Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 2 ist unzweifelhaft der Paragraph, welcher die wesentlichsten Bestimmungen des Gesetzes über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung enthält. Wir haben uns erlaubt, zu diesem Paragraphen einige Abänderungsanträge zu stellen.
Ich will erst die Anträge begründen, welche zu den Absätzen 11, 9 und 5 des § 2 gestellt worden sind. Zu § 2 Abs. 11 beantragen wir folgende Neufassung:
Tritt bei einer Abstimmung Stimmengleichheit ein, so wird die Abstimmung nach erneuter Beratung wiederholt. Kommt auch hierbei eine Mehrheit nicht zustande, so gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
Der Ausschußbeschluß, welcher mit Mehrheit angenommen worden ist, sieht vor, daß der Antrag,
wenn bei einer Abstimmung Stimmengleichheit auftritt, als abgelehnt gilt. Wir glauben nicht, daß wir damit der Sache dienen. Die Sozialversicherung ist eine sehr eigenartige Sache, und besonders kompliziert ist die Krankenversicherung. Gerade in der Krankenversicherung, und zwar bei allen Krankenkassen, haben die Organe die Möglichkeit, über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, die bekanntlich als Mindest- oder Regelleistungen angesprochen werden, auf den einzelnen Gebieten Mehrleistungen zu beschließen. Diese Mehrleistungen einerseits und die Beitragshöhe andererseits sind schließlich für die Existenz einer Krankenkasse, für die Betreuung der erkrankten Versicherten, für die Versorgung der Familienangehörigen von solcher Bedeutung, daß man nicht einen als zwingend notwendig anerkannten Antrag einfach als abgelehnt bezeichnen kann, wenn er keine Stimmenmehrheit bekommt. Ich glaube, man muß im Interesse des Weiterbestehens und der Fortentwicklung der Sozialversicherung, insbesondere der Krankenversicherung, doch versuchen, einen Ausweg zu finden. Dieser liegt unseres Erachtens darin, daß man dem Vorsitzenden im Falle der Stimmengleichheit die doppelte Stimme gibt.
Wir haben dieses Problem im Wirtschaftsrat eingehend beraten. Ich weiß, die Sache hat zwei Seiten; man kann verschiedener Meinung sein. Aber nach eingehender Diskussion des Für und Wider sind wir damals einmütig zu der Überzeugung gekommen, daß es im Interesse der Sache zweckmäßiger ist, wenn der Vorsitzende in einem solchen Falle den Ausschlag gibt, damit nicht in jedem Falle die Aufsichtsbehörde, die auf Grund der Reichsversicherungsordnung zuständig wäre, zu entscheiden hat. Das wollen wir im Interesse der Selbstverwaltung der Sozialversicherung verhindern. Ich bitte Sie, das zu verstehen.
Zu § 2 Abs. 9 schlagen wir vor, folgenden Satz anzufügen:
Die Wahlen der Versichertenältesten und der Mitglieder der Organe und ihrer Stellvertreter sind vor dem Schlusse der laufenden Wahlzeit durchzuführen.
Wir halten eine derartige ergänzende Bestimmung für notwendig, damit kein Vakuum eintritt, damit nicht durch irgendwelche Umstände die Wahl erst nach Ablauf der Wahlperiode durchgeführt wird und das alte Gremium. das schon vier Jahre in Amt und Würden war, für eine allzulange Zeit des Übergangs die Geschäfte wahrnehmen muß. Wir sollten eine derartige Bestimmung, die auch dem alten Recht der Sozialversicherung entspricht, in Ergänzung dieses Gesetzes und zur Abrundung der Bestimmungen des § 2 Abs. 9 annehmen. Ich glaube, dann haben wir eine weitere gute Bestimmung in diesem Gesetz.
Zu § 2 Abs. 5 erlauben wir uns folgende Fassung vorzuschlagen:
Jedes Mitglied der Vertreterversammlung hat
einen ersten und zweiten Stellvertreter,
— das schlagen Sie auch vor, wir sind also damit einverstanden —,
die es im Verhinderungsfalle vertreten oder bei dessen Ausscheiden in der Reihenfolge ihrer Wahl an seine Stelle rücken. Scheidet ein Mitglied des Vorstandes aus, so wird es durch Neuwahl ersetzt.
