Rede:
ID0109311000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Dr.: 1
    8. Etzel: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950 3439 93. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950. Nachruf auf den verstorbenen Abgeordneten Krause 3440A Geschäftliche Mitteilungen 3440B Eintritt des Abg. Rahn in die Gruppe der WAV als Hospitant 3440C Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages 3440C Kunze (CDU) 3440C Amtsübernahme und Ansprache des Präsidenten Dr. Ehlers 3441B Dank des Bundestags für die Amtsführung des Vizepräsidenten Dr. Schmid: Dr. von Brentano (CDU) 3441D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 1333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) (Nr. 1466, zu Nr 1466 der Drucksachen) 3442A Pohle (SPD), Berichterstatter . . 3442A Bazille (SPD): zur Geschäftsordnung 3445B zur Sache 3449B Kohl (Stuttgart) (KPD) 3445D 3446B, 3447A, D, 3448A, D, 3450B, 3454A Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3446D Volkholz (BP) 3447B, 3448B, C, 3449B, 3451A Lücke (CDU) 3449C, 3453B Frau Arnold (Z) 3449D, 3454C Storch, Bundesminister für Arbeit . 3449D Arndgen (CDU) 3450A Mende (FDP) 3450C, 3451B Frau Kalinke (DP) 3450C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3451C Leddin (SPD) 3452D, 3453A Dr. Seelos (BP) 3454B Frau Schroeder (Berlin) 3454D Erste Beratung des Entwurfs eines Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Nr. 1342 der Drucksachen) 3455B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . 3455B Vesper (KPD) 3456C Rademacher (FDP) 3457B Jahn (SPD) 3457B Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes (Nr. 1341 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) (Nr. 1275 der Drucksachen) 3457B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3457C Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern 3467B Rümmele (CDU) 3470B Jahn (SPD) 3472D Rademacher (FDP) 3474C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3476B Pannenbecker (Z) 3478A Loritz (WAV) 3478B Ahrens (DP) 3479C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (Nr. 1343 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Güterkraftverkehr (Güterkraftverkehrsgesetz) (Nr. 1344 der Drucksachen) 3480B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3480C Rademacher (FDP) 3488B Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern . . 3488B, C Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungssteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungssteuersätzen (Nr. 1214 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1420 der Drucksachen) 3490C Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 3490C Antrag der Fraktion der KPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Abgeltung der Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden (Nr. 1431 der Drucksachen) . . . 3490C Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3490D Dr. Pfleiderer (FDP) 3491A Walter (DP) - 3491C Antrag der Fraktion der KPD betr. Widerrechtliche Beschlagnahme des Hauses des Parteivorstandes der KPD in Düsseldorf (Nr. 1432 der Drucksachen) 3491D Frau Thiele (KPD), Antragstellerin 3491D Antrag der Fraktion der KPD betr. Geplante Erhöhung der Beitragszahlungen an die Krankenkassen (Nr. 1435 der Drucksachen) 3492B Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3492B Antrag der Fraktion der KPD betr. Senkung der Tabaksteuer (Nr. 1436 der Drucksachen) 3492D Vesper (KPD), Antragsteller . . . 3492D Nächste Sitzung 3493C Die Sitzung wird um 9 Uhr 49 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Willy Max Rademacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Herr Minister Renner hat es für notwendig befunden, in seinen Ausführungen auf die Kritik hinzuweisen, die in der Öffentlichkeit entstanden ist, .daß nun für diese wichtige legislative Maßnahme zwei Gesetze vorliegen. Ich will auf die Berechtigung der Kritik nicht eingehen, nur möchte ich ebenfalls sagen: es ist tief bedauerlich, daß es nicht möglich war, in Vorverhandlungen eine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf herbeizuführen.
    In einem Punkt aber halte ich die Kritik nicht für gerechtfertigt; denn zur Verwirklichung eines Bundesbahngesetzes mußten gewisse Voraussetzungen geschaffen werden. Eine der Voraussetzungen ist zweifelsohne die Verabschiedung des Vermögensgesetzes, das die Zusammenfassung des zerrissenen Gebildes der Eisenbahn bringen soll, nämlich der Bahnen des ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Südwestdeutschen Eisenbahnen. Eine zweite Voraussetzung ist das Allgemeine Eisenbahngesetz, das wir heute in erster Lesung verabschiedet haben. Beide Gesetze werden so schnell wie möglich im Plenum wieder erscheinen. Damit ist eigentlich der Weg für den Aufbau des Bundesbahngesetzes erst freigegeben.
