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ID0109310800

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    6. Rademacher.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950 3439 93. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950. Nachruf auf den verstorbenen Abgeordneten Krause 3440A Geschäftliche Mitteilungen 3440B Eintritt des Abg. Rahn in die Gruppe der WAV als Hospitant 3440C Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages 3440C Kunze (CDU) 3440C Amtsübernahme und Ansprache des Präsidenten Dr. Ehlers 3441B Dank des Bundestags für die Amtsführung des Vizepräsidenten Dr. Schmid: Dr. von Brentano (CDU) 3441D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 1333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) (Nr. 1466, zu Nr 1466 der Drucksachen) 3442A Pohle (SPD), Berichterstatter . . 3442A Bazille (SPD): zur Geschäftsordnung 3445B zur Sache 3449B Kohl (Stuttgart) (KPD) 3445D 3446B, 3447A, D, 3448A, D, 3450B, 3454A Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3446D Volkholz (BP) 3447B, 3448B, C, 3449B, 3451A Lücke (CDU) 3449C, 3453B Frau Arnold (Z) 3449D, 3454C Storch, Bundesminister für Arbeit . 3449D Arndgen (CDU) 3450A Mende (FDP) 3450C, 3451B Frau Kalinke (DP) 3450C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3451C Leddin (SPD) 3452D, 3453A Dr. Seelos (BP) 3454B Frau Schroeder (Berlin) 3454D Erste Beratung des Entwurfs eines Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Nr. 1342 der Drucksachen) 3455B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . 3455B Vesper (KPD) 3456C Rademacher (FDP) 3457B Jahn (SPD) 3457B Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes (Nr. 1341 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) (Nr. 1275 der Drucksachen) 3457B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3457C Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern 3467B Rümmele (CDU) 3470B Jahn (SPD) 3472D Rademacher (FDP) 3474C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3476B Pannenbecker (Z) 3478A Loritz (WAV) 3478B Ahrens (DP) 3479C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (Nr. 1343 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Güterkraftverkehr (Güterkraftverkehrsgesetz) (Nr. 1344 der Drucksachen) 3480B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3480C Rademacher (FDP) 3488B Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern . . 3488B, C Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungssteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungssteuersätzen (Nr. 1214 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1420 der Drucksachen) 3490C Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 3490C Antrag der Fraktion der KPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Abgeltung der Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden (Nr. 1431 der Drucksachen) . . . 3490C Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3490D Dr. Pfleiderer (FDP) 3491A Walter (DP) - 3491C Antrag der Fraktion der KPD betr. Widerrechtliche Beschlagnahme des Hauses des Parteivorstandes der KPD in Düsseldorf (Nr. 1432 der Drucksachen) 3491D Frau Thiele (KPD), Antragstellerin 3491D Antrag der Fraktion der KPD betr. Geplante Erhöhung der Beitragszahlungen an die Krankenkassen (Nr. 1435 der Drucksachen) 3492B Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3492B Antrag der Fraktion der KPD betr. Senkung der Tabaksteuer (Nr. 1436 der Drucksachen) 3492D Vesper (KPD), Antragsteller . . . 3492D Nächste Sitzung 3493C Die Sitzung wird um 9 Uhr 49 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Hans Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kein Kolleg über die Vergangenheit der Bundesbahn halten, sondern für die Zukunft versuchen, das gesetzliche Mittel mit schaffen zu helfen, das nun einmal für das größte Verkehrsunternehmen der westdeutschen Republik erforderlich ist, um unserer zerstörten Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Durch die Auswirkungen des Krieges sind wir zu einer völligen Überprüfung unserer verkehrswirtschaftlichen Lage gezwungen. Die grundlegende Wandlung unserer Raum-, Wirtschafts- und Sozialstruktur zwingt uns zur Anpassung der Verkehrswirtschaft an diese völlig veränderte Wirtschaftslage im allgemeinen. Wie groß das Interesse der Öffentlichkeit an dem hier behandelten Thema ist, zeigen zur Genüge die Pressekommentare und die ausreichende Pressediskussion. Sie war dem Regierungsentwurf gegenüber zum Teil sehr kritisch. Um es vorweg zu sagen: wir sind mit der Konzeption des Entwurfs des Bundesrates mehr einverstanden als mit der der Regierungsvorlage.
    Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, möchte ich noch folgendes sagen, um die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der Bundesbahn noch einmal zu unterstreichen. Das Anlagekapitel beträgt nach meiner Schätzung etwas mehr, als der Herr Bundesverkehrsminister angab. Ich glaube, es beläuft sich zur Zeit mindestens auf 11,9 Milliarden Mark. Die Länge der Bundesbahn entspricht der der englischen Eisenbahnen mit rund 32 000 Betriebskilometern. Uns stehen im Augenblick zur Verfügung: 9200 betriebsfähige Lokomotiven, 336 elektrische Lokomotiven, an gebrauchsfähigen Güterwagen, die im nächsten Frühjahr höchstwahrscheinlich nicht mehr so gebrauchsfähig sind, 250 514 und an Personenwagen 16 250. Dazu


