Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Ich möchte Sie beinahe beim Wort nehmen, Herr Präsident!
„Die separaten Beschlüsse der New-Yorker Außenministerkonferenz der drei Westmächte vom 19. September 1950 bedeuten eine tödliche Gefahr für das Leben und für den Frieden des deutschen Volkes.
Diese Beschlüsse sind ein entscheidender Schritt auf dem Wege zur Auslösung des amerikanischen Angriffskrieges, der sich gegen die Sowjetunion, gegen die Länder der Volksdemokratien und die Deutsche Demokratische Republik richtet.
Die New-Yorker Beschlüsse stellen ein einseitiges Diktat dar, das jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt und den internationalen Verträgen, insbesondere dem Potsdamer Abkommen, widerspricht. Die Beschlüsse der New-Yorker Außenministerkonferenz stehen in tiefstem Widerspruch zu den Interessen des deutschen Volkes, das sich nach Frieden und nationaler Einheit sehnt. Noch leidet unser Volk auf das schwerste unter den Folgen des vergangenen Krieges. Millionen Tote, Kriegsversehrte, Witwen und Waisen
mahnen unser Volk zum Frieden. Zerstörte Städte und Betriebe sind eine Anklage
gegen alle, die unser Volk in ein neues, noch größeres Unglück stürzen wollen. Unter Bruch der gemeinsam eingegangenen Verpflichtungen von Potsdam, die die Errichtung eines einigen, friedlichen, demokratischen Deutschlands vorsehen, verweigern die New-Yorker Beschlüsse fünf Jahre nach Kriegsende Deutschland einen Friedensvertrag und die Wiederherstellung seiner nationalen Einheit.
Die Westmächte beschlossen in New York die Verstärkung der Besatzungstruppen, den Aufbau einer westdeutschen Söldnerarmee und die Nutzbarmachung der westdeutschen Wirtschaft für die Kriegsproduktion des Atlantikblocks. Unter der heuchlerischen Losung einer angeblichen Beendigung des Kriegszustandes mit Westdeutschland werden das Besatzungsstatut und Ruhrstatut aufrechterhalten und dem deutschen Volk das elementare Recht auf Selbstbestimmung verweigert. Darüber hinaus erhöht der Beschluß der New-Yorker Außenministerkonferenz auf Anerkennung der Vorkriegsschulden die koloniale Abhängigkeit Westdeutschlands.
Das deutsche Volk lehnt entschieden eine neue Remilitarisierung ab.
Das trifft auch zu auf den Beschluß über die Aufstellung „mobiler Polizeikräfte" in Westdeutschland, die gleichfalls unter dem höchsten Kommando
ausländischer imperialistischer Generale stehen
und nichts anderes darstellen als den Kern einer
zu bildenden westdeutschen Söldnerarmee. Die
deutsche Beteiligung an einer sogenannten internationalen Streitmacht mutet Millionen junger
Deutscher das erbärmliche Schicksal von Söldnern
zu, die ihr Leben und Blut für ausländische Monopolherren und Kanonenkönige opfern sollen.
Schon jetzt sind die Folgen der New-Yorker
Außenministerkonferenz deutlich für die westdeutsche Bevölkerung spürbar. Die faschistischen
Hauptkriegsverbrecher vertauschen ihre Gefängniszellen mit wohlbezahlten Posten in Dienststellen
der Besatzungsarmeen, in Wirtschaft und Verwaltung. Die Kosten für die neuen ausländischen Besatzungsdivisionen, für den Bau von Kasernen, Flugplätzen und anderen militärischen Anlagen bezahlt die Bevölkerung mit erhöhten Steuern und Preisen, mit Exmittierung und Obdachlosigkeit. Statt Lastenausgleich für die Betroffenen des vergangenen Krieges erhöhte Lasten für die Vorbereitung des neuen Krieges!
Im Zuge der Kriegsvorbereitungen auf dem Boden Westdeutschlands werden die demokratischen Rechte mißachtet. Die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Kommunisten leiteten die Verfolgung aller demokratischen und friedliebenden Menschen in Westdeutschland ein.
Im Bewußtsein ihrer Verantwortung vor dem deutschen Volk erklärt die Bundestagsfraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands, daß sie die ungesetzlichen New-Yorker Separatbeschlüsse nicht anerkennt; daß sie niemals einer Politik auf der Grundlage der New-Yorker Beschlüsse zustimmen wird, da die Durchführung dieser Beschlüsse einen neuen, grauenvollen Krieg heraufbeschwören muß und idas Leben unseres Volkes auf das schwerste bedroht.