    Nach Ansicht meiner Fraktion ist für die ganze Gestaltung des Gesetzes der Art. 87 des Grundgesetzes bindend, nach welchem die Bundesbahn in bundeseigener Verwaltung mit einem eigenen Verwaltungsunterbau geführt wird. Es sind gewisse Zweifel aufgetaucht, ob nach den Bestimmungen ides Art. 110 GG die Bundesbahn überhaupt als Sondervermögen geführt werden darf. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß bei der Verabschiedung des Art. 110 im Parlamentarischen Rat ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß die traditionellen Sondervermögen des Bundes von diesem Artikel ausgenommen bleiben sollen. Das sind eben das Sondervermögen der


    (Rademacher)

    Post und das Sondervermögen der Bundesbahn. Daher die richtige Begründung, die im wesentlichen in ,den §§ 1 bis 3 des Regierungsentwurfs und auch des Bundesratsentwurfs enthalten ist.
    Meine Damen und Herren! Die strittigen Punkte sind von meinen Vorrednern alle auf gezeigt worden: die Stellung des Direktoriums oder der Leitung, die Stellung des Verwaltungsrates und — was, das glaube ich sagen zu müssen, hier in den Debatten die stärkste Beachtung gefunden hat — die Stellung und die Rechte des Bundesverkehrsministers. Der Gedanke des Bundesverkehrsministers, ein Kollegium zu schaffen, in dem ein Jurist, ein Kaufmann und ein Techniker auftreten, ist selbstverständlich verlockend. Aber ich glaube, diese drei Kategorien, insbesondere der Techniker und der Jurist, sind doch in der Hauptverwaltung der Bundesbahn, wie wir sie heute haben, auf Grund der Entwicklung tatsächlich schon vorhanden. So glaube ich bei aller Vorsicht in einer endgültigen Stellungnahme zu diesen Problemen doch im Namen meiner Fraktion erklären zu müssen, daß wir sehr stark der Auffassung anhängen, dem Präsidialsystem gegenüber dem Kollegialsystem den Vorzug zu geben.
    Der Verwaltungsrat ist mit 29 Männern oder Frauen zweifelsohne zu groß. Ich weiß nicht, ob bei dem Entwurf der Bundesregierung vielleicht — und das kann man verstehen — der Gedanke eine Rolle gespielt hat, durch die Hereinnahme der 12 Länder am ehesten den Widerstand auf der Seite des Bundesrates zu überwinden. Aber ich glaube, das darf für die endgültige Formulierung des Gesetzes nicht ausreichend sein. Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates muß verringert werden. Vielleicht kann man sich — es ist eine Angelegenheit des Ausschusses, die Dinge noch einmal eingehend zu untersuchen — mit dem Ausweg helfen, entsprechend den Erfahrungen der Vergangenheit neben einem kleinen schlagfertigen Verwaltungsrat das System der Eisenbahnbeiräte wieder einzuführen, und zwar einen Eisenbahnbeirat in jedem Land und noch einmal, zentral zusammengefaßt, auf der Bundesebene. Es ist hier gesagt worden, die Vertreter der Länder würden an keine Aufträge gebunden sein, sie würden weder aus den Parlamenten noch aus der Regierung kommen. Ja, meine Damen und Herren, wahrscheinlich aber werden sie aus der Verwaltung kommen! Ob das für die großen und bedeutsamen Entscheidungen und für die Aktionsfähigkeit das Richtige ist, das möchte meine Fraktion stark bezweifeln.
    Ein Bedenken möchte ich im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrat auch anmelden. Es scheint mir sowohl in dem Gesetzentwurf des Bundesrats als auch in dem der Regierung ein großer Fehler zu sein, die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsrates nach zwei Jahren abzulösen. Hier müssen wir eine Kontinuierlichkeit in der Arbeit schaffen, so daß etwa alle zwei Jahre, drei oder vier Jahre — je nach der Größe des gesamten Verwaltungsrates — ein Teil der Mitglieder ausscheidet.
