Rede von
August
Neuburger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie mit Ausführungen über Einzelheiten des Gesetzes nicht aufhalten. Sie haben darüber in der vorausgegangenen Debatte genügend gehört. Sie wissen, daß die Regelung des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiete der Finanzen und Steuern schon bei der Beratung und Schaffung des Grundgesetzes zu den schwierigsten Materien gehörte. Wir wissen alle, daß damals das Zustandekommen des Grundgesetzes infolge der
Auseinandersetzungen hierüber beinahe gefährdet wurde.
Nun geht es an die teilweise Ausführung dieser Bestimmungen, und auch da hat sich gezeigt, daß die Ausführung nicht weniger schwierig ist. Dem heutigen Gesetze gingen monatelange Verhandlungen voraus. Diese Verhandlungen wurden — das möchte ich ausdrücklich feststellen — von allen Seiten mit dem Willen geführt, eine Einigung, eine tragbare Einigung zu erzielen. Andererseits drängte die Zeit; denn das neue Rechnungsjahr begann, und die Lasten waren vom Bund übernommen. Diese Lasten waren höher als die Einnahmen, die mitübernommen wurden. Wir stehen daher vor der Tatsache, daß dieses Gesetz heute in praxi schon durchgeführt wird, obwohl wir hier noch über seine Annahme debattieren.
Daher stehen wir auch unter dem Zwang, nun einmal mit dieser gesetzlichen Regelung einen Anfang zu machen. Niemand von uns wird behaupten wollen, daß mit diesem Gesetz auf diesem schwierigen Gebiet bereits eine Lösung gefunden wurde, die dem Ei des Kolumbus gleicht. Aber wichtiger als das Streiten um Zahlen und um Prozente ist die Auseinandersetzung über die Grundsätze, die diesem Gesetz zugrunde liegen, und da kann ich doch feststellen, daß über diese Grundsätze im wesentlichen eine Einigung erzielt werden konnte.
Zunächst der Grundsatz der Interessenquote. Wie der Herr Bundesfinanzminister schon festgestellt hat, ist diese Interessenquote erstmalig von den Ministerpräsidenten als ein zu bejahender Faktor in die Debatte geworfen worden. Die Ministerpräsidenten waren es also, die erklärt haben: Wir sind für eine Interessenquote. — Und warum? Sie sind deshalb für eine Interessenquote, weil sie andererseits den Standpunkt vertreten, daß die Verwaltung und die Steuerung dieser Ausgaben in dem Zuständigkeitsbereich der Länder bleiben sollte. Daher ist es keine verfassungsrechtliche Frage, sondern es ist sozusagen eine Frage der Vereinbarung zwischen dem Bund einerseits und den zuständigen Ministerpräsidenten andererseits, eine
Vereinbarung, die auf dem Gebiete der Verwaltung liegt. Hier einerseits Interessenquote, andererseits das Belassen der Verwaltung dieser Lasten im Bereich der Länder. Da also die Länder eine Einwirkungsmöglichkeit, eine Einflußnahme auf die Höhe der Ausgaben haben, deshalb auch die Interessenquote, und je nach dem Grad dieser Einflußnahme ändert sich auch die Höhe der Interessenquote.
Zweifellos konnte dieser Finanzausgleich, den man vielleicht als einen Anfang eines vertikalen Finanzausgleichs bezeichnen könnte, nicht getrennt von den Grundsätzen beraten werden, die für den horizontalen Finanzausgleich gelten müssen, der auf den Grundsätzen des Art. 106 des Grundgesetzes basiert. Daher war die zweite Forderung im Ausschuß, daß für die gleiche Zeit, für die dieses Gesetz gelten soll, auch ein horizontaler Finanzausgleich geschaffen wird. Wir haben von dem Bundesfinanzminister gehört, daß dieser Finanzausgleich sich bereits zur Beratung in den Gremien des Bundesrates befindet und daß wir demnächst eine entsprechende Vorlage bekommen.
Ein weiterer Grundsatz ist der, daß die Interessenquote als solche ein Kostenelement dieses horizontalen Finanzausgleichs bildet.
Wir stehen, wie gesagt, vor einem Anfang, und die Lösung wird zunächst eine Probe sein. Deshalb auch die Beschränkung dieses Gesetzes auf das Etatsjahr 1950. Der Grundsatz der Verfeinerung kann also erst im kommenden Jahr verwirklicht werden, nachdem wir einerseits aus diesem Gesetz und andererseits aus dem Gesetz über den horizontalen Finanzausgleich Erfahrungen gesammelt haben. Ich habe vorhin erwähnt, daß die Verhandlungen auch im Ausschuß für Finanzen und Steuern allseitig mit dem Willen einer Einigung geführt wurden. Niemand hat den Gedanken' — und ich unterstelle, daß auch niemand in diesem Hause diesen Gedanken hat —, die staatsrechtliche Grundlage des Grundgesetzes irgendwie zu trüben oder mit diesen Gesetzen über vertikalen und horizontalen Finanzausgleich in diesen föderativen Aufbau unserer Bundesrepublik Spaltpilze zu legen. Es wäre auch mehr als verfehlt; denn unter einem Schicksal stehen wir alle, ein Schicksal schwebt über uns allen, gleichgültig, ob wir an der Elbe, am Rhein, an der Weser oder an der Donau wohnen. Dieses Schicksal aber rechnet nicht mit spitzem Bleistift und nicht mit kleinen Prozenten.