Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Kollege von der sozialdemokratischen Fraktion hat gebeten, die Diskussion sachlich und in ernster Würdigung des Problems zu führen. Ich glaube, es ist keiner in diesem Hause, der an den monatelangen Beratungen im Ausschuß für Sozialpolitik teilgenommen hat, der nicht die ganze Verantwortung gespürt hätte, die in diesen Beratungen die Grundlage unseres Gesprächs auch dann waren, wenn sich die Geister sehr heftig geschieden haben.
Ich darf meiner Freude Ausdruck geben, daß die sozialdemokratische Fraktion mit dieser Gesetzesvorlage einen Geist offenbart, den ich ihr - das darf ich ehrlich bekennen — nicht zugetraut habe.
Sie hat hier zum ersten Mal von ihrer Ideologie der Einheitskrankenkasse Abstand genommen, indem sie die Notwendigkeit der Einrichtung von Sonderkrankenkassen in der berufsständischen Entwicklung der deutschen Krankenversicherung, so wie sie gewachsen sind, anerkannt hat. Ich kann mir nicht versagen, ihr diese Anerkennung auszusprechen, weil ich hoffe, daß aus dieser Erkenntnis die künftige Diskussion um die Reform der deutschen Sozialversicherung eine sehr fruchtbare Bereicherung auch von der linken Seite des Hauses erfahren wird.
Ich freue mich auch, daß Sie die Versicherten hören wollen. Sie vertreten mit dieser Gesetzesvorlage auch die Auffassung, daß nicht allein die Idee einer politischen Partei, sei sie noch so groß, oder die Auffassung einer Gewerkschaft, sei sie auch eine noch so große Massenorganisation, über die Organisation der Krankenversicherung zu entscheiden hat.
All denen, die ernsthaft um eine sachliche Würdigung bemüht sind, empfehle ich, die Abstimmungsergebnisse in der französischen Zone nachzulesen. Sie werden dann feststellen, daß die Versicherten in den Betrieben ein überwältigendes Bekenntnis zu ihren betrieblichen Krankenversicherungen abgelegt haben, als ihnen damals durch die Militärregierung die Einheitskasse diktiert wurde. Diese ist dann später auf Grund der freien Willensäußerung der Versicherten wieder beseitigt worden.
Ich habe nicht die Absicht, jetzt auf die in der Debatte aufgetretenen einzelnen Punkte einzugehen, weil ich der sozialpolitisch sehr interessanten Debatte in der zweiten Lesung nichts vorwegnehmen möchte. Ich möchte nur sagen, daß es nach
der Auffassung meiner Fraktion hinsichtlich der Art. 1 bis 5 keiner Gesetzesvorlage der SPD bedurfte, da ja die Kollegen der SPD-Fraktion in der Lage waren, im Ausschuß für Sozialpolitik an dieser Materie mitzuarbeiten und das auch ausgiebig getan haben. Dagegen sind wir mit Ihnen von der SPD-Fraktion der Auffassung, daß die in den Art. 5 bis 7 des Antrags behandelten Fragen geordnet werden müssen. Das soll allerdings nicht mit diesem Gesetz geschehen, da uns bereits zugesagt worden ist, daß das Arbeitsministerium ein Organisationsgesetz vorlegen werde, worin die Fragen der Gemeinlast, des vertrauensärztlichen Dienstes, kurz der Gemeinschaftsaufgaben neu geregelt werden. Es ist uns bekannt, daß die Vorbesprechungen im Arbeitsministerium bereits stattgefunden haben und daß zwischen den Verbänden der Krankenkassen und den ärztlichen Standesorganisationen über die Frage der künftigen Regelung des vertrauensärztlichen Dienstes bereits eine weitgehende Übereinstimmung erzielt worden ist. Aus diesen Gründen und weil es uns um die sachliche und ernste Würdigung geht, um die Sie gebeten haben, muß ich namens meiner Fraktion diese Gesetzesvorlage ablehnen. Wir stellen Ihnen anheim, zu den Art. 5 und 7, deren Lösung auch wir erstreben, im Ausschuß Ihre wertvolle Hilfe nicht zu versagen.