    Die Hauptkritik — ich sagte es schon — richtet sich gegen die Stellung des Bundesverkehrsministers, Ich kann hier im einzelnen auf die Rechte des Ministers, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht, nicht eingehen. Sie sind in den §§ 7 und 8 und dann in dem Genehmigungs-Katalog des § 14 verankert. Der sympatischste aller dieser Paragraphen ist mir der § 15. Er scheint mir der Paragraph zu sein, auf den wir unser ganzes Augen-
    merk lenken sollten. Er enthält das Einspruchsrecht des Ministers. Damit wären eine ganze Reihe von Bedenken aus der Welt zu schaffen. Denn es darf unter gar keinen Umständen bei dem Aufbau des Bundesbahngesetzes und der Bundesbahn dazu kommen, daß etwa neben dem Verwaltungsapparat innerhalb der Bundesbahn selbst insbesondere der Hauptverwaltung, nun aus diesem langen Katalog der Rechte des Ministers sich innerhalb des Bundesverkehrsministeriums nochmals eine zweite Hauptverwaltung der Bundesbahn aufbaut.
    Darum kritisiert auch meine Fraktion diese nach unserer Auffassung etwas überspitzte Stellung des Herrn Bundesverkehrsministers ausschließlich aus dem Grunde, um das zu verwirklichen, was der Herr Bundesverkehrsminister heute morgen bei der Verabschiedung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes selbst gesagt hat. Da verwies er auf den § 8 und sagte mit sehr viel Genugtuung, daß hier zum erstenmal die koordinierende Aufgabe des Bundesverkehrsministers innerhalb des gesamten deutschen Verkehrs gesetzlich verankert sei. Das ist seine primäre Aufgabe, die auch in dem Bundesbahngesetz zum Ausdruck kommen muß.
    Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht allzu sehr auf einzelne Paragraphen des Gesetzes eingehen. Ich möchte nur auch namens meiner Fraktion deutlich erklären, daß eine Abgabe der Bundesbahn, wie man sie auch immer nennen möge, erst dann in Frage kommt, wenn eine Rendite von der Bundesbahn erarbeitet wird. Bei dem ganzen Zustand und bei den Sonderbelastungen der Bundesbahn muß eine Vorwegabgabe nach unserer Auffassung außerhalb jeder Betrachtung liegen.
    Es handelt sich hier um ein reines Organisationsgesetz, das keine Patentlösung darstellen kann. Wir glauben, daß es, da es sich nur um Buchstaben eines Gesetzes handelt, möglich sein muß, durch Beratungen im Ausschuß zu einem Ausgleich zwischen den beiden Entwürfen zu kommen. Das bedeutet keinesfalls, daß unter allen Umständen der Weg des Kompromisses zu gehen ist. Aber der Versuch muß gemacht werden. Ich bin, besonders nach der heutigen Aussprache, nahezu überzeugt, daß es gelingen wird. Denn es wäre fast eine . Katastrophe, wenn der Art. 77 GG mit der Beratung durch das Schiedsgericht, eventuell mit Kampfabstimmungen, in Kraft treten müßte. Ich fürchte, das so notwendige Bundesbahngesetz, das gerade von den Ländern so schnell als möglich gewünscht wird, würde dann erst im Sommer 1951 das Licht der Welt erblicken. Das könnten wir nicht verantworten.
    Im Aufbau und in der Reorganisation der Bundesbahn sind in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlern gemacht worden. Damit komme ich abschließend auf den gegenwärtigen Zustand der Bundesbahn überhaupt zu sprechen. Einer der Fehler war es zweifelsohne, dieses große Sondervermögen und dieses große Verkehrsunternehmen nur mit einer Erstausstattung von 200 Millionen DM zu versehen. Der zweite Fehler scheint mir bei dem ersten Arbeitsbeschaffungsprogramm gemacht worden zu sein, als man die 250 Millionen DM als zweckgebunden festlegte nicht nur für Oberbauten, sondern auch noch regional. Wäre damals ein wesentlicher Teil dieses Betrages zu dem so dringend notwendigen Neubau von Fahrzeugmitteln verwandt worden, dann stände die


    (Rademacher)

    Bundesbahn heute in ihrer schwierigen Lage etwas anders da, als es tatsächlich der Fall ist. Ich hoffe daher vor allen Dingen, daß auf der Regierungsbank — und damit meine ich das gesamte Kabinett — erkannt wird, daß man rein mit organisatorischen Gesetzen an diese Dinge nicht herankommt. Es wäre doch wirklich die Sache wert, wenn sich einmal das gesamte Kabinett der schwierigen Lage seines größten Sondervermögens annehmen würde. Dann würde man vielleicht auch zu der Erkenntnis kommen, daß man nicht mit einer Handbewegung, hervorgerufen durch die Koreakonjunktur, das zweite Arbeitsbeschaffungsprogramm von einer Milliarde DM als nicht mehr notwendig ansieht. Dann würde man zweifelsohne zu der Ansicht kommen, daß ein wesentlicher Betrag dieser einen Milliarde für den Aufbau der deutschen Verkehrsmittel und insbesondere der Deutschen Bundesbahn in Bewegung gesetzt werden sollte, zumal es bis heute noch nicht gelungen ist — vielleicht hätte das gesamte Kabinett dort etwas initiativer sein können —, den einen oder andern Betrag aus den Tranchen der ERP-Mittel herauszuholen, um so mehr, als wir wissen, daß andere europäische Bahnen aus den ERP-Krediten versorgt worden sind.