Der Unterschied zwischen unserem Antrag und dem vom Ausschuß mit Mehrheit gefaßten Beschluß liegt darin, daß es im Vorstand keinen ersten und keinen zweiten Stellvertreter, d. h. überhaupt
keinen Stellvertreter gibt. Es kann unseres Erachtens im Vorstand keinen Stellvertreter geben. Der Vorstand vertritt den betreffenden Versicherungsträger gerichtlich und außergerichtlich. Er ist praktisch juristische Person. Er kann nicht in diesem oder jenem Fall durch XY vertreten werden. Fehlt eines der Vorstandsmitglieder, ganz gleich, ob auf Versicherten- oder auf Arbeitgeberseite, dann fehlt er eben in Gottes Namen. Aber man sollte nicht, um gewisse Mehrheitsverhältnisse aufrechtzuerhalten, hier zu einer Regelung kommen, die unseres Erachtens in gewissem Sinne gegen den gesunden Grundsatz der verantwortlichen Geschäftsführung der Versicherungszweige verstößt. Man kennt es nicht bei der Aktiengesellschaft, daß dem Vorstand ein erster und zweiter Stellvertreter angehören. Da besteht der Vorstand aus soundso vielen Direktoren oder Generaldirektoren. Fehlt einer von ihnen, entscheidet eben das Kollegium, das noch vorhanden ist. Nach diesen kaufmännischen Grundsätzen müssen wir unseres Erachtens auch die Träger der Sozialversicherung führen. Deshalb haben wir den Abänderungsvorschlag gemacht.
Ich komme zu unserem wichtigsten Vorschlag, der den § 2 Abs. 1 Buchstaben a, b, c usw. betrifft. Sie müssen mir gestatten, daß ich hier etwas ausführlicher berichte und zu den damit zusammenhängenden Problemen Stellung nehme, da der Ausschuß sich leider mit Mehrheit dafür ausgesprochen hat, daß diese entscheidende Frage nicht diskutiert wird. Leider hat der Sozialpolitische Ausschuß mit Mehrheit den Standpunkt vertreten, die in der Regierungsvorlage vorgesehene paritätische Besetzung aufrechtzuerhalten. Das Gesetz trägt die Bezeichnung: „Selbstverwaltung in der Sozialversicherung". Die Selbstverwaltung soll bei allen Trägern der Sozialversicherung, ganz gleich, ob Krankenkassen, Landesversicherungsanstalten oder Berufsgenossenschaften der Unfallversicherung, von einem Vorstand und einer Vertreterversammlung, wie wir von dem Berichterstatter gehört haben, wahrgenommen werden. Dies ist in § 2 des Gesetzentwurfs vorgesehen. Die SPD-Fraktion hatte in ihrer Vorlage Drucksache Nr. 248 vorgeschlagen, daß Vorstand und Vertreterversammlung nur aus Vertretern der Versicherten zu bilden sind.
Ich nehme an, daß bei der Mehrheit dieses Hauses die ernste Absicht besteht, eine wirkliche und aufrichtige Selbstverwaltung in der Sozialversicherung einzuführen.
— Ich danke Ihnen, verehrter Herr Kollege Dr. Wellhausen, für Ihre Bestätigung, und ich hoffe, daß Sie nachher auch unserm Antrag zustimmen werden, ein Gesetz zu schaffen, das nicht nur die Bezeichnung „Selbstverwaltung in der Sozialversicherung" trägt.
— Von Ihnen, Frau Kollegin Kalinke, hoffe ich das auch. — Aber wenn man die maßgeblichen Bestimmungen näher betrachtet, die klar erkennen lassen, daß keine Selbstverwaltung der Mitglieder der betreffenden Versicherungszweige beabsichtigt ist, sondern höchstens von einer Mitwirkung der Versicherten gesprochen werden darf, wird man doch etwas bedenklich gestimmt. Wir hatten, wie einige von Ihnen noch wissen werden, während der Zeit vor 1933 den Reichsarbeitsminister Brauns. Dieser hat sich einmal dahingehend geäußert, daß die Zeit
herangekommen sein dürfte, den Versicherten die Selbstverwaltung bei den Trägern der Sozialversicherung ganz zu übergeben, mit deren Einführung bereits im Kaiserreich begonnen wurde, und in der Krankenversicherung waren damals zwei Drittel Vertreter der Versicherten und ein Drittel Vertreter der Arbeitgeber. Das ist die Erkenntnis und die Überzeugung eines erfahrenen und anerkannten Sozialpolitikers an verantwortlicher Stelle. Demgegenüber hat unser jetziger Bundesarbeitsminister als ehemaliger Direktor der Verwaltung für Arbeit in einem Schreiben vom 19. Mai 1949 zum Ausdruck gebracht, daß gemäß dem Beitragsaufkommen von je zur Hälfte auch die Organe der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung je zur Hälfte aus Vertretern der Versicherten und Vertretern der Arbeitgeber zusammengesetzt werden sollen. Des weiteren erwähnt er in diesem Schreiben, daß nach den Grundsätzen einer wirklichen Wirtschaftsdemokratie künftig auch die Organe der Krankenkassen paritätisch zu besetzen wären.