    (Jahn)

    tritt ein Jahresumsatz von rund 31/2 Milliarden Mark, und in diesem größten Unternehmen ist über eine halbe Million Menschen beschäftigt. Diesen Menschen ist bereits der Dank für ihr selbstloses Arbeiten ausgesprochen worden. Ich habe auch von dieser Stelle aus schon einmal den braven Eisenbahnern gedankt. Sie möchten aber etwas mehr sehen als nur Dank.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Auch in diesem kommenden Gesetz wollen sie etwas mehr sehen; denn wir betrachten diese Gesetzesvorlage unter dem Gesichtswinkel der Durchführung des Mitbestimmungsrechtes in der Wirtschaft.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Bei der Bundesbahn sind — um zu unterstreichen, wie notwendig es sein wird, eine Rechtskonstruktion zu schaffen, die dieselbe kreditwürdig macht — heute an Verbindlichkeiten vorhanden: langfristige 515,8 Millionen, mittelfristige 3,3 Millionen, kurzfristige 617,98 Millionen. insgesamt also an Verbindlichkeiten 1 137 102 531 DM. Das sind schwere Belastungen, die doppelt zu Buch schlagen, wenn wir uns vor Augen führen, daß für die Beseitigung der Kriegsschäden noch 1 147 000 000 DM und für die Aufholung des Unterhaltungs- und Nachholbedarfs 1 478 000 000 DM erforderlich sein werden und daß für die Betriebsentwicklung und den Neubau noch einmal 11/2 Milliarde DM veranschlagt sind, also rund 4 125 000 000 DM. Das scheint mir die Bedeutung dieses Unternehmens noch einmal zu unterstreichen und die Verantwortung aufzuzeigen, die alle Parteien in diesem Hohen Hause zu tragen haben, wenn wir eine Gesetzesvorlage verabschieden sollen, die der derzeitigen Notwendigkeit in der Fortentwicklung der deutschen Wirt- schaft und den sozialen Bedürfnissen des in diesem Unternehmen beschäftigten Personals Rechnung trägt.
    Die Kriegsschäden betrugen wertmäßig rund 2 Milliarden Mark; sie sind etwa zu 1 Milliarde bereits behoben. Es war dem opferwilligen Einsatz des Personals der Bundesbahn möglich, diese Arbeit zu leisten, weil wir eine uneigennützige Hilfe des amerikanischen Eisenbahnpersonals in Gestalt von 210 Zentnern Kleidungsstücken und einigen tausend Care-Paketen erhalten haben, die in dieser Zeit notwendig waren, wie es jeder von uns am eigenen Leibe verspürt hat, um überhaupt die Arbeit leisten zu können. Für diese uneigennützige Hilfe des amerikanischen Volkes, insbesondere des einen genannten Teiles, möchte ich von hier aus meinen herzlichsten Dank aussprechen. Das gilt nicht für den Osten, wo unter der Eisdecke des kalten Krieges jede soziale Neuregung erstickt wird.

    (Zuruf von der KPD: Das stimmt ja nicht!)