    Meine Damen und Herren! Es sind hier für die ungeheure Leistung der Bundesbahnangestellten und -arbeiter viele anerkennende Worte gefallen. Ich weiß das. Ich weiß das aus meiner ganz spezifischen persönlichen Tätigkeit im Verkehr. Ich weiß, daß bei der Deutschen Bundesbahn vom Generaldirektor bis zum letzten Strekkenwärter ein Korpsgeist herrscht, der beispiellos ist. Aber — und hier spreche ich für den gesamten deutschen Verkehr - darin liegt natürlich auch eine gewisse Gefahr der Einseitigkeit. Es
    liegt die Gefahr darin, nicht zu sehen, daß es neben der leistungsfähigen Deutschen Bundesbahn auch noch andere Verkehrsträger gibt, die Binnenschiffahrt, die Straße, die ebenfalls nicht nur ihre Existenzberechtigung haben, sondern die wir zur Bewältigung des deutschen Verkehrs dringend gebrauchen. Um diese Dinge übersehen zu können, wünschen wir, daß der Herr Bundesverkehrsminister eine außerordentlich selbständige Stellung behält, die ihn nicht etwa in den Verdacht oder das Ansehen kommen lassen wird, er sei so etwas Ähnliches wie ein Eisenbahnverkehrsminister.
    Meine Damen und Herren! Wir haben kein Gesetz zu machen, das etwa Rücksicht nimmt auf die gegenwärtigen Personen in der Exekutive, in der Legislative oder gar auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse. Mir scheint es notwendig zu sein, daß unabhängig von diesen persönlichen Dingen ein Bundesgesetz geschaffen wird, das auf viele Jahre hinaus Bestand hat. Denn wir alle sind davon überzeugt: das Zeitalter der Eisenbahn ist nicht vorüber. Man muß der Eisenbahn nur die organisatorischen und sonstigen Grundlagen geben, damit sie sich zur höchsten Leistungsfähigkeit auf der Schiene entwickeln kann.


Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel (Bamberg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl der Bundesbahn in der letzten Zeit wesentliche Konkurrenz erstanden ist, ist sie immerhin noch von so überragender wirtschaftlicher, sozialer, politischer und kultureller Bedeutung, daß wohl der Wunsch berechtigt erscheint, die Einteilung der Tagesordnung hätte es ermöglicht, diesen Punkt auf eine Tageszeit zu verlegen, die erfahrungsgemäß hinsichtlich der Anwesenheit der Abgeordneten günstiger ist.
    Das Bundesbahngesetz setzt ein Sondervermögen der Bundesbahn voraus. Tatsächlich besteht es aber noch nicht, weil das Ausführungsgesetz zu Art. 134 Abs. 4 GG noch nicht ergangen ist. Es entsteht die Frage, ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, zunächst das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesbahn zu verabschieden und dann erst das Bundesbahngesetz zu erlassen.
