Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident des Deutschen Bundestages hat, gestützt auf § 119 der Geschäftsordnung, den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität um eine Interpretation gebeten zu einem Beschwerdeschreiben der kommunistischen Fraktion bzw. des für die Fraktion zeichnenden Herrn Abgeordneten Kohl. Dieses Beschwerdeschreiben vom 29. August hat folgenden Wortlaut:
Herr Dr. Geisler teilte meiner Fraktion mit, daß auf Anweisung des Herrn Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Professor Carlo Schmid, die Einbringung von Anträgen deshalb nicht möglich sei, weil durch den Ausschluß einiger Fraktionsmitglieder die erforderlichen zehn Unterschriften nicht vorhanden seien. Gegen diese willkürliche, auf rein persönlichen Erwägungen des amtierenden Vizepräsidenten Professor Carlo Schmid beruhende Anordnung erheben wir schärfsten Protest und betonen mit aller Deutlichkeit, daß in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages keine Handhabe für eine solche Maßnahme zu finden ist. Wir sehen in diesem undemokratischen Verhalten einen weiteren Versuch der Mundtotmachung und verlangen, daß die willkürliche Entscheidung des Vizepräsidenten Professor Carlo Schmid entsprechend den Grundsätzen der Geschäftsordnung dahingehend geändert wird, daß die von unserer Fraktion bereits eingereichten Anträge geschäftsordnungsmäßig im Bundestag behandelt werden. Insbesondere verlangen wir, daß die bereits von uns eingerechten Anträge auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung des Bundestages gesetzt werden.
In der Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, die sich mit dieser Beschwerde befaßte, konnte sich der anwesende Beschwerdeführer, Herr Abgeordneter Kohl, an Hand der Aktendarstellung, die ich als Berichterstatter zu geben hatte, davon überzeugen, daß der Teil seiner Beschwerde, wonach die Entscheidung des Präsidiums auf rein persönlichen Erwägungen des amtierenden Vizepräsidenten Professor Carlo Schmid beruhe, den Tatsachen nicht entspricht. sondern daß nach dem Akteninhalt eher das Gegenteil der Fall war.
Die Aufgabe des Ausschusses bestand darin, zu prüfen, ob die Annahme des Beschwerdeführers berechtigt sei, wonach die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages keine Handhabe für eine solche Maßnahme enthalte. Die Maßnahme selbst besteht darin, daß das Präsidium des Bundestages bestritt, daß eine Fraktion, die nicht mehr die in der Geschäftsordnung vorgesehene Fraktionsstärke besitzt, in der Lage sei, entsprechende Anträge als Fraktion einzubringen. Die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten der kommunistischen Fraktion durch die verschiedenen Ausschlüsse hat unzweifelhaft zu einer Verminderung geführt, die die Frage der Antragsberechtigung als Fraktion im Sinne der Geschäftsordnung aufwerfen mußte. Es lagen in dem Moment der Beschwerdeführung eine ganze Anzahl von Anträgen der kommunistischen Fraktion vor, die sich sämtlich an den Bundestag richteten und im Plenum des Bundestages zu behandeln gewesen wären.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat in gewissenhafter Durchforschung der Rechtslage folgende Feststellung getroffen:
Es existiert zu § 49 der Geschäftsordnung eine Anmerkung zu Abs. 2, die wesentlicher Bestandteil der Geschäftsordnung ist. Diese Anmerkung, die zweifellos der Aufmerksamkeit des Herrn Beschwerdeführers und seiner Freunde entgangen sein dürfte, hat folgenden Wortlaut:
Der zeitweise Ausschluß eines Abgeordneten
von den Sitzungen behindert den Abgeordneten in dieser Zeit auch, rechtsgültig Anträge zu stellen, die ihre Erledigung im Plenum finden.
Damit war nachgewiesen, daß die Beschwerde des Herrn Abgeordneten Kohl und seiner politischen Freunde jeder Rechtsgrundlage entbehrte und daß die Haltung des Präsidiums des Deutschen Bundestages sich vollkommen mit den Bestimmungen der Geschäftsordnung deckte. Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat einstimmig beschlossen, mich zu beauftragen, im Plenum zu beantragen, diese Beschwerde der kommunistischen Fraktion bzw. des Herrn Abgeordneten Kohl zurückzuweisen, und zwar gestützt auf die Anmerkung zu § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung.
Die Antragsberechtigung der Herren, die in der kommunistischen Fraktion zusammengeschlossen sind, wird in dem Moment wieder entstehen, in dem die Frist für den Ausschluß des einen oder anderen Abgeordneten abgelaufen und die übliche Fraktionsstärke wieder erreicht sein wird.