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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. September 1950 3183 85. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. September 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3183D, 3215C Anregung des Altestenrates auf Änderung der 99 und 100 der Geschaftsordnung betr. Bezweitiung der Beschiußrahigkeit 3184A Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Wahlen in der sowjetischen Besatzungszone am 15. Oktober 1950) 318413 Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 3184B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche tragen . . . 3185A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Wehner (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen 3187B Frau Thiele (KPD) 3188C Dr. Miessner (DRP) 3192D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Maßnahmen zum Schutze der deutschen Landwirtschaft (Nr. 1189 der Drucksachen) 3193C Harig (KPD), Antragsteller . . . 3193C Kriedemann (SPD) 3195B Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Bestimmungen der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs (Nr. 1249, z u Nr. 1249 der Drucksachen) . . 3195C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 3195C Richter (Frankfurt) (SPD) . . . . 3198B Arndgen (CDU) 3199C Dr. Wellhausen (FDP) 3200B Storch, Bundesminister für Arbeit . . . 3200C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kündigung von Tarifverträgen (Nr. 1269 der Drucksachen) . . 3201A Bergmann (SPD), Antragsteller . 3201B Arndgen (CDU) 3202A Dr. Wellhausen (FDP) 3203A Walter (DP) 3204B Frau Strobel (SPD) 3204D Storch, Bundesminister für Arbeit 3206D Harig (KPD) 3207C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachte Entwurfs eines Gesetzes auf Authebung des Erlasses des RReicnsarbeitsmmisters vom 10. November 1933, des sogenannten Führererlasses vom 21. Dezember 1938 und der Verordnung über den Arbeitseinsatz vom 25. März 1939 (Nr. 12'10 der Drucksachen) 3208B Freidhof (SPD), Antragsteller . . 3208C Storch, Bundesminister für Arbeit 320913 Sabel (CDU) 3210A, D Dr. Dresbach (CDU) 3210C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes (Nr. 1287 der Drucksachen) 3211A Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern 3211A Dr. Weber (Koblenz) (CDU) . . 3211D Kohl (Stuttgart) (KPD) 3213B Dr. Brill (SPD) 3213D Dr. Falkner (BP) 3214D Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 3215A Nächste Sitzung 3215C Die Sitzung wird um 14 Uhr 40 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Paul Harig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir einige wenige Worte zu diesem Thema.

    (Zurufe rechts: Überflüssig!)

    Ich habe Verständnis dafür, wenn sich die Unternehmer hier gegen diesen Antrag, der von der SPD gestellt wurde, aussprechen. Ich habe aber kein Verständnis dafür, wenn es Gewerkschaftler gibt, die die Interessen der Arbeitnehmer, die sie vertreten sollen, nicht richtig kennen. Sonst könnten sie sich gegen diesen Antrag niemals ausgesprochen haben.

    (Zuruf von der CDU: Ob Sie dafür Verständnis haben?)

    Dieser Antrag ist bezeichnend für eine Reihe von Auffassungen von Auchgewerkschaftlern. Dieser Antrag ist aber auch bezeichnend für die Wirtschafts- und Preispolitik dieser Regierung. Glauben Sie nur ja nicht, meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Antrag ablehnen, daß dann auch alles entschieden sei. An der Entscheidung sind auch Menschen interessiert, die nicht in diesem Hause sitzen. Sie werden es in Zukunft ja erleben, daß die Welle ihres Mitdabeiseinwollens bei der Entscheidung draußen höher gehen wird.

    (Zuruf rechts: Drohen Sie doch nicht dauernd!)

    Hier sind eine Reihe von Diskussionsrednern aufgetreten, die die Lage der Arbeitnehmer, die die Lage der Sozialrentenempfänger geschildert haben. Ich will mir deshalb eine Wiederholung ersparen. Aber wir wollen uns doch über eins im klaren sein. Am besten haben doch die Unternehmer seit der Währungsreform abgeschnitten.

    (Unruhe rechts.)

    Die Löhne lagen bei der Währungsreform doch ungefähr auf dem Stande von 1938. Das wenige, was an Sachlieferungen dem Arbeiter vor der Währungsreform gegeben wurde, war doch schnell wieder genommen. Oder wollen Sie bestreiten, daß die Lohnerhöhungen bei weitem nicht Schritt gehalten haben mit den Preissteigerungen? Wollen Sie bestreiten, daß nicht auf Kosten der Löhne Milliardenbeträge für Investierungen erübrigt wurden? Wollen Sie bestreiten, daß neben diesen Milliardenbeträgen an Investierungen auch noch Milliardengewinne herausgekommen sind?
    Ich konnte bislang immer die Parole nicht verstehen, die da herausgegeben worden ist und da heißt: Herunter mit den Preisen!