    — Dafür können wir Beweise antreten! — Ich glaube also, daß wir aus den beiden Entwürfen, die sich im wesentlichen in der Ausgestaltung der Organe, nämlich dem Vorstand und dem Verwaltungsrat, unterscheiden, in den Ausschußberatungen das brauchbarste Instrument zu machen versuchen müssen, dessen wir bedürfen. Ob das Präsidialsystem oder das Kollegialsystem durchgeführt werden wird, möchte ich im Augenblick den Beratungen der Sachverständigen im Ausschuß vorbehalten und möchte hier nicht vorgreifen. Eine Forderung aber stellen wir, die ich dem Herrn Bundesverkehrsminister bereits anläßlich unserer Gewerkschaftstagung in Gelsenkirchen unterbreitet habe, nämlich die Forderung, daß bei der Bildung des Vorstandes der Posten des Sozialdirektors geschaffen wird. Das Wertvollste, was wir aus dem
    Zusammenbruch gerettet haben, ist die Arbeitskraft. Wir wünschen nicht nur, daß den Trägern der Arbeitskraft hier Dank und Lob gespendet,
    1 sondern daß die Einrichtungen geschaffen werden, die nach unserer Auffassung für die Betreuung dieses wertvollsten Produktionsmittels nun einmal wirklich unbedingt erforderlich sind.
    Der Verwaltungsrat soll nach beiden Entwürfen aus 29 Köpfen bestehen. Mir scheint das ein zu schwerfälliger Apparat zu sein. Ich glaube auch nicht, daß die Zusammensetzung des Verwaltungsrats, wie uns in den Vorschlägen vorgelegt, sehr glücklich ist, sondern hier wird sich erweisen müssen, ob das Hohe Haus bereit ist, die allseitig anerkannte These von der Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital auch wirklich durchzuführen. Wir stehen jendenfalls auf dem Standpunkt, daß der Verwaltungsrat ein echter mitbestimmender Apparat sein muß, in dem die Gewerkschaften als
    die berufenen Vertreter der Arbeitskraft ein entscheidendes Wort mitzureden haben müssen. Wir können uns vorstellen, daß sich der Verwaltungsrat analog dem Vorschlag des ehemaligen Wirtschaftsrats aus 18 Personen zusammensetzt, 6 davon Vertreter der Wirtschaft, 6 Vertreter der Gewerkschaften und 6 Vertreter der öffentlichen Hand. Das, glaube ich, würde eine Zusammensetzung geben, die es uns gestatten würde, keine Interessentenpolitik einzelner Gruppen in diesem größten Unternehmen der westdeutschen Republik zu treiben, sondern wirklich das Gesamtinteresse der deutschen Wirtschaft und damit des deutschen Volkes dadurch wahrnehmen zu lassen.
    Es scheint mir auch erforderlich zu sein, daß die Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsrats mindestens in dem Maße festgelegt werden müssen. wie sie der Vorschlag des Bundesrats festgehalten hat.
    Dann muß eine scharfe Trennung zwischen Aufsicht und Leitung durchgeführt werden. Ich habe den Eindruck, daß die Aufsichtsbefugnisse des Herrn Bundesverkehrsministers zu groß sind. Ich glaube, die Aufgaben des Herrn Bundesverkehrsministers liegen wesentlich darin, daß er die endlich überfällige Koordinierung der vier Verkehrsträger energisch in die Hand nimmt und zu einem Ergebnis führt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das, glaube ich, wird seine ganze Kraft in Anspruch nehmen. Wir wollen hoffen, daß es möglich ist, zu einer Verständigung der Parteien über die Mitbestimmung des Verwaltungsrats auf der einen und über die Trennung von Leitung und Aufsicht auf der anderen Seite zu gelangen. Dadurch scheint mir die Kreditwürdigkeit der Bundesbahn in ihrer neuen Form am besten garantiert zu sein.
    Was mir in diesem Zusammenhang noch wichtig erscheint, das ist die Frage der Abgaben der Bundesbahn an den Bund. Diese Frage sollte erst endgültig beantwortet werden, wenn die Bundesbahn in der Lage ist, wieder eine Rendite abzuwerfen.

    (Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

    In diesem Zusammenhang aber werfe ich die Frage auf: Wenn schon diese Gedankengänge bei der Würdigung der Formulierung des Gesetzentwurfs eine Rolle zu spielen haben, wieso können dann heute noch die politischen Lasten wie die 72,6 Millionen DM für Pensionen an Heimatvertriebene, die 54,2 Millionen DM für Kriegsopferentschädigungen — für die wir ja heute morgen in bewundernswerter und schöner Einmütigkeit die gesetzlichen Bestimmungen beschlossen haben — und die ungefähr 60 Millionen DM an Mindereinnah-


