Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Neuordnung der Arbeitslosenversicherung ist
eine Frage, die in den Kreisen derer, die etwas von diesen Dingen verstehen, tatsächlich seit zwei Jahren sehr stark diskutiert wird. Auch wir in der Verwaltung für Arbeit in Frankfurt und später im Arbeitsministerium haben uns immer wieder Gedanken darüber gemacht, wie man auf diesem Gebiet zu einer Gesundung der Verhältnisse kommen könnte. Wir haben im Ministerium das heute auf diesem Gebiet in den elf Ländern der Bundesrepublik bestehende Recht einmal zusammentragen lassen. Es ist ein hoher Stoß von gedruckten Verordnungen, die heute bindendes Recht darstellen.
Die Frage war: Konnte man zu einer Neuordnung des AVAVG kommen, ohne daß wir eine Bundesanstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung hatten? Ich habe auch den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gegenüber lange Zeit die Meinung vertreten: man sollte zuerst eine völlige Reorganisation des Gesetzes vornehmen und dann die Bundesanstalt errichten. Aus den beteiligten Kreisen ist mir gesagt worden: bei der heutigen Unübersichtlichkeit ist es kaum möglich, eine wirkliche Neuordnung des Gesetzes herbeizuführen, weil wir die Unterlagen gar nicht haben und weil die Gefahr besteht, daß sie uns von den einzelnen Ländern auch nicht zur Verfügung gestellt werden: Sie wissen, daß der Bundesarbeitsminister zur Zeit keine Möglichkeit hat, auf die Gestaltung der Dinge in den Landesarbeitsämtern irgendeinen Einfluß auszuüben; das ist eine reine Angelegenheit der Länder. Erst durch die Schaffung der Bundesanstalt wird hier eine neue Ordnung geschaffen werden.
Eine ganz andere Frage ist, ob man im Augenblick dazu übergehen soll, eine Erweiterung der Versicherungspflicht in der Landwirtschaft durchzuführen. Diejenigen, die die heutigen Verhältnisse im Bund kennen, wissen, daß es keine Gruppe gibt, in der die Arbeitslosenversicherung so mißbräuchlich in Anspruch genommen wird wie in der Landwirtschaft. Ich sage Ihnen: es haben sich zum Teil Dinge entwickelt, die den Keim des Ungesunden geradezu drastisch sichtbar werden lassen. Wenn beispielsweise heute zwei kleine Landwirte in der Konjunktur gegenseitig ihre Söhne beschäftigen, um sie im Winter wieder zu sich in die Familie zurückzunehmen, und die Söhne auf Grund dieses Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslosenunterstützung beziehen, dann weiß man zum Schluß nicht mehr, wohin die Dinge laufen sollen. Wenn wir heute aus weitesten Kreisen des Bundes täglich Zuschriften bekommen, wonach gerade in den rein ländlichen Gebieten die Schwarzarbeit nicht allein in der Landwirtschaft, sondern sogar im Handwerk geradezu beängstigende Form annimmt, so muß man sagen: die Neuordnung des Gesetzes muß ihre Zeit haben, und die wirklich sachverständigen Menschen müssen hier zu Rate gezogen werden.
Der Antrag enthält einen Teil, den ich jeden Tag mitmache: das ist die Einbeziehung der Lehrlinge in die Arbeitslosenversicherung im letzten halben Jahr der Lehre, um ihnen bei Beendigung der Lehrzeit nicht etwa das zuzumuten, was von den Antragstellern hier gesagt worden ist. Ich kann aber auch hier sagen, daß sich — Gott sei Dank — für dieses Jahr die Verhältnisse nicht so ausgewirkt haben, wie es teilweise angenommen wurde, und ich habe die Hoffnung, daß die Zahl derjenigen, die im nächsten Jahre die Lehre verlassen, ins Wirtschaftsleben eintreten wollen und arbeitslos werden, nicht so groß sein wird wie in der Vergangenheit. Ich bin aber, wie gesagt, gern bereit, vom Ministerium aus alle Wege mitzugehen, um auf diesem Gebiet den Wünschen der Antragsteller so bald wie möglich gerecht zu werden.