    Nach § 4 des Gesetzes sollen die Verwaltung und der Betrieb unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen stattfinden. Diese Programmsetzung erfordert eine sehr sorgfältige und gewissenhafte Abgrenzung der Zuständigkeiten des Bundesverkehrsministers einerseits und der Organe der Deutschen Bundesbahn als des Verwaltungskörpers eines Sondervermögens sowie des Bundesfinanzministers andererseits. Der Bundesverkehrsminister erscheint uns immerhin als der Garant und Träger der Wahrnehmung gemeinwirtschaftlicher Interessen, wenn wir auch diese Wahrnehmung nicht im Sinne der Verwirklichung eines Wohlfahrtsunternehmens aufgefaßt wissen wollen. Aber wir möchten immerhin, daß nicht nach ausschließlich privatwirtschaftlichen, kommerziellen Gesichtspunkten bei der Verwaltung, dem Betrieb, der Planung und dem Bau der Bundesbahn verfahren wird. Wir möchten auch gegenüber dem Bundesfinanzminister den Herrn Bundesverkehrsminister nicht in die Lage versetzt wissen, daß er sich ständig sozusagen in die Finger beißen und sich die Haare raufen muß, wenn er irgendwelche Verkehrspläne hat, wie er sich in Bamberg in einer etwas metaphorischen Weise ausgedrückt hat.

    (Heiterkeit.)

    Aber diese Sicherung der gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkte darf doch nicht so weit führen, daß die Stellung des Bundesverkehrsministers gegenüber dem Sondervermögen und der Verwaltung Bundesbahn übermächtig wird. Wir glauben, daß eine solche Überziehung der Befugnisse des Bundesverkehrsministers in § 12, der die Rechtsstellung des Verwaltungsrats und seine Befugnisse näher umreißt, in § 14, der die Aufsichtsrechte des Bundesverkehrsministers in einer sehr weitgehenden Weise bestimmt, und in § 51, der das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ländern und der Bundesbahnverwaltung regelt, stattfindet.
    Soweit es sich um die Frage der Aufrechterhaltung des gemeinwirtschaftlichen Charakters der Bau- oder Planungs- und der Betriebspolitik der Bundesbahn handelt, möchten wir der Meinung Ausdruck geben, daß es nicht angeht, der Bundesbahn die Möglichkeit zu 'geben, eine Ausgleichsrücklage bis zu 800 Millionen DM anzulegen. Wir glauben in Übereinstimmung mit dem Bundesrat, daß eine Ausgleichsrücklage bis zu 300 Millionen DM vollkommen genügen muß. Die Anlegung von Sonderrücklagen möchten wir unter strenge Kautelen gestellt sehen, weil eine Töpfchenwirtschaft unter allen Umständen vermieden werden muß.


    (Dr. Etzel [Bamberg] )

    Die Auferlegung eines Entgelts in Höhe von 50 Millionen DM im Jahr für die Ausübung des Betriebsrechtes halten wir für unvereinbar mit den betriebswirtschaftlichen Anforderungen, die an die Bundesbahn gestellt werden. Wenn es sich schon um ein Sondervermögen handelt, das nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, wenn auch unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Interessen verwaltet und betrieben werden soll, dann darf eine solche Vorausbelastung nicht stattfinden. Wir sind also gegen die Abgabepflicht in Höhe von 50 Millionen DM.
    Die gesamtwirtschaftlichen Interessen dürfen nicht so weit führen, daß eine Defizitwirtschaft entsteht. Wir glauben, daß es möglich ist, auf dem Wege des § 26 Abs. 2 und des § 32 Abs. 2 eine solche Entartung des Betriebsvermögens, wie wir sie unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg bei der Deutschen Reichsbahngesellschaft beobachtet haben, zu vermeiden.