    (Jahn)

    men für Sozialtarife der Bundesbahn zur Last gelegt werden? Sollte nicht auch hier eine endgültige Bereinigung stattfinden, damit ein gesunder finanzieller Start des neuen Unternehmens gewährleistet ist? Das sollte bei der Beratung im Ausschuß für Verkehrswesen mit zur Richtschnur unseres Handelns werden.
    Ich wünsche also der Bundesbahn soviel Aufsicht wie notwendig, aber soviel Freiheit wie möglich, damit sie ihre Aufgaben im Interesse nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern — darin stimme ich dem Herrn Bundesverkehrsminister bei — im Interesse Europas erfüllen kann; denn auch wir stehen auf dem Standpunkt, daß es dringend notwendig ist, eine europäische Verkehrsbebehörde zu schaffen. Sie liegt aber noch in einiger Zukunft, und über sie sich zu unterhalten wird an anderem Orte die Möglichkeit sein.
    Ich möchte zusammenfassen, um Ihre Zeit nicht übermäßig lange in Anspruch zu nehmen. Der Vorschlag des Bundesrates bedeutet in etwa eine Selbstverwaltung, die wir anstreben müssen. Als Verwaltungsorgan versucht er einen dreigliedrigen, mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Vorstand und einen überwachenden, in allen Fragen von allgemeiner Bedeutung und in wichtigen Einzelfragen zur Entscheidung berufenen Verwaltungsrat zu etablieren. Der Bundesverkehrsminister hat nach diesem Vorschlag wohl starke Aufsichtsbefugnisse — und auch wir legen besonderen Wert darauf, daß er darüber nicht hinausgehen kann —, kann aber allgemeine Weisungen an das Unternehmen nur im Rahmen seiner politischen Verantwortung treffen. Damit scheint mir die Trennung von Aufsicht und Leitung durchgeführt zu sein.
    Demgegenüber stellt das im Regierungsentwurf ausgesprochene relative Prinzip der Autonomie keine echte Selbstverwaltung dar. Die vorgesehenen Organe sind bewußt schwach gehalten. Die sogenannten Entscheidungen seines Verwaltungsrats beziehen sich nur auf einzelne, genau festgelegte Gegenstände und bereiten lediglich die Entscheidungen des Ressortministers vor, so daß der Verwaltungsrat praktisch nur eine beratende Funktion hat. Das zur Leitung des Unternehmens bestimmte dreigliedrige Direktorium ist lediglich zur gesamten Hand berechtigt und verpflichtet, verlangt also Einstimmigkeit seiner Beschlüsse. Nimmt man hinzu, daß der Ressortminister neben dieser entscheidenden Stellung gegenüber den beiden Organen auch noch ein allgemeines und besonderes Anordnungsrecht beansprucht, so kann man die vorgesehene Lösung nur als ein verkapptes Staatsbahnsystem mit einer unklaren Vermischung von Aufsicht und Leitung bezeichnen. Zudem ist es undemokratisch, da es die in diesem System vorgesehene Mitwirkung der Volksvertretung nicht kennt,

    (Sehr wahr! links)

    sondern alle Anordnungs- und Aufsichtsbefugnisse in der Ministerialinstanz zusammenströmen und endigen läßt.

    (Sehr richtig! links.)