Wie verhält es sich in Wirklichkeit mit der Beitragsabführung? Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, daß der Beitrag zur Hälfte von dem Lohn oder Gehalt des Arbeiters bzw. Angestellten abgezogen wird und daß die andere Hälfte von dem Arbeitgeber hinzugezahlt und — so schreibt es wenigstens die Reichsversicherungsordnung vor — an den Sozialversicherungsträger abgeführt wird. Ein erheblicher Teil wird, wie wir wissen, leider nicht oder nicht rechtzeitig abgeführt. Die Rückstände sollen relativ groß sein. Einzelne Zahlen möchte ich nicht nennen, weil ich weiß, daß das Gros der Arbeitgeber seine Pflicht in dieser Richtung erfüllt und die Vertreter der Arbeitgeber in den betreffenden Organen, die jetzt schon tätig sind, darauf hinwirken, daß auch die anderen Arbeitgeber es tun. Wenn der Arbeitgeber zu diesen Beiträgen die Hälfte beisteuert, dann bezahlt er sie doch nicht aus seiner eigenen Tasche,
aus seinem Gewinn, aus seinen Privateinnahmen, sondern genau wie seine Ausgaben für Briefmarken, Beleuchtung und Heizung, genau wie die Ausgaben für Material oder Unkosten aller Art werden sie über das Unkostenkonto bzw. Lohnkonto abgebucht; man kann sie als Unkosten, als vorenthaltenen Lohn, oder wie man sonst will, bezeichnen, aber doch nicht als einen Beitrag der Arbeitgeber. Das wurde auch von namhaften Arbeitgebern, die die Dinge insgesamt sehen und beurteilen, unumwunden zugegeben.
Meine Damen und Herren, was soll denn für ein Unterschied bestehen? Bei den Pflichtkrankenkassen wird der Beitrag kraft gesetzlicher Bestimmung von den Arbeitgebern abgeführt; bei den Ersatzkassen wird der Beitrag kraft gesetzlicher Bestimmung von den Versicherten abgeführt. Aber in jedem Falle, ob Pflichtkrankenkasse oder Ersatzkasse, setzt sich der Beitrag aus zwei gleichen Teilen zusammen, aus der Hälfte, die dem Arbeitnehmer abgezogen wird, und aus der Hälfte, die der Arbeitgeber hinzusteuert. Trotzdem waren wir im Ausschuß einmütig der Auffassung, daß bei den Ersatzkassen die Organe nur aus Mitgliedern zusammengesetzt werden sollen, während Sie zu meiner Überraschung im Gegensatz zu der Meinung vor 1933 den Standpunkt vertreten haben und mit Mehrheit durchsetzen, daß die Organe je zu 50 % zusammengesetzt werden sollen.
Nun zu der Frage der Wirtschaftsdemokratie, die der Herr Bundesarbeitsminister Storch in seinem von mir erwähnten Schreiben angerührt hat. Dazu möchte ich kurz folgendes sagen. Wir verstehen unter Wirtschaftsdemokratie a) die Mitbestimmung in der Selbstverwaltung der Wirtschaft und b) eine planmäßige Wirtschaftsführung im Interesse der Allgemeinheit. Ich darf es vielleicht so formulieren, wie ich es bereits im Wirtschaftsrat schon einmal getan habe:
Das Wesen der Wirtschaftsdemokratie ist erst erfüllt, wenn die Verfügung über die Produktionsmittel nicht mehr einzelnen als Privateigentum für private Zwecke zusteht, sondern einem Gemeinwesen, das einen wirtschaftlichen Gemeinwillen verkörpert, in dem nicht mehr der private Nutzen einzelner, sondern der Gemeinnutzen bestimmend ist.
Ich weiß nicht, ob Herr Anton Storch, unser Bundesarbeitsminister, mit seiner „wirklichen Wirtschaftsdemokratie" — die Bezeichnung bringt er wörtlich in seinem Schreiben — das gemeint hat, was ich hier definiert habe. Ich bezweifle es.
