Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Datum, das der Antrag der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 1269 trägt, zeigt, daß er zu einer Zeit gestellt wurde, als sich die ersten Auswirkungen des Korea-Konfliktes auf dem Preismarkt zeigten und die Befürchtung aufkam, die Preisentwicklung würde einen derartigen Notstand auslösen, daß der Gesetzgeber gezwungen sei, in bestehendes, von den Vertragspartnern geschaffenes Recht und in die von diesen Vertragspartnern abgeschlossenen Verträge einzugreifen. Es ist nicht zu leugnen, meine Damen und Herren, daß in den letzten Wochen die Preise für Getreideerzeugnisse und Fleisch fühlbar in die Höhe gegangen sind.
Wie aber, meine Damen und Herren, und in welchem Ausmaß sich die Preisentwicklung auf die Lebenshaltungskosten im ganzen ausgewirkt hat, darüber gehen die statistischen Feststellungen sehr weit auseinander.
Die Frage, ob die Preisgestaltung eine derartige Entwicklung genommen hat oder noch nehmen wird, daß von einem außerordentlichen Notstand gesprochen werden kann, der einen einschneidenden Eingriff in die Vertragssphäre der Sozialpartner rechtfertigt, kann wohl kaum bejaht werden.
Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Annahme des Antrages der SPD-Fraktion ohne genaue Prüfung würde einen Einbruch in die Vertragssphäre der Sozialpartner bedeuten, einen Einbruch, der sich zu gegebener Zeit einmal als Bumerang für die Arbeitnehmer auswirken könnte.
Soweit ich mich aus meiner Tätigkeit sowohl als
Gewerkschaftler wie auch als Verantwortlicher .in
einer Regierung erinnern kann, ist nur zweimal
von Gesetzes wegen in die Vertragssphäre der Sozialpartner eingegriffen worden, einmal im Jahre 1923 zur Zeit der Inflation und das andere Mal im Jahre 1948 zur Zeit der Währungsreform.
Meine Damen und Herren! Die damaligen Vorgänge waren so außerordentlicher Natur,
daß sie ein Eingreifen des Gesetzgebers notwendig machten. Die heutige Situation läßt sich mit der damaligen in keiner Weise vergleichen.
Nicht ich allein warne vor dem Eingriff in die Vertragssphäre der Sozialpartner. Ich nenne aus dem Kreise der Sozialdemokratischen Partei den Minister Kubel und den Ministerpräsidenten Kopf, Männer, die derselben Auffassung sind; sie sind auch der Auffassung — das geht aus einem Brief hervor, der in diesen Tagen an die Arbeitgeberorganisationen Niedersachsens gerichtet worden ist.
In diesem Brief wurde hervorgehoben, daß es — im Jahre 1948, glaube ich, ist es gewesen — den Arbeitsministern der Länder gelungen ist, die Bestimmung über die Lohn- und Arbeitsbedingungen wieder in die Hände der Gewerkschaften und in die Hände der Arbeitgeber zu legen; und in diese Freiheit bezüglich der Festlegung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, in den Bereich dieser Organisationen sollte der Staat nicht eingreifen.
Nun, meine sehr verehrten Anwesenden, zu den praktischen Auswirkungen bei eventueller Annahme des Gesetzes. Ich habe mir einmal über 100 der wichtigsten Tarifverträge des Bundesgebiets, soweit diese die Lohn- und Gehaltsbestimmungen regeln, auf ihre Kündigungsbestimmungen angesehen. Von diesen — 103 Tarif- und Lohnverträge waren es — haben nur 25 eine Kündigungsfrist von zwei Monaten, alle anderen Verträge haben eine Kündigungsfrist von sechs Wochen und darunter. Wenn also bei dem größten Teil der Lohnabkommen eine der Vertragsparteien am 29. Juli - dem Tag Ihres Antrags — den Tarifvertrag gekündigt hätte, wäre er heute schon abgelaufen.
Selbst die 25 Lohnabkommen mit einer Kündigungsfrist von zwei Monten ständen am 10. September, am Tag des für dieses Gesetz beantragten Termins für das Inkrafttreten kurz vor ihrem Ablauf; und von den 103 sehr wichtigen Tarifverträgen mit dem allergrößten Teil der Arbeitnehmer haben nur 7 eine Kündigungsfrist, die erst nach dem 1. Januar 1951 ablaufen würde.
Dabei fällt der so überaus wichtige Tarifvertrag für die Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen nicht einmal unter die Bestimmungen dieses Gesetzes.
Für diese wenigen noch übrigbleibenden Lohnabkommen ist nach meinem Dafürhalten, wenn es not täte, bestimmt die Möglichkeit gegeben, durch Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern einen vorzeitigen Ablauf festzusetzen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß auch von den praktischen Auswirkungen her gesehen das beantragte Gesetz kaum von Bedeutung werden wird. Ich weiß nicht, ob ich den Antragstellern nicht den Rat geben soll, den Antrag zurückzuziehen,
weil eben das Gesetz kaum irgendwelche Bedeutung für die Arbeiterschaft bekommen wird. Ich nehme an, daß sie den Antrag zurückziehen werden. Ich beantrage daher namens meiner Fraktion, daß der Antrag Drucksache Nr. 1269 dem Ausschuß für Arbeit und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zugeleitet wird.