    Vor allem aber ist für uns wesentlich und wichtig die Frage der Bau- und Tarifpolitik. Wir sind der Auffassung, daß die Bundesbahn ihr gut Teil dazu beitragen muß, daß die notwendige regionale Standortverteilung der Wirtschaft nicht beeinträchtigt und gemindert wird. Hier liegt eine der wesentlichen Ursachen wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Der Herr Bundesverkehrsminister weiß aus eigener Anschauung und Erfahrung, wie schwierig die Verhältnisse in den toten Winkeln des Bundesgebiets, beispielsweise im nordostbayerischen Bezirk liegen, weil dort durch eine neue zonale und politische Grenzziehung eine wirkliche Abschnürung in verkehrsmäßiger Hinsicht stattgefunden hat und weil hier bei der An-und Abfuhr der Güter große Umwege zurückgelegt werden müssen, die bis zu 32 % der eigentlichen Tarife betragen. Wir sind also der Auffassung, daß vor allem die Versuche, die Rohstoffe an der Ruhr durch die fortgesetzte lineare Erhöhung der Tarife für sie und gleichzeitig durch den weiteren Abbau auch noch der Reste der Staffeltarife einzusperren, aufhören müssen. Es darf nicht länger geduldet werden, daß sich die Ruhr auf diese Weise ihre Rohstoffe möglichst weitgehend für die Fertigung reserviert und den Abfluß ihrer Fertigfabrikate zu Lasten der übrigen Bezirke des Bundes mittels tariflich gesenkter Güterklassen forciert.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Ich darf darauf hinweisen, daß beispielsweise vor allem die Randgebiete des Bundes außerordentlich benachteiligt sind. Die Frachten für Walzmaterial, für Stabeisen z. B., betragen in Hagen 4,20' DM pro Tonne, in Frankfurt bereits das Fünfeinhalbfache, in Nürnberg das Achteinhalbfache und in München das Zehnfache, nämlich 42,42 DM pro Tonne. Das sind außerordentliche Vorausbelastungen der Wirtschaftsgebiete der Randbezirke des Bundesgebietes. Bei der Kohle ist es ähnlich. Daher ist es für uns unverständlich, daß .der Versuch unternommen wird, die Küstenkohlentarife, die ja Vorzugs- und Kampftarife der Eisenbahn gegenüber dem eindringenden englischen Wettbewerb waren, jetzt, nachdem die Vorzugstarife beseitigt sind, neuerdings wiederum um ein Drittel der Erhöhung abzubauen. Die Küstenkohlentarife für Schleswig-Holstein und Hamburg sind auch in ihrer jetzigen Höhe um ein ganz Beträchtliches niedriger als die Kohlentarife für die wichtigsten Industrieorte, beispielsweise in Bayern.
    Es is i also für uns sehr wesentlich, daß die Tarifpolitik auf die Bedürfnisse einer gesunden Standortverteilung Rücksicht nimmt und unter Berücksichtigung der Lebensbedingungen der Wirtschaft in den Randgebieten gestaltet wird. Wo eine Marktordnung besteht, wie beispielsweise im Getreidegesetz oder auch im Entwurf eines Zuckergesetzes, ist natürlich die Möglichkeit gegeben, einen Tarif- oder Frachtenausgleich innerhalb des Marktverbandes zu schaffen. Eine solche Möglichkeit besteht für Eisen, Stahl und Kohle nicht, weil da die freie, sogenannte soziale Marktwirtschaft herrscht. Hier muß dann eben eine entsprechend gestaltete Tarifordnung der Bundesbahn helfen.
    Weiterhin interessieren uns die Frage der Regelung des Vergebungswesens nach § 49 des Gesetzentwurfs und die Frage des Gewerberechts nach § 40. Ich hoffe, daß der Antrag der Bayernpartei vom September vergangenen Jahres betreffend die Schaffung von Einrichtungen zur Sicherung einer gerechten und angemessenen Vergebung der Aufträge des Bundes nun nach mehr als einem Jahre Umfluß endlich Wirklichkeit wird. Es muß möglich sein, in Zusammenhang mit dem § 49 auch diesen Antrag endlich aus den Ausschüssen heraus vor das Plenum zu bringen.
    Das Gewerberecht interessiert uns vor allem von dem Gesichtspunkt aus, daß die Befreiung der Betriebe auf Eisenbahngelände von den Bestimmungen der Gewerbeordnung und des Gaststättengesetzes nicht dazu mißbraucht werden darf - wie das vor allem in Hamburg geschehen ist —, Bahnhöfe zu wahren Bazaren zu machen, die außerhalb der gesetzlichen Ladenschlußzeiten dem übrigen Gewerbe Konkurrenz machen. Man muß gleiche Start- und Wettbewerbsbedingungen für die gesamte Wirtschaft schaffen. Es ist nicht fair, wenn man den Einzelhandels- und Handwerksbetrieben, die sich nicht auf Bahngelände befinden, Ladenschlußzeiten vorschreibt und für die auf Bahngrund befindlichen Gewerbebetriebe den Verkauf und sonstigen Betrieb freigibt. Damit meine ich die Gewerbebetriebe auf Bahngrund, die nicht dem echten Reiseverkehr und -verzehr dienen. Hinsichtlich des echten Reisebedarfs sind wir durchaus für eine Sonderregelung; wir wollen in dieser Beziehung und mit dieser Einschränkung nicht kleinliche Banausen sein.