Es gibt aber auch andere Kreise, die mit allen möglichen und unmöglichen Argumenten versuchen, den Beweis zu führen, daß gemeinsam mit der Realisierung der Forderung der Gewerkschaften auf gleichberechtigte Mitbestimmung in der Wirtschaft sich auch die gleichberechtigte Mitbestimmung der Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsträgern schlußfolgern lasse. Dies ist ebenso abwegig wie die „wirkliche Wirtschaftsdemokratie" unseres verehrten Bundesarbeitsministers. Die Forderung auf gleichberechtigte Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft und ihrer Gewerkschaften in den Betrieben und in der gesamten Wirtschaft beruht einfach auf der Tatsache, daß in unserer heutigen Wirtschaft Arbeit und Kapital als gleich zu bewerten sind. Wir haben alle die Erfahrung machen können, daß das Kapital einschließlich der Produktionsmittel nutzlos ist, wenn sich die Arbeiter und Angestellten nicht zur Verfügung stellen oder nicht zur Verfügung stellen können. Die Zeit nach 1945, in der der freiwillige und aktive Einsatz der Arbeitnehmerschaft bei dem Aufbau unserer Wirtschaft deutlich sichtbar wurde, hat uns allen die Erkenntnis gebracht, wie unschätzbar wertvoll die Arbeitskraft unseres Volkes ist. Ohne diese Bereitschaft der Arbeitnehmer wären wir in unserer Wirtschaft heute noch nicht so weit. Ich wünschte, daß die Kapitalbesitzer in jeder Beziehung ebenso uneigennützig wären. Die sich hieraus ergebende Forderung auf gleichberechtigte Mitbestimmung in den Betrieben und in der gesamten Wirtschaft hat mit der Selbstverwaltung in den einzelnen Institutionen der Sozialversicherung, seien es nun solche der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber, nach unserer Überzeugung nicht das geringste zu tun. Die Arbeitgeber haben ihre Wirtschaftsverbände, ihre Kammern der verschiedensten Art usw. und lehnen es mit aller Entschiedenheit ab, daß die Arbeitnehmer mitbestimmen können. Ja selbst die Bundesregierung sieht in ihrem Gesetzentwurf über das Betriebsverfassungsrecht nicht vor, daß die Aufsichtsräte in den Betrieben paritätisch zusammengesetzt werden. Auch ist mir nicht bekannt geworden, daß beabsichtigt sei, die Organe der Kammern oder sonstiger Institutionen der Arbeitgeber paritätisch zu besetzen. Daß nach wie vor nur die Arbeitgeber die Organe allein oder zumindest mit Mehrheit zu besetzen berechtigt sind, ist bis jetzt eine Tatsache. Sie sind auch damit einverstanden, daß beispielsweise die Ersatzkassen entsprechend unserem Antrag im sozialpolitischen
Ausschuß in ihren Organen nur aus Vertretern der Mitglieder dieser Kassen besetzt werden. Meine Damen und Herren, warum verweigern Sie den Mitgliedern der anderen Krankenkassen wie Ortskrankenkassen, Betriebs-, Innungskrankenkassen usw. sowie den Mitgliedern der Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten dieses selbstverständliche Recht? Wenn Sie wirkliche Selbstverwaltung wollen, dann können Sie dieses Recht nicht verweigern!
Betrachten wir uns einmal die Aufgaben der einzelnen Versicherungszweige. Der Arbeiter und der Angestellte sind bekanntlich zwangsversichert, und zwar sowohl in der Krankenversicherung wie in der Rentenversicherung und in der Unfallversicherung. Die Krankenversicherung hat den Zweck, daß der Arbeitnehmer dann, wenn vom Arzt einwandfrei Arbeitsunfähigkeit festgestellt ist, das Krankengeld als Ersatz für entgangenen Lohn bekommt und daß der Familie dann, wenn der Arbeitnehmer im Krankenhaus ist, Hausgeld als Ersatz für entgangenen Lohn gewährt wird. In diesem Fall haben ohne Zweifel der versicherte Arbeitnehmer und seine Familie ein überwiegendes Interesse an der Krankenversicherung, an den Einrichtungen der Krankenkassen, an den Mehrleistungen der Krankenkassen; denn er und seine Familie leben während der Zeit der Krankheit von der Hilfe dieser Institution. Er bekommt die Heilmittel und Medikamente und erhält die ärztliche Betreuung. Deswegen ist die Krankenkasse doch schließlich für ihn und nicht für den Arbeitgeber da. Anders läge es, wenn auch der Arbeitgeber pflichtversichert wäre, wenn auch der Arbeitgeber Mitglied in der Sozialversicherung wäre, dann gäbe es in der Frage der gemeinsamen Verwaltung der Sozialversicherungseinrichtungen gar keinen Streit und wäre im Ausschuß für Sozialpolitik sicherlich die gleiche Regelung wie bei den Ersatzkassen einmütig beschlossen worden.
Wie liegen die Dinge bei der Rentenversicherung? Die Rente wird erst gewährt, wenn der Arbeiter oder Angestellte arbeitsunfähig ist, wenn er also aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden ist. Dann ist er kein Arbeitnehmer mehr, dann ist er Rentner. Dann hat der Arbeitgeber als solcher — nicht als Mensch, das behaupte ich nicht, sondern als Arbeitgeber — überhaupt kein Interesse mehr an diesem arbeitsunfähigen oder berufsunfähigen Arbeiter oder Angestellten. Warum, so frage ich, soll nun hinsichtlich der Leistungen, hinsichtlich des Beitragsaufkommens, hinsichtlich der gesamten Verwaltung, hinsichtlich der Heilstätten dieser Versicherungsanstalten — der Landesversicherungsanstalt und der Angestelltenversicherungsträger — der Arbeitgeber überhaupt das Recht der Mitbestimmung haben? Warum soll er überhaupt den Organen angehören? Und Sie, meine Damen und Herren, verlangen noch — und das ist nicht nur für mich, sondern für alle Versicherten unverständlich — im Gesetz die Parität für Arbeitnehmer und Arbeitgeber!