    Diese als Staatsbürokratie zu bezeichnende Organisationsform wird sich hemmend für den Ablauf von Betrieb und Verkehr auswirken.
    Im übrigen zerspaltet das über der Hauptverwaltung stehende Direktorium die Zentrale an sich. Es wird eine Dreiteilung der Zentrale, nämlich in Hauptverwaltung, Direktorium und Ministerium, konstruiert, eine bisher nirgends er-
    probte Lösung. Das würde aber, abgesehen von den zahllosen Unklarheiten für die Öffentlichkeit, zu einer Aufblähung des Apparates führen, den wir durch eine gesunde Verwaltungsreform auf das richtige Maß beschränken sollten. Jedenfalls gehören diese Organisationseinrichtungen, wie sie da vorgesehen sind, nach unserer Auffassung nicht in ein für die Dauer bestimmtes Gesetz, sondern in die jederzeit abänderbare Verwaltungsordnung.
    Um es noch einmal zu wiederholen: die Aufsichtsbefugnisse des Herrn Bundesverkehrsministers sollten auf das Notwendigste beschränkt werden, damit Betrieb und Verkehr durch eine feste Leitung den wirtschaftlichen Bedürfnissen angepaßt werden können. Eine Ausschaltung der Legislative — also des Bundestages — muß vermieden werden. Mindestens der Wirtschaftsplan sowie die Gewinn- und Verlustrechnung müssen dem Hohen Hause vorgelegt werden. Die Volksvertretung kann und darf sich nicht der Pflicht entziehen, im Interesse des deutschen Volkes über die Handhabung und Verwaltung des größten Volksvermögens zu wachen.
    Wir werden also in den Ausschußberatungen versuchen, ein Gesetz zu formulieren, das den Bedürfnissen unserer Zeit entspricht und dem Wohle des Volkes dient.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rademacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Max Rademacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Herr Minister Renner hat es für notwendig befunden, in seinen Ausführungen auf die Kritik hinzuweisen, die in der Öffentlichkeit entstanden ist, .daß nun für diese wichtige legislative Maßnahme zwei Gesetze vorliegen. Ich will auf die Berechtigung der Kritik nicht eingehen, nur möchte ich ebenfalls sagen: es ist tief bedauerlich, daß es nicht möglich war, in Vorverhandlungen eine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf herbeizuführen.
    In einem Punkt aber halte ich die Kritik nicht für gerechtfertigt; denn zur Verwirklichung eines Bundesbahngesetzes mußten gewisse Voraussetzungen geschaffen werden. Eine der Voraussetzungen ist zweifelsohne die Verabschiedung des Vermögensgesetzes, das die Zusammenfassung des zerrissenen Gebildes der Eisenbahn bringen soll, nämlich der Bahnen des ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Südwestdeutschen Eisenbahnen. Eine zweite Voraussetzung ist das Allgemeine Eisenbahngesetz, das wir heute in erster Lesung verabschiedet haben. Beide Gesetze werden so schnell wie möglich im Plenum wieder erscheinen. Damit ist eigentlich der Weg für den Aufbau des Bundesbahngesetzes erst freigegeben.
    Nach Ansicht meiner Fraktion ist für die ganze Gestaltung des Gesetzes der Art. 87 des Grundgesetzes bindend, nach welchem die Bundesbahn in bundeseigener Verwaltung mit einem eigenen Verwaltungsunterbau geführt wird. Es sind gewisse Zweifel aufgetaucht, ob nach den Bestimmungen ides Art. 110 GG die Bundesbahn überhaupt als Sondervermögen geführt werden darf. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß bei der Verabschiedung des Art. 110 im Parlamentarischen Rat ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß die traditionellen Sondervermögen des Bundes von diesem Artikel ausgenommen bleiben sollen. Das sind eben das Sondervermögen der


    (Rademacher)

