Rede von
Grete
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Herren und Damen! Größte soziale Mißstände in bezug auf Entlohnung und Arbeitsbedingungen bestehen im Heimarbeiterwesen. Das wurde hier von allen Fraktionen festgestellt, und dies könnte insofern als ein günstiges Vorzeichen für die Ausarbeitung des Heimarbeitsgesetzes betrachtet werden. Allerdings lenkt die Einstellung dieser Fraktionen, in deren Reihen sich ja die Unternehmer befinden, die für diese Mißstände verantwortlich sind, davon ab, daß sie eigentlich diese Verhältnisse geschaffen haben.
Die Heimarbeiter sind jene Schicht von Menschen, die infolge ihrer gesundheitlichen und häuslichen Verhältnisse gezwungen sind, sich ihren Lebensunterhalt durch Heimarbeit zu verdienen. Ganz besonders gilt das für alleinstehende oder mitarbeitende Frauen. In der Vorlage selbst und auch in den Ausführungen der Vorredner wurde darauf hingewiesen, daß 20-Pfennig-Stundenlöhne an der Tagesordnung sind. Das sind keine Einzelfälle, sondern das ist die Regel, und ich weiß, daß viele Löhne sogar noch darunterliegen. Ebenso selbstverständlich sind aber Kinderarbeit und Nachtarbeit an der Tagesordnung, weil das Einkommen unter normalen Arbeitsbedingungen zum Leben nicht ausreicht. Nun, diese Not wird von den Unternehmern weitgehend ausgenutzt, um den Tariflöhnen auszuweichen und auf die Betriebslöhne zu drücken. Insofern begrüßen wir dieses Gesetz, weil es die Möglichkeit bietet, den Heimarbeiter zu schützen.
Aber dieses Gesetz muß natürlich in seiner ganzen Anlage so sein, daß es auch wirklich den sozial schwachen Teil — das ist der Heimarbeiter — vor direkter und indirekter Ausbeutung schützt.
Ich möchte in den wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen, einige Grundsätze meiner Fraktion zu dieser Vorlage herausstellen.
Erstens: Voraussetzung ist die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen und Mindestlöhnen, da gerade hier die größten Gefahren der Ausbeutung bestehen.
Zweitens: auch wir sind der Auffassung, daß die weitestgehende, die maßgebliche Einschaltung und die Mitbestimmung der Gewerkschaften eine weitere Voraussetzung für eine wirklich soziale Arbeitsgestaltung sind. Bei der Bildung von Heimarbeitsausschüssen sind wir der Auffassung, daß hier die Gewerkschaften stärker eingeschaltet werden müssen und daß die paritätische Besetzung mit einem sogenannten unparteiischen Vorsitzenden, nämlich dem Vorsitzenden der Arbeitsbehörde, unter den jetzigen Bedingungen nicht dem Schutz des sozial schwächeren Teils dient, sondern dem Unternehmer nützt. Also auch hier sind wir der Auffassung, daß die Gewerkschaften stärker beteiligt werden müssen.
Drittens: wir wünschen die Ausdehnung der Arbeitsschutzgesetze auf die Heimarbeit und damit eine stärkere Kontrolle der Arbeitsbedingungen durch die Gewerbeaufsichtsämter, vor allen Dingen in der Hinsicht, daß die Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden.
Viertens: Ferienregelung und Kündigungsschutz wie bei den gewerblichen Arbeitnehmern! Und zum Schluß fordern wir, daß die Heimarbeit durch eine entsprechende Lohnregelung und durch die Verpflichtung zur Schaffung der gleichen Arbeitsbedingungen, wie sie in den Betrieben vorhanden sind, als vollwertige Arbeit anerkannt wird.
Dadurch wird auch verhindert, daß die Heimarbeit gegenüber den Tariflöhnen ausgespielt wird, und dadurch würden endlich menschenwürdige Verhältnisse bei den Heimarbeitern und ihren Familienangehörigen geschaffen.
Meine Fraktion wird bei den Ausschußberatungen ebenfalls entsprechende Änderungsanträge zu diesem Entwurf vorbringen.