Rede von
Dr.
Josef Ferdinand
Kleindinst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Grundgesetz wird das Vermögen des Reichs grundsätzlich Bundesvermögen. Im besonderen bestimmt das Grundgesetz, daß der Bund Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen und der bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen ist. Den Übergang des Vermögens der ehemaligen Reichsbahn und der ehemaligen Reichspost setzt das Grundgesetz in den Bestimmungen über die bundeseigene Verwaltung voraus. Die vier Gesetzentwürfe, von welchen vorerst ja nur drei heute zur Beratung kommen sollen, dienen dem Vollzug dieser Grundrechtsbestimmungen.
Wenn auch die Ausschüsse über die einzelnen Gesetzentwürfe besonders berichten, so sehe ich mich doch veranlaßt, über die öffentlich-rechtlichen
Veränderungen dieser Teile des ehemaligen Reichsvermögens die folgende kurze Übersicht zu geben.
Die nationalsozialistische Regierung hat über das Reichsvermögen im Sinne des Einheitsstaates verfügt, seine Verwaltung in steigendem Grade zentralisiert und es sachlich besonders auf dem Gebiete des Straßenwesens vermehrt. Nach der Katastrophe von 1945 ist das ehemalige Reichsvermögen in die Verwaltung der Länder übergegangen. Die Länderverwaltungen haben rechtliche und tatsächliche Verfügungen teils im Interesse des Reichsvermögens, teils im Interesse des Landesvermögens vorgenommen, auf die die Gesetzentwürfe zur Vermeidung späterer Schwierigkeiten Rücksicht nehmen müssen.
Außerdem hat in die Rechtsverhältnisse des ehemaligen Reichsvermögens das Besatzungsrecht, und zwar in den verschiedenen Kontrollgebieten verschieden, eingegriffen. In den Ländern der britischen Zone ist das Eigentum des Reiches durch das Besatzungsrecht grundsätzlich unberührt geblieben. In den Ländern des Kontrollgebietes der amerikanischen Militärregierung hat es das Besatzungsrecht den Ländern übertragen und die Treuhänderschaft der Länder für einen bestimmten Kreis des Verwaltungsvermögens begründet. Jedoch hat es die Möglichkeit der Zurückführung dieses Eigentums auf den Bund mit Genehmigung jetzt der Hohen Kommissare vorgesehen. Im Kontrollgebiet der französischen Militärregierung ist den Ländern das Recht eingeräumt worden. sich das Reichsvermögen zu übertragen. Die Länder haben jedoch von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht.
Das Grundgesetz hat die 1933/34 angebahnte Rechtsentwicklung in bezug auf das Eigentum an den Reichsstraßen abgeschlossen, indem es das Eigentum für den Bund begründet hat. Den Gesetzentwürfen liegt das gleiche Muster zugrunde, was ja der Vergleich ohne weiteres ergibt, weil sie auf die gleichen Rechtsfragen Rücksicht nehmen müssen. Die wichtigsten dieser Fragen betreffen folgende Gesichtspunkte.
Hinsichtlich der erwähnten Bestimmungen des Grundgesetzes sind Zweifel aufgetreten, ob sie Recht begründende Sätze oder nur Programmsätze darstellen, die erst der gesetzgeberischen Ausführung bedürfen. Aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang dieser Grundrechtsbestimmungen wie aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates ergibt sich zwar die konstitutive Bedeutung dieser Bestimmungen, die auch die Bundesregierung in der Begründung der Gesetzentwürfe vertritt. Gleichwohl sprechen die Gesetzentwürfe den Übergang des Eigentums an den drei Vermögensteilen auf den Bund mit dem Tage des Inkrafttretens des Grundgesetzes aus, um mögliche Zweifel und Folgen dieser Zweifel zu verhüten. Außerdem ist der Gedanke aufgetreten, daß es sich bei dem Erwerb des Eigentums des Bundes an den Vermögenswerten des Reiches um einen originären Rechtserwerb handeln könne, der den Fortbestand dinglicher Rechte an den übergeleiteten Vermögensbestandteilen und schuldrechtlicher Verbindlichkeiten in Frage stellen würde. Sowohl der Bundesregierung, den Gesetzentwürfen wie den mit diesen befaßten Ausschüssen ist diese Rechtsauffassung und sind deren Folgen ferngelegen. Die vorgesehenen Bestimmungen über die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Fortbestand dinglicher Rechte an Grund-
stücken, Sachen und Rechten, die in allen Gesetzentwürfen stehen, würden dieser Rechtsanschauung und ihren Folgerungen widersprechen.
