ernte nachgeliefert werden. Es folgen weiter an wichtigen Erzeugnissen Rinderhäute im Wert von 10 Millionen Dollar, Rohtabak und Sisal im Wert von je 5 Millionen Dollar, Holz und Eisenerze mit je 3 Millionen Dollar, Kakao und Mais mit je 4 Millionen Dollar.
Bei weiterer Entwicklung der Landwirtschaft Brasiliens besteht gute Aussicht für eine stärkere Ausfuhr von Sojabohnen. Dies ist deshalb wichtig, weil die Einfuhr von Sojabohnen aus der Mandschurei in Wegfall gekommen ist und die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika aus Dollargründen erschwert ist. Auch mit verstärkten Reis- und Zuckerlieferungen kann in der Zukunft wohl gerechnet werden. Für Weizenausfuhr besteht zur Zeit keine Möglichkeit, da Brasilien selbst große Mengen Weizen aus Argentinien einführen muß.
Die deutsche Ausfuhrliste umfaßt 164 Positionen aus den verschiedensten Gebieten, hauptsächlich der gewerblichen Wirtschaft. Erfreulicherweise erreicht die Ausfuhr an Fertigwaren in diesem Abkommen den Vorkriegsstand, während sie sich im Durchschnitt dieses Jahres bis jetzt erst bei 63 % der Gesamtausfuhr befindet. Unter den deutschen Ausfuhrwaren stehen, entsprechend den auf Erschließung des Landes gerichteten Bestrebungen der brasilianischen Regierung, Verkehrsmittel aller Art im Gesamtwert von 12 1/2 Millionen Dollar mit an erster Stelle. Einen großen Posten nehmen die Chemieerzeugnisse im Wert von 13,8 Millionen Dollar ein. Textilien werden im Wert von 5 Millionen Dollar ausgeführt.
Die Warenlisten können nach Art. 4 der Vereinbarung in beiderseitigem Einvernehmen jederzeit geändert werden. Die Warenkontingente können nach Art. 3 je nach Lage herab- oder heraufgesetzt werden. Von den festgelegten Warenkontingenten sind vierteljährlich mindestens 25 % zur Ein- und Ausfuhr freizugeben. Die Vorlage von Ursprungszeugnissen kann nach Art. 5 der Vereinbarung verlangt werden.
Für langfristige Vereinbarungen bleiben Ein- und Ausfuhrbewilligungen nach Art. 7 und 8 auch dann in Kraft, wenn die Vereinbarung außer Kraft getreten ist.
Der Transitverkehr bedarf gemäß Art. 9 von Fall zu Fall besonderer Genehmigung.
Das in Art. 10 erwähnte Zahlungsabkommen, das zwischen dem Banco do Brasil und der Bank deutscher Länder abgeschlossen wurde, sieht eine Kreditmarge von 10 % des Warenvolumens, also von 11,5 Millionen Dollar vor. Nach Erschöpfung des Kredits kann sofortige Bezahlung des überschießenden Betrages gefordert werden.
Die in Art. 12 vorgesehenen gemischten Kommissionen sollen die Durchführung der Vereinbarung verfolgen und erleichtern sowie Vorschläge für den Ausbau des Handelsverkehrs machen.
Es ist zu bgrüßen, daß in absehbarer Zeit in Brasilien eine deutsche Handelsvertretung errichtet werden soll, was zur Förderung des Warenverkehrs zwischen den beiden Ländern sicherlich wesentlich beitragen wird.
Das Protokoll, das außer der Vereinbarung mit Gesetzeskraft veröffentlicht werden soll, schließt die westlichen Sektoren von Groß-Berlin in die Vereinbarung ein, außerdem enthält es eine umfassende Meistbegünstigung für Zölle und Steuern und die Seeschiffahrt beider Länder.
Vereinbarung und Protokoll bleiben ein Jahr in Kraft und verlängern sich stillschweigend um jeweils ein weiteres Jahr, falls nicht 60 Tage vor Ablauf gekündigt wird.
Der Bundesrat hat in seiner 37. Sitzung am 20. 10. dieses Jahres gemäß Art. 76 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossen, gegen den vorliegenden Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
Der Ausschuß für Außenhandel schlägt dem Hohen Hause vor, dem Gesetzentwurf ebenfalls zuzustimmen.