Meine Damen und Herren! Der Gedanke der Interessenquote kann nur insofern von Bedeutung sein, als die Länder tatsächlich in der Lage sind, durch eine sparsame Verwaltung und durch eine sparsame Ausgabenwirtschaft etwas zu ersparen. Wenn Sie sich aber einmal den Katalog des § 2 zusammen mit § 5 a ansehen, so werden Sie sehen, daß der größte Teil der Ausgaben, ich möchte sagen 90 % dieser Ausgaben, von den Ländern gar nicht beeinflußt werden können. Wie kann man jemand an einer Ausgabe interessieren, die ihm zwangsläufig erwächst? Insofern ist der Gedanke der Interessenquote, so richtig er an sich ist, doch falsch ausgeführt, indem den Ländern ein bestimmter Prozentsatz an der Gesamtheit der Ausgaben vorbehalten bleibt. Ich meine deshalb: wenn man von dem Gedanken der Interessenquote ausgeht, dann sollte man diejenigen Ausgaben, die von den Ländern beeinflußbar sind — das sind insbesondere die Verwaltungsausgaben —, gesondert auswerfen und daran möglicherweise die Länder beteiligen, sofern das aus rechtlichen Gründen zulässig sein sollte.
Es kommt noch ein weiterer, steuerpolitischer Gesichtspunkt hinzu. Die Beteiligung der Länder an Interessenquoten sieht so aus, als wären die Länder die Betroffenen. Aber wer ist denn letzten Endes der Betroffene? Doch nicht die Länder! Letzten Endes werden die Finanzzuweisungen an die Gemeinden gekürzt werden müssen, damit die Länder ihre Haushalte in Ordnung bringen können. Die Gemeinden werden ihrerseits wieder die Gemeindesteuern auf den höchstzulässigen Hebesatz bringen müssen, um ihre Aufgaben erledigen zu können. Damit gehen also diese in der Konzeption nicht richtig durchdachten Interessenquoten im Endeffekt zu Lasten der Gemeinden und zu Lasten der Steuerpflichtigen. Dadurch wird
ein Gedanke, der doch unser gesamtes Steuerrecht beherrscht, nämlich die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, in Frage gestellt. Ich glaube deshalb, daß dieser Gedanke der Interessenquote, so bestechend er im ersten Augenblick sein mag, bei genauerer Überlegung doch nicht den Wert hat, den man ihm in der Diskussion beigemessen hat.
Es kommt aber noch ein Gesichtspunkt hinzu. Art. 120 des Grundgesetzes sagt ausdrücklich, daß der Bund die Besatzungs- bzw. Kriegsfolgelasten, und zwar nicht einzelne, sondern die gesamten Lasten nach näherer Maßgabe eines Bundesgesetzes zu übernehmen habe. Das kann doch nur bedeuten, daß sich dieses Bundesgesetz mit dem Zeitpunkt oder mit den Modalitäten der Übernahme zu befassen hat, aber doch nicht, daß der Bund tatsächlich nicht 100 %, sondern, wie es hier heißt, nur 75 % der Kriegsfolgelasten zu übernehmen habe. Damit übernimmt er ja nicht die Lasten, wie es das Grundgesetz vorschreibt, sondern nur einen Teil der Lasten. Ich glaube deshalb, daß bei einer Wortinterpretation mindestens die hier getroffene Regelung dem Grundgesetz nicht entsprechen dürfte.
Aber entspricht die Regelung denn dem Sinn des Grundgesetzes? Ich glaube, man wird sagen müssen, daß sie dem Sinn des Grundgesetzes ebensowenig entspricht; denn der Gesetzgeber hat in ganz richtiger Erkenntnis der politischen Bedeutung dieser Angelegenheit — ich komme gleich noch darauf zu sprechen — die Umlage dieser Ausgaben auf die Steuerkraft der einzelnen Länder abgestellt. Wenn wir nämlich den Maßstab der Steuerkraft der einzelnen Länder verlassen wollten, dann würden wir die steuerschwachen Länder noch zusätzlich politisch schwächen. Man muß bedenken, daß bereits im laufenden Haushaltsjahr die steuerschwachen Länder Kassenhilfen bei den steuerstarken Ländern haben erbitten müssen. Daß solche Kassenhilfen die Möglichkeit auch einer politischen Schwächung und einer politischen Beeinflussung ihrer Abstimmung bei anderen Dingen im Bundesrat ergeben könnten, liegt doch auf der Hand. Es ist immer so im politischen Sektor: woher das Geld kommt, von da geht auch ein entsprechender politischer Einfluß aus, und diese Gefahr zumindest sollten wir sehen und nicht ohne weiteres vernachlässigen. Denken Sie doch bitte einmal an das Heilige Römische Reich, in dem die großen Territorialgewalten ebenfalls auf Kosten der Städte und auf Kosten der Zentralgewalt gestärkt worden sind. Eine ähnliche Entwicklung kann mit dieser Gesetzgebung herbeigeführt werden. Wir machen deshalb auf die Gefahr aufmerksam, die in einer solchen Entwicklung liegen kann.
Ein letzter Gesichtspunkt! Es ist richtig, daß bisher nach diesem Gedanken, wie er hier niedergelegt worden ist, verfahren wurde. Es ist der Weg des geringsten Widerstandes gegangen worden; der Weg des geringsten Widerstandes verlockt ja immer dazu, begangen zu werden. Aber ob man entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes und trotz der politischen Gefahren, die mit einer solchen Entwicklung für die Gemeinden und letzten Endes für die Steuerpflichtigen verbunden sind, den Weg des geringsten Widerstandes gehen soll, ist doch eine sehr große Frage. Die Verhandlungen über dieses Gesetz sind über sehr lange Zeit geführt worden. Meine politischen Freunde und ich selber glauben nicht, daß wir im gegenwärtigen Zeitpunkt noch in der Lage sind, den Gesetzesinhalt materiell zu ändern.
Wir wollen uns deshalb der Stimme enthalten, N wollten aber nicht verfehlen, auf die Bedenken hinzuweisen, die dieses Gesetz für uns mit sich bringt.