Die Wiedergutmachung der Wegnabme von Eigentum und Vermögensrechten der Gewerkschaften, Genossenschaften, politischen Parteien und anderen demokratischen Organisationen zugunsten der behandelten Vermögensmassen stellt eine Sonderregelung der Wiedergutmachung dar, die auch mit dem Besatzungsrecht zusammenhängt.
Nach diesen die gesamten Gesetzentwürfe betreffenden Ausführungen wende ich mich nun dem Gesetzentwurf über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Reichsautobahnen und der sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs vom 29. März 1950, Drucksache Nr. 802, zu. Der Bundestag hat durch Beschluß vom 26. April 1950 den Ausschüssen für Rechtswesen und für Verkehrswesen die Behandlung zugewiesen, wobei er dem Ausschuß für Rechtswesen die Federführung übertragen hat. Die beiden Ausschüsse haben einen Unterausschuß gebildet, der am 29. September und 3. Oktober auch diesen Gesetzentwurf vorberaten hat und zu der einhelligen Empfehlung gekommen ist, den beiden Ausschüssen die Zustimmung zu ihm unter Berücksichtigung von Vorschlägen des Bundesrates zu erteilen. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat diesen Gesetzentwurf am 24. Oktober abschließend behandelt und schlägt dem Bundestag die Annahme in der vorgelegten Fassung des Berichtes vor.
Bei der Würdigung des Gesetzentwurfs ist hervorzuheben, daß ein Eigentum des Reiches und nunmehr des Bundes an Straßen des Fernverkehrs erst seit kurzer Zeit begründet wurde. Die Reichsautobahnen sind bekanntlich auf der Grundlage des Gesetzes vom 27. Juni 1933 geschaffen worden und stehen im Eigentum des als juristische Person des öffentlichen Rechts errichteten Unternehmens Reichsautobahnen. Der Erwerb des notwendigen Grundstückseigentums geschah im Wege des Ankaufs und der Enteignung. Den Rechtscharakter von Reichsstraßen schuf erst das Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung vom 26. März 1934. Das Gesetz übertrug das Eigentum der Länder und Provinzialverbände an den Reichsstraßen dem Reiche noch nicht, jedoch die Wahrnehmung der aus dem Eigentum an der Straße sich ergebenden Rechte und Pflichten als dem Träger der Straßenbaulast. Den Ländern und Provinzialverbäden war also nur ein der Geltendmachung von Rechtsansprüchen entleertes und deshalb inhaltloses Eigentum verblieben. Nach dem B. Mai 1945 fiel das Vermögen der Reichsautobahnen in die Verwaltung der Länder und kam in gleicher Weise unter nach Kontrollgebieten der Militärregierung verschiedenes Besatzungsrecht wie das Vermögen an den übrigen großen Vermögensmassen des Reiches. Das Grundgesetz hat die 1933 und 1934 angebahnte Rechtsentwicklung in bezug auf das Eigentum an den Reichsautobahnen und Reichsstraßen abgeschlossen, indem es das Eigentum an ihnen für den Bund begründet hat.
Der Gesetzentwurf stellt in § 1 den Übergang des Eigentums an den bisherigen Reichsautobahnen und in § 3 an den bisherigen Reichsstraßen auf den Bund vom Tage des Inkrafttretens des Grundgesetzes gegen jeden Zweifel an der Bedeutung der Grundsatzbestimmungen fest. Das Eigen-turn an den Bundesautobahnen ist durch das Eigentum des Unternehmens Reichsautobahnen genügend abgegrenzt. Das Eigentum an den bisherigen Reichsstraßen läßt sich in zweifacher Weise feststellen. Entscheidend ist die Eintragung in das entsprechende Straßenverzeichnis oder die erfolgte Löschung in diesem, die von konstitutiver Wirkung für die Entstehung der Rechte und Pflichten des Reiches aus dem Eigentum und für den Übergang der Straßenbaulast auf das Reich war. Für die Eintragung der Straßen in das Straßenverzeichnis und für die Löschung war allerdings die Anordnung des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen im Benehmen mit dem Reichsminister des Innern allein maßgebend. Eine zweite kleinere Gruppe von Reichsstraßen hat das Reich selbst gebaut, so daß das Eigentum des Bundes an ihnen außer Zweifel steht.
§ 1 Satz 2 schließt von dem Übergang des Eigentums auf das Reich die Vermögensrechte aus, die die Länder seit 1945 bei der Verwaltung der Autobahnen ausschließlich für die Landeszwecke begründet haben. Für die ehemaligen Reichsstraßen war diese Einschränkung nicht notwendig, weil sie seit dem 8. Mai 1945 wieder im vollen Eigentum der Länder und Provinzialverbände standen.
