Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorlage der Bundesregierung über ein Versammlungsordnungsgesetz findet meine Fraktion im großen und ganzen akzeptabel. Manches, was durchaus wert ist, in ein Gesetz Eingang zu finden, ist in der Vorlage niedergelegt worden. Die Dinge müssen nun einmal geordnet werden, da wir in einer Zeit leben, die noch ohne Tradition und unter den aufeinanderprallenden Meinungen hin und her schwankend und kämpfend aus sich selbst noch nicht die allgemein gültige Form gefunden hat.
Jedoch scheint mir, daß das vorliegende Gesetz, das in so engem zeitlichen Zusammenhang mit dem eben erörterten Gesetz über die Abänderung des Strafgesetzbuches behandelt wird, mit diesem abgestimmt werden muß. Denn wenn ich z. B. in § 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs das Tragen von Uniformstücken und Uniformteilen verboten sehe, so muß ich daran erinnern, daß in dem Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches, den wir eben diskutiert haben, das Tragen von Uniformen und Uniformteilen überhaupt verboten werden soll. Das erinnert mich etwas an den Erlaß des Herrn Bundesfinanzministers über das Nichtrauchen von geschmuggelten Zigaretten durch Beamte in den Diensträumen der Behörden. Also wenn es überhaupt verboten ist, Uniformen zum Ausdruck einer politischen Gesinnung zu tragen, dann ist das natürlich auch in Versammlungen verboten. Es wird also die Aufgabe des Ausschusses sein, diese Dinge aufeinander abzustimmen.
Unter den beachtlichen Abänderungsvorschlägen des Bundesrates sind insbesondere diejenigen bedeutsam, die sich auf § 7 des Gesetzes erstrecken. Es scheint mir, daß es überhaupt eine etwas unbequeme und schiefe Sache ist, heutzutage noch von einem Ordnungsdienst in Versammlungen zu sprechen, da wir noch die bösesten Erinnerungen an den Saalschutz der NSDAP haben. Wenn man überhaupt einen Ordnungsdienst zulassen will, so bedarf dieser Ordnungsdienst allerdings einer Kontrolle der Polizei, die man im allgemeinen doch möglichst ausschalten sollte.
Etwas auffällig ist mir bei diesem Versammlungsordnungsgesetz, daß sich von 29 Paragraphen, abgesehen von den beiden Schlußbestimmungen, 7 Paragraphen mit Strafbestimmungen abgeben. Das ist ein kleines Strafgesetzbuch für sich, und es ist etwas merkwürdig, daß wir heute so außerordentlich viele Strafbestimmungen zum Schutze der Demokratie, der demokratischen Funktionen und der demokratischen Einrichtungen nötig zu haben glauben. Ich bin der Meinung, daß das gerade in diesem Zusammenhang des Guten zu viel ist. Wir sollten uns nicht überlegen, was wir noch alles unter Strafe stellen können, sondern wir sollten lieber überlegen, ob unbedingt das alles bestraft werden muß, ob nicht manches als reine Ordnungswidrigkeit einfach sich selbst überlassen bleiben kann. Kann man nicht darauf vertrauen, daß ein einigermaßen geschickter Versammlungsleiter damit fertig wird? Wenn es z. Zt. noch nicht genügend geschickte Versammlungsleiter gibt, trägt eine etwas unvollkommene Strafbestimmung vielleicht dazu bei, daß sich die höhere Vollkommenheit der Versammlungsleitung doch langsam herausbildet, um zwar um so mehr, je weniger formelle, äußere Krücken und Hilfen der Polizei zur Verfügung stehen. In § 28 heißt es z. B.: „Wer eine öffentliche Versammlung oder einen Umzug gröblich stört . . .". Da kann also ein böser Witz oder ein unangemessener Lärm oder sonst etwas schon als gröbliche Störung aufgefaßt werden, wenn nicht vom Richter, so mindestens von der Polizei, so daß es für eine Anklage reicht. Was „gröblich" ist, bleibt hinterher dem Ermessen des Gerichts, zunächst einmal der Staatsanwaltschaft und der Polizei, überlassen.
Das Gesetz hat auch nicht etwa den Versuch gemacht, zu erklären, was nun „gröblich" ist, sondern es hat nur einige Beispiele genannt. Man sollte darauf verzichten, solche Einzelheiten zu bestrafen. Die Manie, der Drang, möglichst viel unter Strafe zu stellen, ist es, der uns an diesem Gesetz unangenehm auffällt, während wir die Grundhaltung und die Einzelheiten hinsichtlich der Ordnung und Regelung des Versammlungswesens und der öffentlichen Aufzüge durchaus billigen und glauben, daß man auf der Basis dieser Vorlage in allseitigem Einverständnis leicht zu einer vernünftigen Regelung wird kommen können.