Anders liegen die Verhältnisse bei der Unfallversicherung, in den Berufsgenossenschaften. Bei den Berufsgenossenschaften handelt es sich einmal darum, daß der Arbeitgeber seine Haftpflicht, die auf den Bestimmungen des BGB für den Fall von Betriebsunfällen beruht, auf die betreffende Genossenschaft überträgt. Hier liegt eine Gemeinschaftseinrichtung Angehöriger gleichartiger Berufe oder Wirtschaftszweige vor, um der Haftpflicht zu genügen. Andererseits ist aber der Arbeitnehmer der vom Unfall Betroffene, der jahraus, jahrein in dem Betrieb seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Dieser muß geschützt werden. Zur wirksamsten Durchführung dieses Schutzes hat bereits das alte Recht die Möglichkeit geschaffen, daß er gleichberechtigt bei der Schaffung von Unfallverhütungsvorschriften, bei der Festsetzung der Rente und dergleichen mitbestimmt. Wenn nun sowohl der Antrag der SPD als auch die Regierungsvorlage dieses bereits bestehende Recht, das in einzelnen Bestimmungen der RVO verstreut war, dahingehend abrundet — man kann da nicht groß von „ausweiten" sprechen —, daß Vertreterversammlung und Vorstand paritätisch besetzt werden — hier das Interesse des Arbeitgebers im Rahmen seiner Haftpflicht und da das Interesse des Versicherten an der Erhaltung seiner Gesundheit und Arbeitsfähigkeit und an der Unterstützung seiner Familie —, dann ist das nur selbstverständlich und berechtigt, weil hier ein gemeinsames Interesse — man kann es auch als gleichwertiges Interesse bezeichnen - vorliegt.
Bei all dem aber, meine Damen und Herren, insbesondere aber bei der Krankenversicherung und der Rentenversicherung, darf die große Zahl der freiwillig Versicherten, die also gar nicht in einem abhängigen Arbeitnehmerverhältnis stehen, nicht vergessen werden. Die Statistik behauptet, daß in der Krankenversicherung — da liegen Zahlen vor — rund 40 % aller Versicherten freiwillig versichert sind. Sie unterliegen also gar nicht mehr der Pflichtversicherung, sie haben meistens gar keinen Arbeitgeber, und selbst wenn sie einen Arbeitgeber haben, so haben doch sie allein den Beitrag aufzubringen und allein an den Versicherungsträger abzuführen, sowohl in der Rentenversicherung wie in der Krankenversicherung. Diesen großen Kreis würden Sie praktisch vollständig ausschalten, ihn würden Sie auch zu Ihrer Hälftelung nehmen, wenn Sie, was ich einfach nicht glauben kann, dem Beschluß des Ausschusses auf Parität Ihre Zustimmung geben sollten.
In der Notzeit nach 1800 hat Freiherr vom Stein die Selbstverwaltung in den Gemeinden eingeführt. Damit wollte er nicht nur das Interesse der Gemeindeangehörigen an allen Geschehnissen innerhalb der Gemeinde und somit des Staates wecken, sondern auch das Verantwortungsbewußtsein stärken. Wir wollen mit der Selbstverwaltung auch die Selbstverantwortung. Wir wollen den Versicherten die Erkenntnis verschaffen, daß die Versicherung in ihrem ureigensten Interesse gut verwaltet wird und von keinem Versicherten mißbraucht werden darf. Die Versicherten müssen die einzelnen Versicherungsträger wieder als ihre Versicherung ansehen.
Wenn wir das erreichen, werden wir auch ein gutes Stück über die finanziellen Schwierigkeiten unserer Sozialversicherung hinwegkommen. Dies können wir nach unserer festen Überzeugung aber nur erreichen, wenn wir Vertrauen gegenüber den Arbeitern und Angestellten haben, denn die Wahrnehmung der Selbstverwaltung durch die Arbeiter und Angestellten ist eine Vertrauensfrage. Haben wir dieses Vertrauen zu den Arbeitern und Angestellten unseres Volkes — und ich möchte dringend wünschen, daß wir es haben sollten, denn keiner hat sich in den Notzeiten so bewährt wie die Arbeiter und .die Angestellten —, so müssen wir auch bereit sein, die Betreuung der Geschicke ihrer Versicherung ihnen selbst in die Hand zu geben.
Wir können doch, meine Damen und Herren — nun bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit —, unmöglich die von den Nazis eingeführte Regelung in unserm Gesetz aufrechterhalten. In einem Kommentar mit der Bezeichnung „Die Sozialversicherung im Dritten Reich", bearbeitet von Dr. Hans Engel, Ministerialdirektor, und J. Eckert, Oberregierungsrat im Reichsarbeitsministerium, 1937, Verlag Beamtenpresse, Berlin 1937, wird hierzu auf Seite 96 gesagt.