Der § 6, der den Übergang der Einnahmen und Ausgaben nach dem Kassenprinzip ordnet, hat zwei Ergänzungen erhalten. Der Abs. 3 beugt Folgen aus dem Mißbrauch des Kassenprinzips vor. Der neue Abs. 3 bestimmt, daß für den Fall der Einführung von Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen diese Einnahmen in die Kasse des Bundes fließen. Der Einführung dieser Gebühren selbst greift er in keiner Weise vor.
In diesem Abs. 3 muß noch im zweiten Halbsatz vor Satz 1 eingefügt werden: Abs. 2.
Dieses Wort „Abs. 2" ist bei der Drucklegung ausgefallen.
Der § 6 a nimmt die Ortsdurchfahrten im Zuge von Reichsstraßen von den Bestimmungen dieses Gesetzes aus. Das Eigentum an den Ortsdurchfahrten ist vom Grundgesetz nicht erfaßt und landesrechtlich ganz verschieden geordnet, weil es sowohl auf den Durchgangsverkehr wie auf die Anlieger, auf die Gemeinden und ihre Versorgungsleitungen sowie auf ihre Kanäle Rücksicht nehmen muß. Infolgedessen ist auf die Regelung des Eigentums an den Ortsdurchfahrten in diesem Gesetzentwurf verzichtet worden.
Neu ist der Abs. 2, der die gesetzliche Grundlage für Zuschüsse und Darlehen des Bundes an die Träger der Straßen- und Brückenbaulast zum Bau und zur Unterhaltung von Ortsdurchfahrten, zum Bau und zur Wiederherstellung von Brücken und zum Umbau und Ausbau von Zubringerstraßen zu den Autobahnen im Interesse des Durchgangsverkehrs bildet. Diese Zuschüsse und Darlehen haben sich vor allem zur Beseitigung der Zerstörungen durch den Krieg als notwendig erwiesen. Die Voraussetzung für diese Zuschüsse und Darlehen sollen die unverhältnismäßige Höhe der Kosten, das Mißverhältnis zur Leistungskraft des Trägers der Straßenbaulast und die Beteiligung des Landes und der Straßenbaupflichtigen sein, um damit unbillige Anforderungen an den Bund auszuschließen. Der Bundeshaushalt sieht bereits für diese Aufgaben die benötigten Mittel vor.
Der § 7 dient entsprechend der Bestimmung im Gesetzentwurf über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen der Rechtssicherheit, indem er den Fortbestand dinglicher
Rechte an Grundstücken und sonstigen Sachen und Rechten vorsieht. Wie wiederholt hervorgehoben, könnte der Übergang des Eigentums an den bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen durch die Bestimmung des Grundgesetzes als originärer Rechtserwerb aufgefaßt werden, so daß der Fortbestand der dinglichen Rechte sich in Zweifel ziehen ließe. Diese Möglichkeit schließt der § 7 aus.
Wichtig ist nun das Folgende: Sowohl die Ausschüsse wie die Vertreter der Bundesregierung waren sich darüber einig, daß mit dem Übergang des Eigentums der Autobahnen und Reichsstraßen auf den Bund und mit der Aufrechterhaltung dinglicher Rechte die Geltendmachung der schuldrechtlichen Ansprüche, die mit den Rechtsverhältnissen an diesen Vermögensteilen zusammenhängen, nicht ausgeschlossen werden solle. Diese Feststellung erfolgt noch einmal gegenüber den Befürchtungen der Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen für Wertpapierbesitzer in Düsseldorf und des Verbandes der Lebensversicherungsunternehmen e. V. Diese schuldrechtlichen Verhältnisse sind in diesem Zusammenhang nicht geregelt worden, weil eine Ordnung in ihrer Gesamtheit und über den Bereich des Eigentums des Unternehmens Reichsautobahnen hinaus seitens des Bundesministeriums für Finanzen in Vorbereitung ist.
Die kleinen Änderungen in den §§ 8 und 9 entsprechen den Änderungen im Gesetzentwurf für die übrigen Vermögensmassen und sind ohne rechtliche Tragweite und zum Teil Richtigstellungen.
Schließlich darf der Berichterstatter noch hervorheben, daß die Bundesregierung nicht beabsichtigt, die Bundesautobahnen als selbständiges Unternehmen aufrechtzuerhalten, sondern daß sie den Plan verfolgt, sie in die Bundesstraßenverwaltung zu übernehmen und das Gesetz vom 27. Juni 1933 aufzuheben.
Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantrage ich deshalb, dem Gesetzentwurf in der dem Bericht anliegenden Fassung zuzustimmen und im § 6 Abs. 3, wie bereits hervorgehoben, in der zweiten Zeile von unten, wo es heißt „soweit sie nach Satz 1" usw. noch die ausgefallenen Worte „Abs. 2" einzufügen.