Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl das Lohnabzugsverfahren als auch das Markenkiebeverfahren hat seine Vorteile und seine Nachteile. Frau Kollegin Kalinke hat versucht, uns nachzuweisen, daß das Lohnabzugsverfahren, das seit ungefähr einem Jahrzehnt zur Anwendung kommt, sowohl für den Versicherten als auch für den Versicherungsträger nachteiliger und daß das Markenklebeverfahren vorteilhafter sei. Ich glaube, wir sollten unvoreingenommen das Für und Wider prüfen und uns dementsprechend entscheiden.
Bekanntlich wird von den Trägern der Krankenversicherung der gesamte Beitrag eingezogen, und zwar sowohl der Beitrag für die Krankenversicherung selbst als auch der Beitrag für die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung. Würde man nun das Beitragsmarkenklebesystem wieder einführen, dann hätten die Krankenversicherungsträger trotzdem ihren Beitrag und den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung von dem Arbeitgeber einzuziehen bzw. der Arbeitgeber hätte ihn abzuführen. Daneben hätte der Arbeitgeber noch die Marken zu kleben, sei es für die Angestelltenversicherung, sei es für die Arbeiterrentenversicherung.
Da also lediglich der Beitrag für die Rentenversicherung nicht mehr von dem Arbeitgeber gemeinsam mit den anderen Sozialversicherungsbeiträgen an die Krankenkasse gezahlt, sondern Beitragsmarken verwandt und gekauft werden müßten, glauben wir, daß das seitherige System doch gewisse Vorteile hat. Denn der Arbeitgeber wäre verpflichtet, sich Beitragsmarken aller Klassen und Werte hinzulegen; denn in seinem Betrieb beschäftigt er sowohl Arbeiter wie Angestellte, deren Lohn verschieden hoch ist und deren Lohn durch
Akkord usw. ständig wechselt, und dementsprechend wechseln auch die Beitragsleistungen.
Man sagt allerdings — und Frau Kollegin Kalinke hat es wiederholt —, nur die geklebten und entwerteten Beitragsmarken seien ein einwandfreies Beweismittel fur die Beitragsleistung und eine zuverlässige Grundlage für die Feststeilung und Berechnung des Rentenanspruchs, das Beitragsmarkenverfahren würde auch dem Versicherten eine einfachere Kontrolle über die geleisteten Beiträge ermöglichen. Demgegenüber hören wir wieder von den Anhängern des Lohnabzugsverfahrens, daß das komplizierte und zeitraubende Klebeverfahren einen weit größeren Aufwand an Arbeitszeit und Arbeitskraft als das sehr einfache Lohnabzugsverfahren erfordere. Erfahrungsgemäß werden die Marken von den Arbeitgebern nicht rechtzeitig, vielfach auch nicht in der dem Lohn entsprechenden Höhe und sehr oft — wir wissen es doch, Frau Kollegin Kalinke — überhaupt nicht geklebt. Und kein Arbeiter oder Angestellter, besonders nicht die Großzahl der Arbeiter, die leider gezwungen sind, Akkord zu arbeiten, sind, wenn sie zwei Jahre später von dem Arbeitgeber die Quittungskarte ausgehändigt bekommen, in der Lage, nachzuprüfen, welchen Lohn oder welches Gehalt sie zwei Jahre oder ein Jahr vorher hatten, also nachzuprüfen, ob entsprechend dem damaligen Lohn oder Gehalt auch der richtige Beitrag gezahlt wurde.
— Darauf komme ich noch zu sprechen, verehrte Kollegin Kalinke. Wir haben doch leider so oft die Erfahrung gemacht, daß die Arbeitgeber die Marken erst kleben, wenn sie feststellen, daß die Quittungskarte umgetauscht werden muß, d. h. zwei oder drei Jahre später, oder wenn der Arbeitnehmer entlassen wird oder ausscheidet.
— Natürlich, verehrter Herr Kollege Wellhausen, ist das kontrollierbar, und ich möchte Ihnen auch dahingehende Vorschläge machen.
Es ist weiter in Betracht zu ziehen, daß, um einen einigermaßen laufenden Beitrag zu sichern, die Zahl der Betriebsprüfer in der Sozialversicherung und die Zahl der Betriebsprüfungen — da stimme ich mit der Frau Kollegin Kalinke und auch mit Ihnen, Herr Kollege Wellhausen, überein — vervielfältigt werden müßte, daß die Betriebsprüfungen in kürzeren Zeitabständen zu wiederholen wären. Selbst aber bei der besten Betriebskontrolle würden die Versicherungsträger durch die mit den Beitragsmarken unausbleiblich zusammenhängenden langsameren Beitragszahlungen eine erhebliche finanzielle Benachteiligung und Einbuße erleiden.
