Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir stimmen ab über den Antrag Drucksache Nr. 1414. Ein Antrag auf Überweisung an einen Ausschuß ist nicht gestellt. Wer für die Annahme des Antrages auf Drucksache Nr. 1414 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Dann rufe ich auf Punkt 4 der Tagesordnung. Gemäß den Empfehlungen des Ältestenrates habe ich Ihnen vorzuschlagen, daß 4 a) bis i) zusammen begründet und behandelt werden:
a) Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Winterbeihilfe ;
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Degener, Pelster und Genossen betreffend Steuerfreiheit für Weihnachtsgratifikationen ;
c) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Freigrenze für Weihnachtsgratifikationen ;
d) Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ;
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Einmalige Weihnachtsbeihilfen ;
f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Änderung der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung ;
g) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Erhöhung der Fürsorgesätze ;
h) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Winterbeihilfe für Hauptunterstützungsempfänger ;
i) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verbilligung von Strom und Gas für Hauptunterstützungsempfänger .
Für die Begründung der Interpellation und der Anträge schlägt der Ältestenrat 15 Minuten vor, für die Aussprache 60 Minuten. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wer begründet die Interpellation und die Anträge? — Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Korspeter.
Frau Korspeter , Interpellantin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Landesbezirksvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes von Niedersachsen hatte den Niedersächsischen Landtag aufgefordert, rechtzeitig ein Gesetz über eine Winterbeihilfe zur Beschaffung von Winterfeuerung und Einkellerungskartoffeln für alle Erwerbslosen vorzulegen. Dieser Antrag wurde vom Landtag gebilligt und, da die Kompetenzen für die Bereitstellung von solchen Mitteln beim Bund liegen, dem Bundesrat als Gesetzentwurf zur Beschlußfassung zugeleitet. Ziel dieses Gesetzentwurfs sollte es sein, die Beschaffung von Winterfeuerung und -kartoffeln, die aus der laufenden Unterstützung nicht bezahlt werden können, für diesen Personenkreis sicherzustellen. Inzwischen hatten auch andere Länder, angeregt durch die Landesbezirksvorstände des Deutschen Gewerkschaftsbundes, darüber Beschlüsse herbeigeführt, so daß die ursprünglich niedersächsische Angelegenheit eine Sache des Bundes wurde.
Die zuständigen Fachausschüsse des Bundesrates hatten sich positiv zu dem niedersächsischen Gesetzentwurf eingestellt, und es wurde eigentlich von den Antragstellern erwartet, daß auch das Plenum des Bundesrates sich positiv zu diesem Gesetzentwurf entscheiden würde und ihn dringlich an die Bundesregierung weiterleiten würde. Bedauerlicherweise konnte sich der Bundesrat dazu nicht entschließen. Es wurde wohl von allen Seiten anerkannt, daß die Gewährung einer einheitlichen Winterbeihilfe im Bundesgebiet eine vordringliche Sache sei; es wurde auch der dringliche Wunsch geäußert, daß diese Beihilfe möglichst schnell ausgezahlt werden sollte. Trotzdem aber wollte sich der Bundesrat wegen der finanzpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern nicht durch eigene Anträge in eine taktisch schwierige Situation bringen, und deshalb wurde vom Bundesrat in seiner Mehrheit beschlossen, diesen Antrag nicht als Gesetz, sondern nur als Anregung an die Bundesregierung weiterzuleiten.
Weiterhin wurde auch auf Veranlassung von Niedersachsen die Bundesregierung durch den Bundesrat aufgefordert, für alle Fürsorgeempfänger, die ihre Unterstützung als Kriegsfolgehilfeempfänger erhalten, Mittel für eine Winterbeihilfe bereitzustellen, da der Bund nach einem gemeinsamen Erlaß des Bundesinnenministers und des Bundesfinanzministers vom 17. März 1950 75 % der Kosten unter der Voraussetzung übernimmt, daß die beiden Bundesminister vorher zugestimmt haben.
