Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion hat mehrere Abänderungsanträge zu § 1 gestellt, die ich zu begründen habe. Es handelt sich im § 1 um die Absätze 4, 5 und 6. Wir beantragen, im Abs. 4 den Satz:
für die Organe der Träger der Krankenversicherung gilt dies auch hinsichtlich der Festsetzung ,der Beiträge und der Leistungen
zu streichen, weil wir der Ansicht sind, daß dieser
Satz jetzt nicht mehr erforderlich ist. Diese Rechte
der Krankenversicherung sind in der Reichsversicherungsordnung gesetzlich festgelegt, wurden
aber seinerzeit durch die Direktive Nr. 4 der
britischen Militärregierung praktisch aufgehoben.
Da nunmehr aber mit Wirkung vom 1. September
dieses Jahres die Direktive Nr. 4 aufgehoben ist,
tritt unseres Erachtens die in der Reichsversicherungsordnung festgelegte Bestimmung wieder in Kraft, so daß der Satz hier überflüssig ist.
Im § 1 Abs. 5 erster Satz bitten wir die Fassung „Knappschaftsälteste" lediglich der Klarstellung wegen durch die Worte „Knappschaftsälteste der Arbeiter und Angestellten" zu erweitern.
Aus verschiedenen Gründen können wir uns ferner mit der Fassung des § 1 Abs. 6 nicht einverstanden erklären. Wir sind wohl damit einverstanden, und ich möchte das ausdrücklich betonen, um allen kursierenden Gerüchten entgegenzutreten, daß ein Arzt, der Erfahrung auf dem Gebiete der Sozialversicherung besitzt, mit beratender Stimme zu den Sitzungen der Selbstverwaltungsorgane hinzugezogen wird, da wir glauben, daß er im Interesse der Versicherten — und darauf kommt es ja schließlich an — manchen Rat geben und manche Anregung vorbringen kann. Aber das, was mit der jetzigen Fassung verlangt wird, nämlich daß auf Antrag der zuständigen Ärztekammer dem Vorstand des Versicherungsträgers ein Arzt mit beratender Stimme angehören muß, geht unseres Erachtens zu weit und über das Maß dessen hinaus, was wir uns wünschen können und was wir uns dabei vorstellen. Bleibt die jetzige Fassung bestehen, so sind wir der Ansicht, daß diese Regelung einmal der Selbstverwaltung nicht gerecht wird; darüber hinaus halten wir es auch für unberechtigt, der Ärztekammer ein solches Monopol einzuräumen, als alleinige Ärzteorganisation das Vorschlagsrecht zu haben. Schließlich beraten wir hier ein Gesetz über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, und man kann den Organen der Selbstverwaltung nicht vorschreiben, daß auf Antrag der zuständigen Ärztekammer dem Vorstand des Sozialversicherungsträgers ein Arzt mit beratender Stimme angehören muß. Das schlägt unseres Erachtens jeder Selbstverwaltung ins Gesicht, und wir sind der Meinung, daß das Recht, einen Arzt zur Beratung heranzuziehen, bei den Organen der Selbstverwaltung liegen muß.
Nach der jetzigen Fassung müßte der Vorstand jeden von der zuständigen Ärztekammer vorgeschlagenen Arzt akzeptieren, und wir glauben nicht, daß es der Wille des Gesetzgebers sein kann, einer außerhalb der Selbstverwaltung stehenden Gruppe das Recht zu geben, einen Vertreter — unter Umständen gegen den Willen der versicherten Arbeitnehmer und Arbeitgeber — in den Vorstand zu schicken. Es ist in diesem Zusammenhang sehr interessant, daß selbst ein maßgeblicher Vorsitzender einer Ärztekammer einmal erklärt hat, daß es auch Beratungen geben könne, an denen ein Arzt nicht teilnehmen kann, wenn es sich beispielsweise um Honorarfragen handelt.
Auch das ist ein sehr wichtiger Grund, es dem Vorstand zu überlassen, einen Arzt zu den Sitzungen hinzuzuziehen. Ein weiterer Grund, der es uns unmöglich macht, der Fassung des Ausschusses unsere Zustimmung zu geben, ist die Tatsache, daß damit der zuständigen Ärztekammer das alleinige Recht eingeräumt werden soll, einen Vorschlag zu machen.
Sie wissen, daß es neben der Ärztekammer noch mehrere andere Ärzteorganisationen gibt, die berechtigt sein müßten, Vorschläge zu machen und sich mit den Sozialversicherungsträgern in Verbindung zu setzen. Sie werden sicher genau so wie wir aus Pressenotizen erfahren haben, daß es eine Reihe von Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Ärztekammer und anderen Ärzteorganisationen auf dem 53. Deutschen Ärztetag gegeben hat. Wir alle haben auch von den Versuchen gehört, eine Zwangsmitgliedschaft zu den Ärztekammern zu schaffen. Ich will hier nicht näher darauf eingehen. Aber es ist erfreulich, daß der Herr Bundesinnenminister auf dem Ärztetag ausdrücklich betont hat, daß eine Bundesärztekammer mit Zwangsmitgliedschaft und Sondergerichtsbarkeit auf dem Gesetzeswege vom Bund nicht zu erwarten sei.
Es wäre einmal sehr interessant, zu wissen, welche Stellung der Herr Bundesinnenminister zu dieser Formulierung einnimmt, weil sie für künftige Entwürfe von Bedeutung sein könnte. Die Rechtsstellung der Ärztekammer im Bundesgebiet ist
völlig uneinheitlich. In Hessen beispielsweise hat sie den Charakter eines Vereins. Wir sind deshalb der Ansicht, daß wir mit einer solchen Fassung des Abs. 6, wie sie jetzt besteht, als Gesetzgeber in den Kompetenzstreit der Ärzteorganisationen eingreifen, und zwar eindeutig zugunsten der Ärztekammern. Wir als Gesetzgeber haben an alle Ärzteorganisationen zu denken. Für uns muß ausschlaggebend sein, daß wir in die Selbstverwaltungsorgane so viel Vertrauen legen, daß sie den Arzt hinzuziehen, der die Aufgaben erfüllt, die ihm gestellt werden.
Wir beantragen deshalb folgende Fassung:
Die Sozialversicherungsträger sind berechtigt, im Benehmen mit den Ärzteorganisationen einen Arzt mit beratender Stimme zu den Sitzungen der Organe hinzuzuziehen. Der Arzt hat insbesondere die Belange der Volksgesundheit zu vertreten und soll Erfahrungen auf dem Gebiet der Sozialversicherung besitzen.
Wir bitten, unsere Abänderungsanträge anzunehmen.