Angesichts der erhöhten Kriegsgefahr, wie sie durch die New-Yorker Beschlüsse geschaffen wurde, ist die Erklärung der Außenminister der Sowjetunion, Albaniens, Bulgariens, der Tschechoslowakei, Polens, Rumäniens, Ungarns und der Deutschen Demokratischen Republik
von größter Bedeutung für die Zukunft des deutschen Volkes. Die Prager Erklärung vom 21. Oktober 1950 gibt dem ganzen deutschen Volke die Möglichkeit zu einem eigenen, selbständigen Handeln. In dieser Erklärung wird dem deutschen Volk der Weg geebnet für die friedliche Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland, auf der Grundlage eines einheitlichen, unabhängigen Staates mit einer gesamtdeutschen Regierung.
Die Prager Außenministerkonferenz unterbreitet dem deutschen Volk vier Vorschläge, die ein überzeugender Beweis des unbeirrbaren Friedenswillens der Sowjetunion, der Volksdemokratien und der Deutschen Demokratischen Republik sind. Die Verwirklichung dieser Vorschläge ist die einzige Möglichkeit, den Frieden in Europa zu erhalten und dem deutschen Volke seine Zukunft als unabhängige Nation zu sichern.
Die Feinde des Friedens, die Feinde des deutschen Volkes haben ein Interesse daran, die vier Vorschläge der Prager Außenministerkonferenz totzuschweigen oder sie zu entstellen. Um so mehr ist jeder ehrliche, sein Vaterland liebende Deutsche,
ungeachtet seines religiösen Bekenntnisses, seiner Weltanschauung, seiner sozialen Stellung und seiner Parteizugehörigkeit verpflichtet, sich mit den Prager Beschlüssen auseinanderzusetzen und zu ihnen Stellung zu nehmen.
Wir sind sicher, daß jeder ehrliche Deutsche, der die Prager Beschlüsse ernsthaft prüft,
sie begrüßen wird, da sie das Deutschlandproblem auf friedliche Weise lösen und somit den größten Gefahrenherd in Europa beseitigen.
Im Geiste des Potsdamer Abkommens,
das von den Großmächten unterzeichnet wurde, machten die Außenminister in Prag den Vorschlag zur Bildung eines gesamtdeutschen konstituierenden Rates unter paritätischer Zusammensetzung aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands,
der die Bildung einer gesamtdeutschen, souveränen, demokratischen und friedliebenden provisorischen Regierung vorzubereiten hat. Die provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat sich bereits für diesen Vorschlag ausgesprochen
und durch den stellvertretenden Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik Walter Ulbricht erklärt,
daß sie bereit ist, ohne Vorbehalte mit Vertretern Westdeutschlands in Beratungen einzutreten, wobei von beiden Seiten im Interesse der Verständigung eine Kompromißbereitschaft vorhanden sein müßte.
Diese Haltung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik
entspricht in vollem Umfange den Forderungen
des deutschen Volkes nach einer friedlichen Lösung
seiner Lebensfragen.
Das deutsche Volk fordert mit vollem Recht, daß seine Vertreter im öffentlichen Leben den durch. die Prager Erklärung aufgezeigten Weg der Verständigung beschreiten und sofort alle erforderlichen Maßnahmen einleiten, um zur unverzüglichen Aufnahme von Verhandlungen zu kommen. Es fordert, daß die Vertreter von Ost- und Westdeutschland sich endlich an einen Tisch setzen, um die tödliche Gefahr, die über unserer Heimat schwebt, abzuwenden und dem deutschen Volk den Frieden zu erhalten.
Die sofortige Aufnahme von Verhandlungen zwischen Vertretern Ost- und Westdeutschlands ist um so notwendiger, als auch im internationalen Maßstabe bereits Schritte eingeleitet wurden, um eine Verständigung der vier Großmächte auf der Grundlage dieser Friedensvorschläge zu erzielen.
Jeder verantwortungsbewußte Deutsche muß sich entscheiden und für den einfachen, gangbaren Weg der Erhaltung des Friedens und der Wiedervereinigung Deutschlands, den die Prager Beschlüsse eröffnen, eintreten."