    (Zuruf von der Mitte: Geben Sie den Leuten in der Sowjetzone ihren Lohn, und dann reden Sie!)

    Diese Parole habe ich nie verstanden, da ich mir einbildete, daß diejenigen, die Einfluß auf die Preise haben, sich nicht an der Parole störten. Ich habe auch nie Verständnis gehabt für den Appell an die Vernunft der Unternehmer. Dieser Appell ist sinnlos.

    (Zuruf von der CDU: Ihr Verständnis interessiert uns gar nicht! Sie haben nie Verständnis!)

    — Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen. Ich stehe auch schon 30 Jahre im Betrieb, und ich kenne ja auch das Verhalten der Unternehmer. Nun klettern die Preise seit einigen Wochen und Monaten ungemein. Nicht die Preise für die Dinge, die die wenigsten kaufen, aber für die Dinge, für die der arme Mensch draußen, der wenig Einkommen hat, fast den größten Teil seines Einkommens verwendet. Das muß man sehen. Das kann auch


    (Harig)

    vom Bundesarbeitsminister nicht bagatellisiert werden.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sagen Sie das mal in Ostberlin!)

    Die englischen Gewerkschaftler sind vor einigen Tagen zusammengewesen. Sie haben ein Ansinnen der Regierung abgelehnt; sie haben abgelehnt, sich für den Lohnstop zu entscheiden, und sie haben recht getan. Sie haben abgelehnt, so wie in der Vergangenheit die Kosten der Rüstung abwälzen zu lassen auf den schaffenden Menschen, und sie haben recht gehandelt. Und hier wird es genau so kommen.

    (Zurufe: Rußland!)

    Hier will man die Preise erhöhen, um das Kapital für die Rüstung freizubekommen, um wie in früheren Zeiten die Lasten für die Rüstung auf die Schultern der Werktätigen abwälzen zu können. Das will man hier. Meine Fraktion — darüber herrscht sowieso kein Zweifel —,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    wird alles unterstützen, was dazu beiträgt, die Hindernisse aus der Welt zu räumen, die Hindernisse, die dem noch im Wege stehen, daß der Arbeiter sich frei für seine Forderungen einsetzen kann.

    (Zuruf rechts: Wie in der Ostzone!)

    Ich sage Ihnen ganz offen: hier wird das Wenigste entschieden, entschieden wird draußen im Kampf in den Betrieben. Und daß er kommt, das wird die Zukunft beweisen.

    (Abg. Mayer [Stuttgart] : Drohen Sie nicht! — Zuruf rechts: Bringen Sie in der Ostzone die richtigen Löhne! — Unruhe.)

    - Uns interessieren immer noch die Verhältnisse hier. Dafür sind wir hier.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, Sie überschätzen die pädagogische Wirkung Ihrer Zwischenrufe . . . .

(Heiterkeit.)

Keine weiteren Wortmeldungen? — Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag auf Uberweisung der Vorlage an den Ausschuß für Arbeit gestellt. Wenn ich mich nicht täusche, ist n u r der Ausschuß für Arbeit genannt worden.

(Zurufe: Nein! Auch für Wirtschaftspolitik!)

— Also auch der Ausschuß für Arbeit und Ausschuß für Wirtschaftspolitik; federführend ist der Ausschuß für Arbeit.
Ich lasse abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes auf Aufhebung des Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 10. November 1933, des sogenannten Führererlasses vom 21. Dezember 1938 und der Verordnung über den Arbeitseinsatz vom 25. März 1939 (Nr. 1270 der Drucksachen).

(Unruhe.)

Meine Damen und Herren, ich bitte, die Lautstärke der Gespräche ein wenig zu senken. Es ist für mich sonst zu schwer, mich verständlich zu machen.
Der Ältestenrat schägt Ihnen vor, für die Begründung dieses Antrages 15 Minuten und für die Aussprache darüber insgesamt 40 Minuten Redezeit zu beschließen. — Kein Widerspruch! Es ist so beschlossen. Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Freidhof.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Freidhof