Die Krönung all dieser engen Verbundenheit zwischen Sozialversicherung und Wirtschaft hat schließlich das Aufbaugesetz mit der Neuordnung der Gewalten ausgesprochen, indem es für die Träger der Wirtschaft in den Organen auch dort, wo bisher das Übergewicht bei den Versicherten lag, die Gleichberechtigung hergestellt hat. Damit ist der verantwortlichen Mitarbeit der Träger der Wirtschaft in der praktischen Sozialversicherung wieder die Freiheit gegeben worden, die zu ihrer wirksamen Betätigung unerläßlich erschien.
Niemand von uns vertritt doch dieses nazistische Gedankengut, und deshalb kann auch niemand von uns der Parität, die ja von den Nazis in dem Aufbaugesetz geschaffen wurde und die Herr Eckert hier kommentiert hat, seine Zustimmung geben.
- In dem Beirat, Kollege Arndgen, das sollten Sie doch eigentlich als ehemaliger Minister für Arbeit wissen.
Darüber können wir auch noch sprechen. Es war paritätisch zusammengesetzt; das können Sie doch nicht bestreiten.
Wenn ich die Zwischenrufe verstände, würde ich gern darauf eingehen; aber sie sind wirklich nicht zu verstehen.
Wenn wir Ihnen heute einen Antrag vorgelegt haben, wonach sowohl in der Krankenversicherung wie auch in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten die Zusammensetzung des Vorstandes und der Vertreterversammlung aus zwei Dritteln der Vertreter der Versicherten und einem Drittel der Vertreter der Arbeitgeber erfolgen soll, so war hierfür der bekannte Kompromißvorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes maßgebend. Das Schreiben, das vor Wochen von den Organen des Deutschen Gewerkschaftsbundes den einzelnen Abgeordneten dieses Hohen Hauses zugesandt wurde, ist Ihnen wohl allen bekannt; ich nehme wenigstens an, daß die Post Sie erreicht hat. In dem Schreiben wird Ihnen die Problematik der Selbstverwaltung dargelegt, und Sie werden gebeten, hierzu Stellung zu nehmen, und es wird als wünschenswert bezeichnet, Ihre Stellungnahme mitzuteilen. Es ist erfreulich, daß ein Teil der Damen und Herren dieses Hauses ihre Ansicht auch kundgetan haben, und es ist besonders erfreulich, daß der weitaus größte Teil dieser Antworten positiv war, positiv zu dem gewerkschaftlichen Kompromißvorschlag zwischen SPD - nur Vertreter der Versicherten — und Regierungsvorlage — Parität —, also zwei Drittel zu einem Drittel, und ich glaube, hoffen zu dürfen, daß die Damen und Herren dieses Hauses, die nicht geantwortet haben, dem alten Grundsatz entsprechend zum Ausdruck bringen wollten, daß sie dem Vorschlag des DGB beipflichten.
Ich habe auch davon erfahren, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund Befragungen in einzelnen Kreisen durchgeführt hat, Befragungen in den verschiedensten Gegenden der Bundesrepublik. Das Ergebnis, das diese Befragungen gebracht haben, ist interessant.
— Dazu können Sie nachher sprechen. Ich bin gern bereit, Ihnen die entsprechende Antwort zu geben, soweit ich über die Einzelheiten informiert bin. Aber was mir mit das Wertvollste war, ist, daß bei der Gesamtzahl von 713 520 abgegebenen Stimmen 697 754 für zwei Drittel und ein Drittel waren und nur 12 530 für die Parität. Für mich ist am interessantesten ein Abstimmungsergebnis, und zwar das von Trier. In Trier wurden von 20 000 abgegebenen Befragungszetteln 18 056 zurückgegeben. Von den 18 056 haben in der Krankenversicherung 18 016 für zwei Drittel und nur 39 für die Hälftelung gestimmt
— darauf werde ich Ihnen Antwort geben —, während in der Rentenversicherung 18 012 für die Drittelung und nur 44 für die Hälftelung waren. — Das waren keine Naziwahlen, verehrter Herr Zwischenrufer, das war eine Befragung, eine Befragung, die wir viel öfter durchführen sollten, um die Meinungen zu dem einen oder anderen Problem festzustellen,
eine Befragung, die ganz formlos gemacht worden ist — auf die eine oder andere Stimme kommt es dabei gar nicht an —, eine Befragung, die in Trier von ehemaligen christlichen Gewerkschaftsführern durchgeführt wurde.
Meine Damen und Herren, es hat auch einer unserer Freunde eine Befragung in einem Ort unter den Arbeitgebern durchgeführt. Wir haben das nicht angeordnet und der DGB hat es nicht gewußt; der Kollege hat geglaubt, es tun zu sollen. Das Ergebnis war, daß 61 % dieser Arbeitgeber für zwei Drittel und ein Drittel gestimmt haben und 39% für 50 zu 50.