Bei dem Beitragsklebeverfahren muß man bedenken, daß eine Versicherungs- und Quittungskarte, wie ich bereits sagte, zwei bis drei Jahre Gültigkeit hat. Bei dem Lohnabzugsverfahren trägt der Arbeitgeber zum Nachweis der Beitragszahlung nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres in der Versicherungskarte eines jeden Arbeitnehmers das Gesamtentgelt ein, das der Versicherte erhalten hat. Das ist ohne Zweifel ein sehr einfaches Verfahren. Wenn ich mir die Ausführungen der Frau Kollegin Kalinke in Erinnerung rufe, die sie uns soeben gemacht hat, so scheint es allerdings so zu sein — das wußte ich noch nicht und habe ich in den Organen der Sozialversicherungsträger auch noch nicht gehört —, daß relativ viele Ar-
beitgeber nicht die richtige Lohnsumme angeben, zu gering oder gar zu hoch. Das würde praktisch bedeuten, daß sie Urkundenfälschung begehen. Ich glaube, daß die Zahl solcher Arbeitgeber, wenn sie wirklich vorhanden sein sollten, doch nicht so groß sein wird, daß die mit dem Lohnabzugsverfahren zusammenhängende Vereinfachung und damit Zeit-, Kraft- und Ausgabenersparung dies nicht wieder aufheben sollte. Man sollte nach unserer Auffassung Verbesserungen in dem Lohnabzugsverfahren durchführen.
Wir schlagen vor, nicht zum Markenverfahren zurückzukehren, da die damit verbundene betriebswirtschaftliche Belastung nicht zu verantworten wäre und da außerdem die Zerschlagung des einheitlichen Gesamtbeitrages vermieden werden muß. Der Beitragseingang würde zurückbleiben. Die Zahl der Unregelmäßigkeiten — und das ist auch zu beachten — würde zunehmen.
Um dieser Gefahr zu begegnen, müßte der Prüfungsapparat vervielfacht werden. Dadurch würden den Versicherungsträgern weitere beträchtliche Kosten aufgebürdet werden.
— Nein, es lohnt sich, glaube ich, nicht.
Wir glauben, daß das Lohnabzugsverfahren auf Grund der Erfahrungen dahin verbessert werden kann, daß auf den Entgeltsbescheinigungen neben der Höhe der Summe gleichzeitig der abgeführte Beitrag anzuführen ist, so daß also dem Arbeitgeber nicht nur die Lohnsumme bescheinigt wird, die er in dem abgelaufenen Kalenderjahr erhalten hat, sondern daß auch gleichzeitig festgelegt wird, welcher Beitrag an den Versicherungsträger der Rentenversicherung abgeführt wurde. Auch die Aushändigung einer Durchschrift der Entgeltsbescheinigung an den Versicherten ist unserer Meinung nach sehr empfehlenswert. Wenn das Lohnabzugsverfahren gewissenhaft durchgeführt wird, können nennenswerte Schäden für die Versicherten und den Versicherungsträger nicht eintreten. Jedenfalls werden — das ist unsere Oberzeugung — die Nachteile beim Lohnabzugsverfahren nicht höher sein und nicht höher sein können, als beim Markenklebeverfahren.
Da die vorliegenden Beanstandungen sich im allgemeinen nicht gegen die großen Unternehmungen richten, seien es die der privaten Wirtschaft, seien es die der öffentlichen Hand, sondern gegen die Klein- und Mittelbetriebe, schlagen wir weiter vor, daß man vielleicht die Krankenkassen beauftragt, für diese die Bescheinigungen auszufertigen bzw. die Bescheinigungen nachzuprüfen, sei es durch Abstempelung, sei es in einem anderen geeignet erscheinenden Verfahren. Wir sind weiter der Meinung, daß Betriebe, bei deren Prüfungen Beanstandungen zu erheben waren, schärfer und öfter kontrolliert werden müssen und vielleicht auch die Auflage erhalten müssen, daß die von ihnen auszustellenden Entgeltsbescheinigungen nochmals durch eine Prüfung der Krankenkasse für richtig und einwandfrei erklärt werden müssen. Wir würden weiter vorschlagen — und das scheint uns sehr wesentlich, und ich hoffe, daß Sie zustimmen —, daß die Betriebsräte verpflichtet werden, die Beitragsabführung zu überwachen. Sie müßten auch beauftragt werden, die Entgelts-und Beitragsbescheinigungen zu prüfen. Das scheint uns der beste Weg zu sein, um dieses — gegenüber dem komplizierten, Arbeitszeit, Arbeitskraft und somit Unkosten hervorrufenden Verfahren des Markenklebens — einfache Lohnabzugsverfahren, bei dem der Gesamtbeitrag vom Lohn in Höhe von 10% bzw. 20 % abgezogen wird, zu verbessern.
Man sollte also überlegen, was wir verbessern können. Man sollte nach einer Reihe von Jahren einwandfreier Beobachtung nochmals die Dinge überdenken, und ich glaube, dann werden wir zu dem Ergebnis kommen, daß das Lohnabzugsverfahren insgesamt gesehen gegenüber dem Klebeverfahren einen Fortschritt darstellt. Deshalb können wir dem Antrag der Deutschen Partei nicht zustimmen.