    Post und das Sondervermögen der Bundesbahn. Daher die richtige Begründung, die im wesentlichen in ,den §§ 1 bis 3 des Regierungsentwurfs und auch des Bundesratsentwurfs enthalten ist.
    Meine Damen und Herren! Die strittigen Punkte sind von meinen Vorrednern alle auf gezeigt worden: die Stellung des Direktoriums oder der Leitung, die Stellung des Verwaltungsrates und — was, das glaube ich sagen zu müssen, hier in den Debatten die stärkste Beachtung gefunden hat — die Stellung und die Rechte des Bundesverkehrsministers. Der Gedanke des Bundesverkehrsministers, ein Kollegium zu schaffen, in dem ein Jurist, ein Kaufmann und ein Techniker auftreten, ist selbstverständlich verlockend. Aber ich glaube, diese drei Kategorien, insbesondere der Techniker und der Jurist, sind doch in der Hauptverwaltung der Bundesbahn, wie wir sie heute haben, auf Grund der Entwicklung tatsächlich schon vorhanden. So glaube ich bei aller Vorsicht in einer endgültigen Stellungnahme zu diesen Problemen doch im Namen meiner Fraktion erklären zu müssen, daß wir sehr stark der Auffassung anhängen, dem Präsidialsystem gegenüber dem Kollegialsystem den Vorzug zu geben.
    Der Verwaltungsrat ist mit 29 Männern oder Frauen zweifelsohne zu groß. Ich weiß nicht, ob bei dem Entwurf der Bundesregierung vielleicht — und das kann man verstehen — der Gedanke eine Rolle gespielt hat, durch die Hereinnahme der 12 Länder am ehesten den Widerstand auf der Seite des Bundesrates zu überwinden. Aber ich glaube, das darf für die endgültige Formulierung des Gesetzes nicht ausreichend sein. Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates muß verringert werden. Vielleicht kann man sich — es ist eine Angelegenheit des Ausschusses, die Dinge noch einmal eingehend zu untersuchen — mit dem Ausweg helfen, entsprechend den Erfahrungen der Vergangenheit neben einem kleinen schlagfertigen Verwaltungsrat das System der Eisenbahnbeiräte wieder einzuführen, und zwar einen Eisenbahnbeirat in jedem Land und noch einmal, zentral zusammengefaßt, auf der Bundesebene. Es ist hier gesagt worden, die Vertreter der Länder würden an keine Aufträge gebunden sein, sie würden weder aus den Parlamenten noch aus der Regierung kommen. Ja, meine Damen und Herren, wahrscheinlich aber werden sie aus der Verwaltung kommen! Ob das für die großen und bedeutsamen Entscheidungen und für die Aktionsfähigkeit das Richtige ist, das möchte meine Fraktion stark bezweifeln.
    Ein Bedenken möchte ich im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrat auch anmelden. Es scheint mir sowohl in dem Gesetzentwurf des Bundesrats als auch in dem der Regierung ein großer Fehler zu sein, die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsrates nach zwei Jahren abzulösen. Hier müssen wir eine Kontinuierlichkeit in der Arbeit schaffen, so daß etwa alle zwei Jahre, drei oder vier Jahre — je nach der Größe des gesamten Verwaltungsrates — ein Teil der Mitglieder ausscheidet.
    Die Hauptkritik — ich sagte es schon — richtet sich gegen die Stellung des Bundesverkehrsministers, Ich kann hier im einzelnen auf die Rechte des Ministers, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht, nicht eingehen. Sie sind in den §§ 7 und 8 und dann in dem Genehmigungs-Katalog des § 14 verankert. Der sympatischste aller dieser Paragraphen ist mir der § 15. Er scheint mir der Paragraph zu sein, auf den wir unser ganzes Augen-
    merk lenken sollten. Er enthält das Einspruchsrecht des Ministers. Damit wären eine ganze Reihe von Bedenken aus der Welt zu schaffen. Denn es darf unter gar keinen Umständen bei dem Aufbau des Bundesbahngesetzes und der Bundesbahn dazu kommen, daß etwa neben dem Verwaltungsapparat innerhalb der Bundesbahn selbst insbesondere der Hauptverwaltung, nun aus diesem langen Katalog der Rechte des Ministers sich innerhalb des Bundesverkehrsministeriums nochmals eine zweite Hauptverwaltung der Bundesbahn aufbaut.
    Darum kritisiert auch meine Fraktion diese nach unserer Auffassung etwas überspitzte Stellung des Herrn Bundesverkehrsministers ausschließlich aus dem Grunde, um das zu verwirklichen, was der Herr Bundesverkehrsminister heute morgen bei der Verabschiedung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes selbst gesagt hat. Da verwies er auf den § 8 und sagte mit sehr viel Genugtuung, daß hier zum erstenmal die koordinierende Aufgabe des Bundesverkehrsministers innerhalb des gesamten deutschen Verkehrs gesetzlich verankert sei. Das ist seine primäre Aufgabe, die auch in dem Bundesbahngesetz zum Ausdruck kommen muß.
    Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht allzu sehr auf einzelne Paragraphen des Gesetzes eingehen. Ich möchte nur auch namens meiner Fraktion deutlich erklären, daß eine Abgabe der Bundesbahn, wie man sie auch immer nennen möge, erst dann in Frage kommt, wenn eine Rendite von der Bundesbahn erarbeitet wird. Bei dem ganzen Zustand und bei den Sonderbelastungen der Bundesbahn muß eine Vorwegabgabe nach unserer Auffassung außerhalb jeder Betrachtung liegen.
    Es handelt sich hier um ein reines Organisationsgesetz, das keine Patentlösung darstellen kann. Wir glauben, daß es, da es sich nur um Buchstaben eines Gesetzes handelt, möglich sein muß, durch Beratungen im Ausschuß zu einem Ausgleich zwischen den beiden Entwürfen zu kommen. Das bedeutet keinesfalls, daß unter allen Umständen der Weg des Kompromisses zu gehen ist. Aber der Versuch muß gemacht werden. Ich bin, besonders nach der heutigen Aussprache, nahezu überzeugt, daß es gelingen wird. Denn es wäre fast eine . Katastrophe, wenn der Art. 77 GG mit der Beratung durch das Schiedsgericht, eventuell mit Kampfabstimmungen, in Kraft treten müßte. Ich fürchte, das so notwendige Bundesbahngesetz, das gerade von den Ländern so schnell als möglich gewünscht wird, würde dann erst im Sommer 1951 das Licht der Welt erblicken. Das könnten wir nicht verantworten.
    Im Aufbau und in der Reorganisation der Bundesbahn sind in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlern gemacht worden. Damit komme ich abschließend auf den gegenwärtigen Zustand der Bundesbahn überhaupt zu sprechen. Einer der Fehler war es zweifelsohne, dieses große Sondervermögen und dieses große Verkehrsunternehmen nur mit einer Erstausstattung von 200 Millionen DM zu versehen. Der zweite Fehler scheint mir bei dem ersten Arbeitsbeschaffungsprogramm gemacht worden zu sein, als man die 250 Millionen DM als zweckgebunden festlegte nicht nur für Oberbauten, sondern auch noch regional. Wäre damals ein wesentlicher Teil dieses Betrages zu dem so dringend notwendigen Neubau von Fahrzeugmitteln verwandt worden, dann stände die