Verehrte Damen und Herren und besonders Sie, meine lieben Freunde von der Gewerkschaftsbewegung, die Sie hier vor mir sitzen, Sie können sich davon überzeugen, bei Ihrem Kollegen, der es durchgeführt hat. Dies ist für mich wirklich befriedigend, und ich bin auf das Ergebnis dieser Befragung stolz. Ich bagatellisiere es nicht, wie die Arbeitgeber geglaubt haben es tun zu müssen. Sie haben in einem Rundschreiben behauptet, daß die Befragungszettel zum großen Teil von den Betreibsratsmitgliedern zunächst bereits im Sinne der Gewerkschaften ausgefüllt und dann erst verteilt worden seien mit der Weisung, sie am nächsten Tag an den Betriebsrat zurückzugeben. Als man dieser Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Wiesbaden schrieb, meine Damen und Herren, und fragte: wo ist das vorgekommen, was Sie behaupten?, da bekamen die Gewerkschaften die Antwort, und zwar unter dem 27. September — das Frageschreiben war vom 15. September —:
Wir kommen zurück auf Ihr vorbezeichnetes Schreiben, nachdem wir in der Sache rückgefragt und erneut die Richtigkeit der Angaben in unserem von Ihnen erwähnten Schreiben vom 12. dieses Monats bestätigt erhalten haben. Es trifft zu, daß Befragungszettel bereits ausgefüllt im Betrieb verteilt wurden und daß die Rückgabe ohne Namenszeichnung erfolgt ist. Diese Feststellungen sind nicht im Kreis Wiesbaden getroffen worden.
Nun hat der Kreis Wiesbaden auch mit abgestimmt, und im Kreis Wiesbaden — ich habe mir die Zahlen extra beschafft — ist das prozentuale Verhältnis von zwei Dritteln und 50 zu 50 auch nicht anders als in den anderen Kreisen. Wenn also die Arbeitgeberspitzenorganisation hier schriftlich bestätigt, daß in Wiesbaden bzw. in dem gesamten Kreis Wiesbaden alles in Ordnung gegangen ist, dann kann ich behaupten, daß dies auch in den anderen Kreisen der Fall ist. Ich glaube, es liegt bei der Arbeitgeberspitzenorganisation — ich kenne doch die Herren persönlich schon lange Jahre — keine Absicht vor — dies zu behaupten liegt mir fern —, sondern ein Irrtum, der darauf zurückzuführen ist, daß im Darmstädter Gebiet der dortige Kreisausschuß des DGB ein Flugblatt herausgebracht hat, worin er von der drohenden Verschlechterung der Sozialversicherung spricht und worin er einen Befragungszettel abdruckt — meine Herren, ich habe ihn hier, ich stelle ihn Ihnen gern zur Verfügung —, in welchem es heißt: „Dein Zettel muß so aussehen". Das war aber nicht der Befragungszettel, das war lediglich ein Flugblatt. Der Befragungszettel sieht anders aus und war ohne jegliche Bemerkung.
Erstaunt bin ich über die weitere Behauptung der Arbeitgeberspitzenorganisation, die Befragungszettel seien nicht mit Unterschriften versehen gewesen. Nun, soviel ich unterrichtet bin, sollte es eine geheime Befragung sein, und da ist es doch wohl unmöglich, daß Unterschriften darunterstehen. Ich bin überzeugt, der Deutsche Gewerkschaftsbund hätte der Spitzenorganisation der Arbeitgeber, wenn sie sich erkundigt hätte, was mit diesen Befragungszetteln beabsichtigt sei, gern die gewünschte Auskunft gegeben, warum das so und so gemacht wird, und es hätte dann dieses eigenartigen Rundschreibens nicht bedurft, das allerdings nur an 250 Abgeordnete dieses Hauses versandt wurde. Ich habe nicht gehört, daß einer meiner Fraktionskollegen dieses Rundschreiben der Arbeitgeber erhalten hat.
Es wird aber nun weiter, und zwar in einem Schreiben des Arbeitgeberverbandes von Gas-, Wasser- und Elektrizitätsunternehmungen in Essen, das am 11. September veröffentlich wurde, noch etwas anderes behauptet. Da heißt es nämlich:
In Wirklichkeit entspricht dieser Vorschlag — also zwei Drittel zu ein Drittel —
aber einer Forderung der SPD, die diese bereits im Wirtschaftsrat 'in dem seinerzeit von der SPD-Fraktion des Wirtschaftsrates eingebrachten Entwurf eines Selbstverwaltungsgesetzes geltend gemacht hat.
