Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte glauben, daß der Bundestag sich den Nobelpreis für Toleranz, wenn es einen solchen gäbe, heute verdient hat, indem er bei dieser Debatte den Exponenten und Funktionär einer Weltmacht reden ließ, gegen die sich ja doch die heutige Debatte richtet. Derartiges ist eben nur in einem wirklich so übertoleranten Lande, wie es die Westzone heute ist, möglich. Daß man es ungestört tun kann, hat man heute wieder erlebt.
Ich für meine Person und für meine Fraktion habe der erschöpfenden Debatte nur noch wenig hinzuzufügen. Daß bezüglich der Polizei das Grundgesetz nicht den Anforderungen entspricht, die die heutige gesamteuropäische, ja die Erdballsituation an uns stellt, darüber dürften wir uns alle einig sein. Ob es allerdings angesichts der Grundsatzhaltung unseres Parlaments, wenn irgend möglich nicht gleich in den Anlaufsjahren an dem wohlerwogenen Grundgesetz herumzudoktern, richtig ist, dieser Situation durch eine Verfassungsänderung Rechnung zu tragen, ist meiner Fraktion zweifelhaft. Geht es auf anderem Wege, dann ist der andere Weg vorzuziehen.
Was die Ausführung des Art. 91 anlangt, so ist die Garantie der Ausführbarkeit besser gegeben, wenn alles mit den Ländern vorher abgesprochen ist, als wenn der Bund eines schönen Tages zu kommandieren anfangen wollte. Deswegen sollte das Parlament nach unserer Meinung den Weg der Regierung, durch Absprachen und Verträge mit den Ländern das, was in der Tat unbedingt zu regeln ist, nicht stören, sondern begrüßen.
Wir begrüßen es auch grundsätzlich, wenn heute im Gegensatz zu dem Gerede in der breiten Öffentlichkeit klargestellt worden ist, daß die Aufstellung einer Bundespolizei oder der Wunsch des Bundes, auf die Polizei Einfluß zu gewinnen, mit der Frage
der „Remilitarisierung" unmittelbar gar nichts zu tun hat, sondern daß es sich um zwei ganz verschiedene Dinge handelt. Wenn aber in der Offentlichkeit der Irrtum entstehen konnte, als ob eine Polizeimacht im Bunde irgend etwas mit Militär zu tun habe, so liegt das doch ganz offenbar daran, daß die aufzustellende oder zu organisierende Polizeimacht im schlimmsten Fall dazu bestimmt ist, einer Polizeimacht des Ostens zu begegnen. Was das dann für ein krieg werden würde, wenn unglücklicherweise so etwas eintritt, ob das ein Bürgerkrieg oder ein sonstiger Krieg ist, wage ich nicht zu entscheiden. Es wird jedenfalls, wenn es dazu kommt, eine Art Koreakrieg; man wird ja auch dort nicht daraus klug, um was für einen Krieg es sich eigentlich handelt. Jedenfalls wird es ein Krieg sein, der mit Waffen geführt wird, die auch das Militär gebraucht. Das macht natürlich jedem Menschen, der sein Vaterland lieb hat, Sorge; denn an sich — darin geben wir dem Sprecher der SDP völlig recht — ist es nicht Sache einer normalen Polizei, schwere Militärwaffen zu führen, sondern die normale Funktion der Polizei hat Herr Dr. Menzel klar und richtig herausgestellt. Aber in unnormalen Zeiten wird wohl auch einmal die Polizei, wenn sie ihrer Funktion genügen will, unnormale Waffen führen müssen.
Wir sind daher skeptisch, ob durch eine Verfassungsänderung das erreicht werden kann, was wir zum Schutze unserer Gemeinschaft dringend benötigen. So erfrischend und die Debatte auf das richtige Geleise führend auch die Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Dr. Becker waren, so sehr müssen wir doch bedenken, daß wir in unserer mühsam aufgerichteten westdeutschen Republik vielleicht mehr Porzellan zerschlagen, als nötig ist, wenn wir mit allzu radikalen Mitteln die Notwendigkeit der Stunde zu erfüllen versuchen. Ich beantrage jedenfalls, den Antrag des Herrn Dr. Bekker und seiner Fraktion ebenfalls den Ausschüssen zu überweisen, die Herr Dr. Laforet schon vorgeschlagen hat.
Was den Beirat anlangt, so bin ich der Ansicht, daß ein Beirat in dem Sinne einer kommunalen Tätigkeit auf der Bundesebene verfassungswidrig wäre. Ich bin auch der Meinung, daß, wenn es sich um polizeilichen Einsatz handelt, nicht lange parlamentiert, sondern gehandelt werden sollte, daß jedenfalls in dem Augenblick, in dem die Polizei zu einer Aktion kommen sollte, unmöglich der Beirat zu Rate gezogen werden könnte. Ob man statt dessen einen Unterausschuß des Ausschusses für Inneres nehmen soll, der sich mit Polizeifragen befaßt, lasse ich dahingestellt, und ich stelle es anheim. Wir meinen, daß auf der Länder- oder besser noch auf der Kommunalebene solche Fragen geregelt werden müssen, bei denen es sich darum handelt, wie sich der Idealpolizeibeamte im Verkehr und dem Publikum gegenüber zu benehmen hat, nämlich nicht als Unteroffizier auf dem Kasernenhof, sondern als Freund und Berater der Schwachen und Schutzbedürftigen. Dieser Hinweis vom demokratischen Standpunkt wird doch auf der Bundesebene, wie ich meine, kaum je eine Rolle spielen, so daß ein Beirat nicht nötig ist.
Alles in allem sind wir froh, daß es heute diese Debatte gegeben hat, die in der Öffentlichkeit weitgehend klärend wirken kann, und wir möchten wünschen, daß alle sehr weitreichenden Absichten unserer Regierung auf dem Wege, den sie zur Zeit beschreitet, zu einem guten Ende geführt werden können. Das gute Ende kann nur sein, daß sich dieser Bund in seiner Spitze mit Hilfsmitteln umgibt, die es jedermann ganz und gar ungeraten erscheinen lassen, sich gegen die gesetzmäßige Regierung zu wenden und ihr unnötige revolutionäre Schwierigkeiten zu bereiten. Die Polizei hat in diesem Sinne eine sehr wichtige Funktion, die Funktion der Abschreckung, und ich möchte hoffen und wünschen, daß diese Funktion allein schon ausreicht, um alle die Gefahren zu beschwören, denen wir heute ins Auge sehen müssen.