Rede von
Dr.
Gerd
Bucerius
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Zur Erörterung steht das Ergebnis der Ausschußberatungen über die Anträge Drucksachen Nr. 72 und Nr. 76 der Freien Demokratischen Partei und der Sozialdemokratischen Partei. Am 21. September 1949, also vor mehr als Jahresfrist,
hat die Bundesregierung die bis dahin bestehenden Tarifvergünstigungen für die Beförderung von Kohle nach den Küstengebieten auf der Bundesbahn aufgehoben. Die Ausschußberatungen hatten folgendes Ergebnis.
Küstenkohlentarife hat es in Deutschland seit 1861 gegeben. Die Kohle wird an die Nordseeküste billiger transportiert als nach anderen Gebieten des Bundes oder des Reiches. Warum? Es handelt sich nicht um eine Begünstigung der Küstenländer, sondern vielmehr um eine Maßnahme im Hinblick auf die Konkurrenz der englischen Kohle. England ist dank der Seeverbindungen in der Lage, seine Kohlentransporte in die „umstrittenen Gebiete" an der Küste billiger auszuführen als die Reichsbahn bzw. die Bundesbahn. Um den Wettbewerb mit der englischen Kohle mit Erfolg führen zu können, haben die Kohlengruben im Ruhrgebiet billigere Kohlen geliefert, hat die Reichsbahn, später die Bundesbahn, billigere Transporte zur Verfügung gestellt. Wäre dies nicht erfolgt, wäre die Ruhrkohle gegenüber der englischen Kohle konkurrenzunfähig gewesen. Also ich wiederhole: keine Maßnahme zum Schutz der Küstenländer,
sondern Maßnahmen der Rentabilität von Ruhrbergbau und Reichs- bzw. Bundesbahn.
Diese Tarife sind zum 1. Oktober 1949 aufgehoben worden. In Schleswig-Holstein hat vorübergehend eine Verlängerung stattgefunden, die aber inzwischen ebenfalls abgelaufen ist. Inzwischen ist die Bundesbahn den Wünschen der Küstenländer insofern entgegengekommen, als die Krisenzuschläge, die auf fast alle anderen Tarife erhoben werden, für den Bereich der Küstenkohlentarife nicht erhoben worden sind.
Mit welcher Begründung ist die Aufhebung der Küstenkohlentarife erfolgt? Vier Punkte:
1. Die Bundesbahn behauptet Kostenunterdeckung dieser Tarife. Sie ist der Meinung, daß die Selbstkosten der Beförderung durch die Küstenkohlentarife nicht mehr gedeckt werden. Der Verkehrsausschuß hat diese Begründung zur Kenntnis genommen, eine nähere Darlegung darüber jedoch nicht erhalten.
2. Die Finanzlage der. Bundesbahn sei anerkannt schlecht, mache es also erforderlich, Sondertarife dort aufzugeben, wo sie volkswirtschaftlich nicht mehr unerläßlich seien.
3. Die Konkurrenzlage, die zur Einführung der Küstenkohlentarife geführt habe, sei inzwischen weggefallen.
4. Die Binnenschiffahrt verlangte im damaligen Zeitpunkt eine Erhöhung der Küstenkohlentarife, weil sie infolge der eigenen gestiegenen Selbstkosten im Verhältnis zur Bundesbahn nicht mehr konkurrenzfähig sei.
Der Verkehrsausschuß hat alle diese Gründe eingehend gewürdigt. Er ist zu der Auffassung gekommen, daß der besonderen Kostenlage der Bundesbahn in gewissem Umfange Rechnung getragen werden müsse. Er macht dem Hause deshalb einstimmig einen Vergleichsvorschlag, die Erhöhung der Tarife in gewissem Umfange rückgängig zu machen, in gewissem Umfange durch die die Verbraucher tragen zu lassen, in gewissem Umfange zu versuchen, die Kohle zu veranlassen, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Die Einzelheiten ersehen Sie aus der Drucksache Nr. 1309, in der vorgeschlagen wird, die Erhöhung der Tarife für Küstenkohle in drei Teile zu teilen.
Maßgebend für diesen Beschluß waren folgende Erwägungen. Die Lage der Küstenländer ist infolge der Abschneidung des Hinterlandes gegenüber dem Südosten und dem Osten außerordentlich erschwert. Es sind in der Zwischenzeit, d. h. seit 1945, namhafte Industrien in den Küstenländern entstanden, die unbedingt der Förderung bedürfen. Ohne eine solche Förderung wäre damit zu rechnen, daß diese Industrien mindestens in erheblichem Umfange geschädigt werden. Zugegeben wird, daß die Konkurrenzlage, die zur Einführung der Küstenkohlentarife geführt hat, heute nicht mehr vorhanden ist. Dies ist jedoch nicht als maßgeblich angesehen worden. Es ist nach Auffassung des Verkehrsausschusses Aufgabe der Wirtschaftspolitik, konstante Verhältnisse zu schaffen. Da in Kürze mit einer Verschärfung dieser Wettbewerbslage gerechnet werden muß, ist es nach Auffassung des Ausschusses auch gerechtfertigt, die Küstenkohlentarife in gewissem Umfange, so wie es Ihnen der Ausschuß vorgeschlagen hat, wieder einzuführen.
Die Auffassung des Ausschusses für Verkehrswesen deckt sich nicht mit der Auffassung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, der dieselbe hier vorgeschlagene Maßnahme mit einem Stimmenverhältnis von 9 zu 11 abgelehnt hat. Hierüber,
Herr Präsident, soll der Herr Abgeordnete Schröter Bericht erstatten, den ich aber nicht im Hause sehe. Wenn es dem Hause und dem Präsidenten recht ist, würde ich versuchen, die Gründe des Ausschusses für Wirtschaftspolitik kurz vorzutragen.