Die Sitzung des Bundesrates fand am 22. September 1950 statt. Aber ich gehe sicher nicht fehl, wenn ich annehme, daß es der Bundesregierung bekannt war, daß sich der Bundesrat und seine Ausschüsse bereits längere Zeit vorher mit der Notwendigkeit der Zahlung einer Winterbeihilfe beschäftigt hatten, und sie hätte eigentlich reichlich Zeit gehabt, sich mit diesem Problem zu beschäftigen, um wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Aufgabe möglichst schnell für eine positive Regelung zu sorgen. Angesichts der großen Not dieses Personenkreises, der auf eine Winterhilfe angewiesen ist, und auch angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit bedauern wir es sehr, daß sich der Bundesrat nicht entschließen konnte, die Gesetzesvorlage als seinen eigenen Initiativantrag an die Bundesregierung weiterzuleiten, und daß er sich nur mit einer Anregung begnügte.
Noch mehr, meine Herren und Damen, bedauern wir aber, daß sich das Kabinett so lange Zeit gelassen hat, bis es zu einem Entschluß kam, und zwar zu dem Erlaß vom 3. November 1950. Die Beratungen in den Ministerien scheinen in einem Schneckentempo vorangegangen zu sein, so daß wirklich in dem Kreis der davon Betroffenen, die auf einen Entscheid warteten, starke Beunruhigung hervorgerufen und in ihnen das Gefühl ausgelöst wurde, sich zu den Vergessenen der Bundesregierung zählen zu müssen, für deren Belange man keine Zeit hat. Eigentlich ist es ja auch unverständlich, daß die Regierung nicht von sich aus, und zwar früh genug, dafür gesorgt hat, daß eine Winterhilfe beschlossen wurde. Sehen Sie, meine Herren und Damen, nun haben wir die Verknappung der Hausbrandversorgung, und diese Menschen sind jetzt ganz besonders geschädigt, weil sie kein Geld hatten, auch nur ein Minimum an Vorsorge zu treffen, weil sie auf ihre Winterbeihilfe gewartet haben und nicht, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister gestern gesagt hat, keine Kohlen gekauft haben, weil sie kaufunlustig gewesen sind.
Ich glaube, in diesem Personenkreis wird die gestrige Äußerung des Herrn Bundeswirtschaftsministers geradezu als eine Verhöhnung seiner Situation empfunden.
Nun liegt der Erlaß vor, mit dem die Regierung die Winterbeihilfe regeln will. Ich muß Ihnen im Auftrage meiner Fraktion sagen, daß wir mit dieser Regelung nicht einverstanden sind. Hiernach sollen alle Fürsorgeempfänger, die ihre Unterstützung als Kriegsfolgenhilfeempfänger beziehen, und alle Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung eine Winterbeihilfe bis zu 15 Mark für den Hauptunterstützungsempfänger und fünf Mark für jeden Familienunterstützten erhalten, 'die vom Bund verrechnet werden. Als selbstverständliche Voraussetzung für die Berechnung gilt, daß die Bezirksfürsorgeverbände diese außerordentliche Beihilfe auch allen übrigen Hilfsbedürftigen, die nicht aus dem Kreise der Kriegsfolgenhilfeempfänger kommen, gewähren. Für die Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung soll die obige Regelung auch dann gelten, wenn sie nicht zum Kreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger gehören. Wir nehmen an, daß die gleiche Regelung
auch für Empfänger von Arbeitslosenunterstützung gelten soll, sofern sie im Einkommen den AlfuEmpfängern gleichgestellt sind. Das begrüßen wir, weil diese Winterbeihilfe zu den gesetzlichen Maßnahmen tritt, die der besonderen Winternot steuern sollen, aber bei den besonderen Verhältnissen dieses Jahres nicht ausreichen.
Meine Herren und Damen, wir sind der Ansicht, daß die von der Bundesregierung erlassene Regelung von 15 und 5 Mark nicht genügt. Dazu ist das Mißverhältnis zwischen den niedrigen Unterstützungssätzen und den erhöhten Preisen viel zu groß.
Dieser Beschluß wird den Erfordernissen in keiner Weise gerecht.
Danach müßten die von diesem Erlaß Betroffenen entweder zwischen einer kalten Stube und Kartoffeln oder einem warmen Ofen und einem leeren Teller wählen. Eine andere Wahl bliebe ihnen nicht. All die Millionen Unterstützungsempfänger und Rentner werden mit ihren niedrigen Unterstützungssätzen am härtesten durch die Teuerung betroffen. Denken Sie daran, daß 70 % aller Selbstmorde aus sozialer Not geschehen. Das ist für uns alle eine große Verantwortung. Und denken Sie daran, meine Herren und Damen, daß wir bald Weihnachten feiern und daß in jeder Familie der Versuch gemacht wird, von dieser Winterbeihilfe, die in erster Linie zur Sicherung des Hausbrandes und der Kartoffeln verwandt werden soll, etwas abzusparen, um die Weihnachtstage etwas festlich zu gestalten.
