Rede von
Dr.
Franz
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(WAV)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der letzten Debatte über die Frage der Remilitarisierung Deutschlands ist auch ein Vertreter zu Worte gekommen, der wohl mehr ausländische Interessen vertritt, nämlich dänische, und der hier über die Offiziere der alten deutschen Reichswehr, also des Heeres des Weimarer Staates, sich Äußerungen erlaubt hat, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.
Er sagte nämlich — —
— Das mache ich, wie ich will. Ich brauche Ihren Auftrag dazu nicht, Herr Mayer!
Er hat diese Männer, die ja letzten Endes im Dienst des Staates ihre Pflicht taten, Reaktionäre genannt, und ich glaube, daß diejenigen, die. heute in kleinlichem Nationalismus machen wie gerade diese dänischen Separatisten oben in Südschleswig, wohl viel eher als Reaktionäre zu bezeichnen wären.
Es wird in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die durchaus berechtigten Forderungen der ehemaligen berufsmäßigen Wehrmachtsangehörigen auch sehr leicht ein falscher Eindruck erweckt, und ich glaube, in diesem Punkte dem Kollegen Schoettle widersprechen zu müssen, der heute morgen gesagt hat, daß die Notgemeinschaft so eine Art Gewerkschaft gebildet habe und daß sie mit Forderungen auftrete. Ich meine vielmehr: sie hat ein Recht, ja sie hat sogar eine Pflicht, mit ihren Forderungen zu kommen.
Man darf sich nicht darüber im unklaren sein, daß
von dieser Notgemeinschaft im wesentlichen, nämlich zu 60 %, Unteroffiziere vertreten werden, zu
3686 Deutscher Bundestag - 100, Sitzung Bonn, Freitag, den 10. November 1950
13% Offiziere, zu 8% Wehrmachtsbeamte, und der Rest besteht aus Witwen und Waisen, denen gegenüber selbstverständlich Pflichten bestehen.
Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, welche großen Opfer im Kriege und in der Nachkriegszeit gerade das Unteroffizierkorps gebracht hat. Denken wir doch daran, daß, wenn auch heute nur einige wenige Namen im deutschen Volke allgemein bekannt sind — die Namen jener militärischen Führer von einst, die in Schauprozessen zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt worden sind —, allein über 200 Unteroffiziere nur deswegen heute hinter Gefängnismauern sitzen, weil sie nichts anderes getan haben als das, was man von jedem Soldaten letzten Endes verlangen kann, nämlich einen Befehl auszuführen, und ich möchte wissen, was mit einem amerikanischen Soldaten passiert wäre, der einen Befehl etwa in Korea nicht ausgeführt hätte mit der Bemerkung: Der widerspricht meinem Gewissen, oder was weiß ich, wem das sonst widersprechen könnte.
Das hätten Sie viel früher rufen müssen! Mit dieser Bemerkung kommen Sie reichlich spät.
Wenn man nun hier vor einigen Tagen so sehr stark die Trommel für die Remilitarisierung rührte, dann darf man eines nicht vergessen, worauf kürzlich auch einmal eine süddeutsche Zeitung hinwies, die nämlich erklärte: Hitler hat zwei Jahre nach Übernahme der Kanzlerschaft die Remilitarisierungstrommel gerührt und mit denselben Bemerkungen für die Remilitarisierung geworben wie heute der Bundeskanzler, nämlich: Si vis pacem, para bellum.