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion — Drucksache Nr. 1270 — verfolgt den Zweck, den Bundestag zu bitten, dem Gesetzentwurf, der in dieser Drucksache enthalten ist, seine Zustimmung zu geben, um die Selbstverwaltung in der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wiederherzustellen, damit das im Dritten Reich eingeführte Führerprinzip aufgehoben wird. Die Organisation der Reichsanstalt war auf demokratischer Grundlage als Selbstverwaltung aufgebaut. Sie war eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenem Haushalt. Die Anstalt hatte Amtsstellen und Organe. Diese Organe setzten sich aus dem Vorstand und dem Verwaltungsrat der Reichsanstalt sowie den Verwaltungsausschüssen der Landesarbeitsämter und der Arbeitsämter zusammen. Die Verwaltungsausschüsse der Arbeitsämter bestanden aus Vertretern der Sozialpartner, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und der öffentlichen Körperschaften als Beisitzer.
    In einem Erlaß vom 10. November 1933, also im Dritten Reich, wurde bestimmt, daß alle Befugnisse, die nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom Vorstand und dem Verwaltungsrat der Reichsanstalt sowie den Verwaltungsausschüssen der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter auszuüben waren, auf den Präsidenten übertragen werden. Damit war der demokratische Aufbau der Reichsanstalt vernichtet und das autoritäre Führerprinzip eingeführt. Sämtliche Organe waren ausgeschaltet. Aber das genügte noch nicht; man ging weiter. In einem weiteren Erlaß vom 21. Dezember 1938 wurde angeordnet, daß die Aufgaben und Befugnisse des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auf den Reichsarbeitsminister übergehen. Damit waren auch dem Präsidenten der Reichsanstalt alle Befugnisse genommen worden. Er wurde praktisch zu einem Abteilungsleiter im Reichsarbeitsministerium. Aber es kam noch besser. In einer Verordnung über den Arbeitseinsatz vom 25. März 1939 bestimmte der Arbeitsminister, daß die Landesarbeitsämter und die Arbeitsämter Reichsbehörden werden und dem Reichsarbeitsminister unterstellt werden. Damit war der letzte Rest einer selbständigen Reichsbehörde, wie es die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung war, genommen. Sämtliche Beamten der Reichsanstalt wurden Reichsbeamte, und Dienstherr für die Angestellten und für die Arbeiter wurde das Reich.
    In § 3 der eben genannten Verordnung vom 25. März 1939 wurde bestimmt, daß die Reichsanstalt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bleibt, daß das Beitragsaufkommen zu vereinnahmen und nach Maßgabe ihres Haushaltsplans zu verausgaben ist. Der Reichsarbeitsminister wurde bestimmt; er verwaltete den Reichsstock für den Arbeitseinsatz und setzte mit Zustimmung des Reichsministers der Finanzen einen Haushalt fest. Damit war die Selbstverwaltung restlos beseitigt, und Sie wissen ja aus der Erfahrung, daß die finanziellen Mittel, die die Reichsanstalt während


    (Freidhof)

    des Krieges zur Verfügung hatte, fast restlos für die Rüstungsindustrie verwendet wurden.
    Da es sich bei der Reichsanstalt um die Beiträge der Versicherten handelt, genau so wie bei der Sozialversicherung, wo die Selbstverwaltung wiederhergestellt werden soll, verlangen auch wir, daß in der Reichstanstalt die Selbstverwaltung wiederhergestellt wird und daß der Reichsstock wieder unter die Selbstverwaltung fällt.
    In einem Gutachten, daß das Bundesarbeitsministerium im Frühjahr dieses Jahres herstellen ließ, ist der Standpunkt vertreten worden, daß der Bundesarbeitsminister Rechtsnachfolger des Reichsarbeitsministers sei, daß der Führererlaß und die Verordnung des Reichsarbeitsministers noch zu Recht beständen, daß sie nicht typisch nationalsozialistisch gewesen seien und somit der Bundesarbeitsminister berechtigt und verpfichtet sei, die Dienstaufsicht über die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter auszuüben, und daß diese Einrichtungen als Bundesbehörden ihm unterständen. Der Bundesjustizminister und der Bundesinnenminister haben in einem Gutachten vom 3. bzw. vom 5. Mai 1950 sich im wesentlichen dem Gutachten des Bundesarbeitsministeriums angeschlossen und insbesondere den Führererlaß als noch fortbestehend anerkannt. Infolgedessen hat das Kabinett am 6. Juni 1950 den Bundesarbeitsminister beauftragt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die früheren Rechte des Reichsarbeitsministers auszuüben.
    Ein Rechtsgutachten, das der Rechtsausschuß des Bundesrats angefertigt hat, ist im wesentlichen zu einer gegenteiligen Auffassung als das Bundesarbeitsministerium gekommen. Es ist interessant, daß nach mehr als fünf Jahren nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches immer noch Führererlasse in Kraft sind. Deshalb bitte ich den Bundestag, zu beschließen, daß die Führererlasse und die Verordnungen, die während des Dritten Reiches für die Reichsanstalt erlassen worden sind, aufgehoben werden. Ihre Aufhebung ist die einzige Möglichkeit, eine klare Lage zu schaffen und eine Neuordnung der Arbeitsverwaltung herbeizuführen. Ich glaube, es liegt im Interesse der beiden Sozialpartner, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, daß diese Neuordnung erfolgt.
    Daher bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Ich möchte gleichzeitig beantragen, diesen Antrag dem sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen.