Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier wieder um einen Fall, in dem ein Teilproblem aus einem in Arbeit befindlichen Gesetzeskomplex vorweg herausgenommen werden soll. Wir sollen uns hier wieder mit einer Teillösung befassen. Ich bin der Meinung, daß diese Methode der Arbeit des Hauses nicht zuträglich ist. Ich bitte vor allem die Damen und Herren des Ausschusses für Arbeit, die sich ja hiermit zu befassen haben werden, zu bedenken, welche Fülle von Arbeit sie vor sich haben und ob wir nun die Probleme, die hier angeschnitten werden, für so wichtig erachten, daß wir die anderen, die augenblicklich zur Debatte stehen, dahinter zurückstellen dürfen. Wenn wir die Sache dahin prüfen, bin ich überzeugt, daß wir vielleicht doch zu der Ansicht kommen, wir könnten diese Probleme, die bestimmt nicht die wichtigsten aus dem Komplex Arbeitslosenversicherung sind, zurückstellen, bis der Regierungsentwurf vorliegt.
Materiell befaßt sich der Vorschlag mit drei Gruppen von Arbeitnehmern, deren Versicherungsschutz entweder neu eingeführt oder erweitert werden soll. Der wichtigste Kreis sind die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, von denen hier ausführlich gesprochen worden ist. Wir wollen doch alle den echten Versicherungscharakter dieses Gesetzes beibehalten. Zu diesem echten Versicherungscharakter gehört notwendigerweise, ,daß auch die Gefahr des Risikos, gegen das die Versicherung erfolgen soll, vorhanden ist. Ich bin im Gegensatz zu den Ausführungen der Antragsteller der Ansicht, daß bei diesem Kreis die Gefahr, daß der Versicherungsfall eintreten könnte, sehr gering ist, bei der heutigen Lage außerordentlich gering. Wir wissen alle, daß die Landwirtschaft nach Arbeitskräften sucht, daß sie sich darum bemüht, Arbeitskräfte zu erhalten, und daß sie damit nicht genügend Erfolg hat. Dieser Kreis ist von der Arbeitslosigkeit verhältnismäßig wenig bedroht. Infolgedessen liegt auch keine Veranlassung vor, ihn nun mit den Lasten der Beiträge zu bedrücken. Wir müssen dabei auch daran denken, daß die Landwirtschaft auf Grund ihrer Ertragslage größere Schwierigkeiten auf dem lohnpolitischen Gebiet hat als die übrige deutsche Wirtschaft, und wir dürfen diese Schwierigkeiten nicht noch unnötig erhöhen durch Belastungen, die sich vermeiden lassen.
Der zweite Kreis umfaßt die Lehrlinge. Es steht außer Zweifel, daß wir dem arbeitslos werdenden Lehrling einen Versicherungsschutz angedeihen lassen müssen. Ob es dafür notwendig ist, schon 12 Monate vor Schluß der Lehre eine Versicherungspflicht eintreten zu lassen, ist fraglich. Ich glaube, daß wir uns vielleicht doch auf die Formulierung einigen könnten, die im Lande Rheinland-Pfalz schon eingeführt ist und die diese Versicherungspflicht erst bei 6 Monaten beginnen läßt. Auch der Vorschlag der Antragsteller, daß unter gewissen Umständen die Versicherungspflicht rückwirkend vorverlegt werden soll, ist nicht durchführbar. Wie sollen denn die Beiträge aus der zunächst gar nicht erkennbaren Zeit nachgezahlt werden?
Ein anderes Problem, das meiner Ansicht nach völlig übersehen worden ist, ist die Lage unserer Jugend. In diesem Hause ist wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, daß wir eine sehr große Zahl von Jugendlichen haben, die vergeblich nach einer Lehrstelle suchen. Wir haben, um dieses Problem zu lösen, von meiner Partei aus Anträge gestellt. Wir können es nicht lösen, wenn wir das Halten eines Lehrlings weiter mit höheren Kosten verknüpfen. Die Gefahr der Arbeitslosigkeit ist hier auch zu schwarz dargestellt worden. Bei der großen Mehrzahl besonders der industriellen Lehrlinge ist es ganz selbstverständlich, daß sie einen Arbeitsplatz in dem Betrieb erhalten, in dem sie ihre Lehrzeit gerade beendet haben. Bei der überwiegenden Zahl der Handwerksbetriebe ist das gleiche der Fall. Bei denjenigen, die ausscheiden — es mögen vielleicht bis zu 100/o der Ausscheidenden sein — handelt es sich im allgemeinen um diejenigen, die die Erwartungen nicht erfüllt haben, die man in sie bei Beginn der Lehre gesetzt hatte. Aber zweifellos müssen wir für sie sorgen, und wir werden im Ausschuß auch versuchen, den rechten Weg zu finden.
Bezüglich des dritten Personenkreises schließe ich mich den Ausführungen der beiden Vorredner an. Es ist nicht mehr als recht und billig, daß wir einem Personenkreis, der ein so geringes Einkommen hat, eine Hilfe angedeihen lassen und den Arbeitgeber verpflichten, die Beiträge voll zu zahlen. Über die Höhe des Betrages und über die sonstigen Bedingungen, die daran zu knüpfen sind, hätten wir uns im Ausschuß noch näher zu unterhalten.
Ich schlage vor, diesen Antrag nicht nur an den Ausschuß für Arbeit — an diesen allerdings federführend —, sondern auch an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Ich hoffe, daß wir das Problem in diesen Beratungen, in Verbindung mit dem inzwischen vorzulegenden Gesetz der Regierung, gut bearbeiten können.