Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich bin mir vollkommen darüber im klaren, daß Sie zwar hier auf der parlamentarischen Ebene eine Entscheidung fällen über die Zusammensetzung der Selbstverwaltungskörper; aber ebenso stark bin ich davon überzeugt, daß außerhalb des Hauses gerade diese parlamentarische Entscheidung außerordentlich stark diskutiert werden wird. Ich glaube, daß gerade die Gewerkschaften unter keinen Umständen mit der Formulierung einverstanden sein werden, nach der man jetzt eine Parität in den Selbstverwaltungskörpern Platz greifen läßt. Wir sollten doch die Dinge auch einmal in einem kleinen geschichtlichen
Kohl
Rückblick betrachten und daraus ersehen, daß seit 1945 bis in die letzte Zeit hinein die Verantwortlichen der damaligen Arbeitsverwaltungen versucht haben, Ordnung in die Selbstverwaltung zu bringen. Es blieb allerdings bei Augenblickslösungen, bei Behelfen in den verschiedenen Zonen, nach denen gearbeitet wurde. Aber bereits damals war schon entscheidend die Forderung — und es ist keine neue Forderung, sondern eine sehr alte Forderung der Gewerkschaften, die diese seit Jahrzehnten erhoben haben —, daß man mit der kommenden Reform der Sozialversicherung auch hier auf dem Gebiet der Selbstverwaltung einen entscheidenden Schritt nach vorwärts tun würde. Man soll in diesem Gesetz — und das gerade in § 2 — das Eigenleben und die eigene Verantwortung als die typischen Merkmale jeglicher Selbstverwaltung — und nur diese haben die Träger der deutschen Sozialversicherung bisher befähigt, eine lebensnahe Verwaltungsorganisation zu schaffen — nicht außer acht lassen. Das trifft besonders bei den Krankenkassen zu, wo es auf außerordentliche Schnelligkeit der Entscheidungen und Handlungen und auf großes Verständnis für die sozialen Belange der von ihnen Betreuten ankommt. Die jetzige Fassung des § 2 entspricht diesen grundsätzlichen Voraussetzungen in keiner Form, und zwar schafft der Vorschlag des Ausschusses einen Zustand, der eigentlich noch weit hinter Bismarck zurückreicht oder wenigstens doch bis in die Zeit Bismarcks; denn damals hat man den Versicherten ein Übergewicht wenigstens in den Selbstverwaltungskörpern zugestanden, und zwar durch das Verhältnis 2 zu 1, während man hier in diesem Gesetz die Parität vorschlägt.
Ich glaube, daß die Arbeiterschaft Überlegungen darüber anstellt, daß gerade diese Regierungsmehrheit sich bei dem Gesetz über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung darüber Gedanken macht, daß hier die Parität in Erscheinung tritt, während man in der Frage des Mitbestimmungsrechts für die Arbeiterschaft doch wesentlich andere Töne zu hören und wesentlich andere Auffassungen zu spüren bekommt.
Aber wir sind nicht der Meinung, daß hier im Sozialversicherungswesen Kräfte wirksam werden sollten, die auf Grund ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Stellung außerhalb des Rahmens dieser Sozialversicherung stehen; denn das in der Beweisführung für die Parität angezogene Argument, daß auch der Unternehmer Beiträge für die Sozialversicherung entrichtet und deshalb aus dieser Körperschaft nicht ausgeschlossen sein kann, erscheint deshalb etwas eigenartig, weil ja die von den Unternehmern zu zahlenden Beiträge in der Kosten- und Preiskalkulation des Unternehmers eine wesentliche Rolle spielen. Also nicht er zahlt die Beiträge, sondern indirekt zahlt der Versicherte diesen Beitrag. Er hat somit das Recht, in den Selbstverwaltungskörpern seiner Organisation die Geschicke dieser Organisation allein zu leiten.
Wir sind der Überzeugung, daß es nur eine schöne Geste ist, wenn man erklärt, daß gerade die Parität die Voraussetzung in sich birgt, daß auch das Unternehmertum verantwortlich eingespannt werden kann. Wir zweifeln an dieser Verantwortlichkeit, und gerade die Entscheidungen dieses Hauses mit dieser Mehrheit berechtigen uns zu diesem Zweifel.
Es ist selbstverständlich, daß bei unserer Einstellung zu diesen Dingen auch die Frage der Betriebskrankenkassen von demselben Gesichtspunkt aus beantwortet werden muß, weil dort die Verhältnisse ähnlich liegen. Es wäre zweckmäßig, auch zur Frage der Betriebskrankenkasse in diesem Zusammenhang einiges zu sagen. Ich will mir das ersparen. Wir haben unsere Auffassung zusammengefaßt; sie weicht von dem Kompromißvorschlag der Sozialdemokratischen Partei insofern ab, als wir nicht für ein Verhältnis 2 : 1 sind. Wir sind vielmehr der Meinung, daß in der Krankenversicherung, in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und in der Unfallversicherung nur die Versicherten allein ihre Geschicke in die Hand nehmen. Dasselbe gilt für § 2 Abs. 2. Hier beantragen wir:
Bei den Betriebskrankenkassen setzt sich das Organ der Selbstverwaltung der Betriebskrankenkassen aus Vertretern der Versicherten zusammen.
Das gilt entsprechend für die Organe der
Bundesbahn-Versicherungsanstalt und die Organe der Ausführungsbehörden und die Organe der Unfallversicherung der Gemeinden.
Meine Damen und Herren! Wir sind überzeugt, daß die Entscheidung über die Frage der Selbstverwaltung und die Zusammensetzung des Selbstverwaltungskörpers ureigenste Angelegenheit der Versicherten allein ist.
Vizepäsident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.