Um es diesem Personenkreis der Allerärmsten zu ermöglichen, über die Advents- und Weihnachtsfeiertage nicht hungern und frieren zu müssen, fordern wir in unserem Antrag, der Ihnen in der Drucksache Nr. 1586 vorliegt, daß nicht 15 und 5 Mark, sondern 25 und 10 Mark gezahlt werden.
Sie haben vor einigen Wochen unserem Antrag auf Erhöhung der Renten- und Unterstützungssätze nicht zugestimmt. Sie haben es noch nicht einmal für nötig gefunden, diesen Antrag in den zuständigen Ausschuß zu überweisen,
eine Maßnahme, die von keinem der Betroffenen verstanden wurde und die in ihnen das bittere Gefühl ausgelöst hat, daß für sie kein Geld vorhanden ist. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal sagen, wie sehr wir die damalige Behandlung unseres Antrags bedauern. Wir meinen, daß wir dadurch doppelt verpflichtet wären, für eine einigermaßen erträgliche Regelung in der Winterbeihilfe zu sorgen. Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang betonen, daß eine Winterbeihilfe den Anspruch auf eine laufende Erhöhung der Renten- und Fürsorgesätze keineswegs und unter gar keinen Umständen ersetzt.
Wir sind auch der Ansicht, daß wir hinsichtlich der Gewährung und Verrechnung der' Winterbeihilfe dieselbe Regelung für Berlin in Anwendung bringen sollen, so wie es unser Antrag fordert. Wir haben politisch und menschlich alle Ursache, Berlin und den Berlinern immer wieder, wie es bereits im Kriegsopferversorgungsgesetz geschehen ist, unsere Solidarität zu beweisen.
Ich bin davon überzeugt, meine Herren und Damen, daß insbesondere der Herr Finanzminister mit dem Gegenargument kommen wird, daß für die von uns vorgeschlagene Regelung kein Geld vorhanden sei. Ich glaube, dazu wäre sehr viel zu sagen. Dagegen wäre vor allen Dingen aber einzuwenden, daß bei dem Luxuskonsum eines gewissen Kreises unserer Bevölkerung und bei dem Luxusaufwand, der sich trotz seiner Gespenstigkeit in den Straßen und Stätten der Unterhaltung und des Vergnügens breit macht, die Betroffenen von der Richtigkeit einer solchen Begründung nicht zu überzeugen sind,
dies um so weniger, wenn diese Menschen, denen Kohlen und Kartoffeln fehlen, davon hören, daß nach einer Berechnung des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften und auch nach amtlichen Angaben 4 1/2 bis 5 Milliarden an hinterzogenen Steuern in Selbstfinanzierung der Wirtschaft zugeflossen sind.
Wer das als verantwortlicher Politiker sieht und nicht an die äußerste Grenze der möglichen Belastung geht, um der Massennot in unserem Volke zu begegnen, der setzt sich in Widerspruch zu der wichtigsten staatsmännischen Aufgabe, nämlich Obacht zu geben, daß der Staat und die Demokratie keinen irreparablen Schaden nehmen. Die Regierung ist offenbar bereit, mit Soldaten die Bundesrepublik zu schützen. Denken Sie daran, meine Herren und Damen, daß in unserer Lage ein gesundes soziales Fundament unserer Bundesrepublik für die deutsche Sicherheit mehr wert ist als viele Divisionen!
Da die Auszahlung der Winterbeihilfe nicht noch weiter verzögert werden kann — sie ist durch die langsame Behandlung in der Bundesregierung schon viel zu sehr verzögert worden —, beantragen wir, daß über unseren Antrag heute abgestimmt wird. Wir wünschen es nicht, daß dieser Antrag noch erst wieder dem zuständigen Ausschuß überwiesen wird, weil wir der Ansicht sind, daß dann die Auszahlung der Winterbeihilfe noch weiter verzögert wird. Wir bitten, diesem unserm Antrag Ihre Zustimmung zu geben.