Meine Damen und Herren, ich bedaure außerordentlich, daß dieser Arbeitgeberverband den Deutschen Gewerkschaftsbund mit der Sozialdemokratischen Partei und deren Forderung identifiziert hat. Ich bedaure das deshalb, weil wir so nie zu einer Gesundung der einheitlichen Gewerkschaftsbewegung kommen können, sondern immer ein
Mißtrauen bestehen bleiben muß. Wir wissen alle, daß die SPD im Wirtschaftsrat genau so wie auch heute den Kompromißvorschlag von zwei Dritteln zu einem Drittel gemacht hat. Wir wissen aber ebenso alle, daß schon lange bevor der Wirtschaftsrat bestanden hat, in Kreisen des ehemaligen Gewerkschaftrates — und das werden mir meine Freunde hier im Hause bestätigen müssen — die Meinung vertreten war, daß die zukünftigen Organe der Selbstverwaltung bei der Sozialversicherung generell im Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel zusammengesetzt werden sollten. Das ist eine altbekannte Forderung, die schon vor 1933 auf den verschiedenen Kongressen der Gewerkschaftsbünde der verschiedensten Art erhoben wurde. Da sollte doch ein Arbeitgeberverband nicht versuchen, derartige Praktiken anzuwenden, die notwendigerweise — ob gewollt oder nicht — zu einer Vergiftung der gesamten Situation führen müssen.
Ebenso bedauere ich außerordentlich, daß die Firma Robert Bosch GmbH. in Stuttgart anläßlich der Befragung in Stuttgart einen Aushang für notwendig gehalten hat, in dem es heißt:
Auch die Arbeitgeber haben entsprechend ihrer Beitragsleistung ein Recht, darüber zu wachen, daß die aufgebrachten Gelder satzungsgemäß verwendet werden. Die Gewerkschaften können nicht einerseits das Mitbestimmungsrecht in den Betrieben fordern, andererseits aber den Arbeitgebern, die die Hälfte der Beiträge aufbringen, die Gleichberechtigung in der Sozialversicherung verweigern. Wir halten es für notwendig, daß sich unsere Betriebsangehörigen hierüber klar werden, bevor sie die Fragen des Deutschen Gewerkschaftsbundes beantworten.
Bitte schön, wenn Sie das Recht akzeptieren, daß die Arbeitgeberverbände aufklären - dagegen habe ich grundsätzlich nichts einzuwenden —, dann können Sie sich nicht dagegen wenden, daß die Gewerkschaftsorganisationen anläßlich der Befragung so, wie es in Darmstadt geschehen ist, ebenfalls aufgeklärt haben. Das wollte ich klar zum Ausdruck bringen.
Was ich aber in diesem Zusammenhang bedauere, ist die Tatsache, daß die Spitzenorganisation der Arbeitgeberverbände sich an den Herrn Kollegen Direktor Peter Horn, Fraktion der CDU/CSU, mit Schreiben vom 20. September gewandt hat, in dem gegen einen Herrn Umrath Stellung genommen wird, der Geschäftsführer der Vereinigung der Ortskrankenkassenverbände ist. Es wird gesagt, er hätte kürzlich an einer Aktion des DGB und der SPD zur Umstimmung der Abgeordneten der anderen Fraktionen mitgewirkt. Ich kann hierzu erklären, daß mir von keiner Aktion der SPD etwas bekannt ist, daß ich aber, wie Sie alle, die Aktionen des DGB kenne und auch weiß, daß Direktoren, einige Kollegen und hochstehende Persönlichkeiten von Landesversicherungsanstalten, die nicht alle Mitglieder der SPD, sondern auch in verantwortlichen Funktionen bei Ihnen, meine Damen und Herren, der CDU usw., sind, in Versammlungen der Gewerkschaftsfunktionäre, von diesen gebeten, ihre Meinung gesagt haben.
In diesem Schreiben heißt es weiter — es wird noch auf den Direktor Kraft der Ortskrankenkasse Frankfurt hingewiesen —:
Es bedarf wohl keines weiteren Nachweises
mehr für den hier getriebenen Mißbrauch des
Amtes und für die dringende Notwendigkeit
der politischen Neutralisierung der Verwaltung bei den Ortskrankenkassen.
Soweit geht es schon. Da müssen wir mit aller Entschiedenheit widersprechen. Wir müssen widersprechen, weil hier die im Grundgesetz garantierte freie Meinungsäußerung unterbunden wird. Wir müssen auch widersprechen, weil dieses Schreiben an Herrn Direktor Horn gerichtet wird und sich über Geschäftsführer und Vorsitzenden von Ortskrankenkassen beschwert und erwähnt, daß she politische Neutralisierung dringend notwendig wäre. Darunter versteht man die paritätische Besetzung, und man weiß, daß dann die Geschäftsführer, die 1945 hereingeholt wurden, weil die Pgs. und Parteibuchbeamten entlassen wurden, nun wieder beseitigt werden sollen. Es sind zum größten Teil die gleichen Persönlichkeiten, die man 1933 verfolgt und teilweise in Konzentrationslager gesteckt hat, die 1945 wieder hervorgeholt wurden, die nun den Karren aus dem Dreck gezogen haben, die jetzt — es ist kaum möglich, es auszusprechen — mit Hilfe der Selbstverwaltung, der paritätischen Besetzung — —