Rede von
Richard
Stücklen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Minister Veit gesagt hat, daß dieser Gesetzentwurf ein Seitensprung aus der sozialen Marktwirtschaft sei, so, glaube ich, liegt doch ein kleiner Irrtum vor; denn wir kehren nicht mehr zur absoluten Gewerbefreiheit von 1860 und zur plan- und zwangswirtschaftlichen Gesetzgebung des nationalsozialistischen Reiches zurück. So glaube ich, daß wir uns auf der Mitte bewegen, die man als die soziale Marktwirtschaft bezeichnen könnte.
— Es könnte noch mehr versucht werden; dazu haben wir im Ausschuß reichlich Gelegenheit, Herr Kollege Baur.
Infolge der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und wegen der unterschiedlichen weltanschaulichen und wirtschaftspolitischen Auffassung der einzelnen Besatzungsmächte war eine verschiedenartige Gesetzgebung in Wirtschaft und Verwaltung schlechterdings notwendig. So war es ein „unzweifelhafter" oder ein zweifelhafter Erfolg der amerikanischen Gesetzgebung, im US-Gebiet die absolute Gewerbefreiheit in einer Zeit einzuführen, in der die wirtschaftliche Konzentration notwendig gewesen wäre und nicht die Zersplitterung.
Der dem Hohen Hause von den Regierungsparteien vorgelegte Gesetzentwurf über die Neuordnung der Handwerksordnung bringt alle Voraussetzungen zu einer gemeinsamen Regelung und — wie die Ausführungen von der Sozialdemokratischen Partei bis hinüber zur Rechten gezeigt haben — einmütigen Auffassung mit sich.
Besonders möchte ich hervorheben, daß durch dieses Gesetz ein frischer Wind weht, daß vor allen Dingen die Sperrvorschriften und Sperrmaßnahmen, die Zwangszulassungen und die Prüfung der Bedürfnisfrage in diesem Gesetz nicht mehr verankert sind und damit jedem einzelnen, der die fachlichen Voraussetzungen, wie den großen Befähigungsnachweis, die Meisterprüfung, erfüllt, die Möglichkeit gegeben wird, sein Gewerbe auszuüben, wo immer er will.
Wenn die Kommunistische Partei dieses Gesetz als nicht genügend demokratisch bezeichnet, so möchte ich sagen, daß eben nicht alle Gesetze volks demokratisch sein können. Wir sind schon mit der demokratischen Gesetzgebung einverstanden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß dieses neue Gesetz dem Handwerk besonders in der US-Zone die Gewißheit gibt, daß auch den ausbeuterischen Methoden gewisser Geschäftsleute Einhalt geboten wird.
Wenn Herr Professor Nölting — er ist jetzt nicht da — in einer der letzten Ausschußsitzungen gesagt hat, daß das enge Vertrauensverhältnis von Geselle und Lehrling zum Meister gerade im Handwerksberuf mittelalterlich grausam und patriarchalisch sei und ein Hinweis darauf ein Verharren in einer Art Butzenscheibenromantik darstelle, so möchte ich doch sagen, daß gerade die Aufnahme der Vorschrift über die Stellung und Mitbestimmung der Gesellen in der Handwerkskammer doch ein Zeichen dafür ist, wie fortschrittlich dieses Gesetz ist. Wenn der Bundesvorstand der Gewerkschaften zum großen Befähigungsnachweis und gerade zur Heranziehung der Gesellen in der Handwerkskammer seine Zustimmung gegeben hat, so glaube ich, daß auch wir darüber einig werden. Wenn nach erfolgreicher Verabschiedung des Gesetzes die Grundlagen für das Handwerk geschaffen sind, dann glaube ich, ist auch ein Teil einer Demontage, und zwar der geistigen Demontage des Handwerks, abgeschlossen.