Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sauberkeit der Staats- und Parlamentsführung ist eine wesent-
liche Voraussetzung für die Demokratie, wenn sie das Vertrauen des Volkes haben will.
Der Weimarer Republik, die sich doch bemüht hat, die öffentlichen Dinge im Geiste der Reinlichkeit zu behandeln, hat es überaus geschadet, daß einzelne Skandale von staatsfeindlichen Elementen in bewußter Hetze gegen die Idee der Demokratie ausgenützt worden sind. Wenn deshalb der Vorwurf der Unlauterkeit, der Korruption oder Bestechung in der jungen deutschen Bundesrepublik auftaucht, so müssen wir ihm nachdrücklich und scharf nachgehen, aus welcher Quelle er auch immer kommen mag.
In einem Presseorgan ist die Behauptung wiedergegeben worden, daß in der Hauptstadtfrage an Abgeordnete aller Fraktionen etwa 2 Millionen DM gezahlt worden seien, wobei Namensnennungen erfolgten. Es handelt sich hier um den schwersten Vorwurf, der einem Volksvertreter gemacht werden kann, nämlich daß er seine Entscheidungen nicht gemäß seinem Gewissen trifft, sondern gemäß den Zuwendungen von Interessenten. Dieser Vorwurf berührt die Ehre und die Stellung des ganzen Bundestages. Daher haben sich alle Fraktionen des Bundestags darauf geeinigt, den zunächst von der Bayernpartei gestellten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 des Grundgesetzes als einen gemeinsamen Antrag einzubringen.
Dieser Ausschuß soll sich aus 15 Mitgliedern zusammensetzen, unter Ausweitung auf je 1 Mitglied derjenigen Fraktionen, die in den 21er-Ausschüssen vertreten sind. Der Ausschuß soll in Permanenz tagen und seine Aufgaben so fördern, daß möglichst in zwei, höchstens in drei Wochen das Ergebnis feststeht. Jedes Mitglied dieses Ausschusses wird sicherlich in Erkenntnis der folgenschweren Bedeutung dieses Untersuchungsausschusses die Angelegenheit keineswegs unter parteitaktischen oder parteipolitischen Gesichtspunkten beurteilen, sondern so, wie es das Ansehen des gesamten Bundestags erfordert, denn es geht schließlich um die Sauberkeit in der wichtigsten Einrichtung der Demokratie, der Volksvertretung. Gerade weil die Parteien beim Volk keineswegs besonders beliebt sind, sollte der Ausschuß bei seinen Überlegungen die schärfsten Maßstäbe anlegen.
Um aber nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, daß nun die Parteien vielleicht diese Angelegenheit unter sich erledigen wollten, sollen die Verhandlungen des Ausschusses in voller Öffentlichkeit stattfinden.
Bei den Überlegungen genügt es keineswegs, festzustellen, ob etwa strafrechtliche Tatbestände erfüllt sind, sondern es ist zu prüfen, ob die Abgeordneten den hohen Anforderungen an Moral und Haltung, die man von Volksvertretern verlangen muß, genügt haben. Der Bundestag müßte gegebenenfalls Mittel und Wege finden, um Abgeordnete, die sich zwar nicht strafrechtlich, aber moralisch vergangen haben, aus seiner Mitte auszuschließen.
Dazu wäre es erforderlich, daß der vor einiger Zeit beschlossene Ehrenrat durch Fertigstellung seiner Ehrenordnung funktionsfähig wird.
Es muß bei der Behandlung dieser Angelegenheit beim Volk der Eindruck entstehen, daß es dem Parlament ernst ist: volle Aufklärung zu schaffen und jeden Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn die Angelegenheit in diesem Geiste behandelt wird, dann werden die Feinde der Demokratie keinen Anlaß zu Angriffen auf sie haben; denn ein Parlament, das die Stärke hat, sich nötigenfalls selbst zu reinigen, wird unter Mitwirkung einer verantwortungsvollen Presse gestärkt aus der Angelegenheit hervorgehen und beim Volk nur an Ansehen gewinnen.
Ich bitte daher, dem Antrag zuzustimmen und den Ausschuß in der beantragten Form einzusetzen.