    (Rademacher)

    Bundesbahn heute in ihrer schwierigen Lage etwas anders da, als es tatsächlich der Fall ist. Ich hoffe daher vor allen Dingen, daß auf der Regierungsbank — und damit meine ich das gesamte Kabinett — erkannt wird, daß man rein mit organisatorischen Gesetzen an diese Dinge nicht herankommt. Es wäre doch wirklich die Sache wert, wenn sich einmal das gesamte Kabinett der schwierigen Lage seines größten Sondervermögens annehmen würde. Dann würde man vielleicht auch zu der Erkenntnis kommen, daß man nicht mit einer Handbewegung, hervorgerufen durch die Koreakonjunktur, das zweite Arbeitsbeschaffungsprogramm von einer Milliarde DM als nicht mehr notwendig ansieht. Dann würde man zweifelsohne zu der Ansicht kommen, daß ein wesentlicher Betrag dieser einen Milliarde für den Aufbau der deutschen Verkehrsmittel und insbesondere der Deutschen Bundesbahn in Bewegung gesetzt werden sollte, zumal es bis heute noch nicht gelungen ist — vielleicht hätte das gesamte Kabinett dort etwas initiativer sein können —, den einen oder andern Betrag aus den Tranchen der ERP-Mittel herauszuholen, um so mehr, als wir wissen, daß andere europäische Bahnen aus den ERP-Krediten versorgt worden sind.
    Meine Damen und Herren! Es sind hier für die ungeheure Leistung der Bundesbahnangestellten und -arbeiter viele anerkennende Worte gefallen. Ich weiß das. Ich weiß das aus meiner ganz spezifischen persönlichen Tätigkeit im Verkehr. Ich weiß, daß bei der Deutschen Bundesbahn vom Generaldirektor bis zum letzten Strekkenwärter ein Korpsgeist herrscht, der beispiellos ist. Aber — und hier spreche ich für den gesamten deutschen Verkehr - darin liegt natürlich auch eine gewisse Gefahr der Einseitigkeit. Es
    liegt die Gefahr darin, nicht zu sehen, daß es neben der leistungsfähigen Deutschen Bundesbahn auch noch andere Verkehrsträger gibt, die Binnenschiffahrt, die Straße, die ebenfalls nicht nur ihre Existenzberechtigung haben, sondern die wir zur Bewältigung des deutschen Verkehrs dringend gebrauchen. Um diese Dinge übersehen zu können, wünschen wir, daß der Herr Bundesverkehrsminister eine außerordentlich selbständige Stellung behält, die ihn nicht etwa in den Verdacht oder das Ansehen kommen lassen wird, er sei so etwas Ähnliches wie ein Eisenbahnverkehrsminister.
    Meine Damen und Herren! Wir haben kein Gesetz zu machen, das etwa Rücksicht nimmt auf die gegenwärtigen Personen in der Exekutive, in der Legislative oder gar auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse. Mir scheint es notwendig zu sein, daß unabhängig von diesen persönlichen Dingen ein Bundesgesetz geschaffen wird, das auf viele Jahre hinaus Bestand hat. Denn wir alle sind davon überzeugt: das Zeitalter der Eisenbahn ist nicht vorüber. Man muß der Eisenbahn nur die organisatorischen und sonstigen Grundlagen geben, damit sie sich zur höchsten Leistungsfähigkeit auf der Schiene entwickeln kann.