Rede von
Willi
Agatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion kann nicht in den allgemeinen Chorus der Zustimmung zu diesem Gesetz einstimmen. Der Herr Bundesinnenminister hat diesen Gesetzentwurf mit sehr löblichen Absichten begründet. Er hatte allerdings das Pech, daß nach ihm Herr von Thadden den Kommentar zu diesem Gesetz gegeben hat, und dieser Kommentar besagte doch wohl eindeutig. daß das Gesetz eine Hilfe für die Reaktion bedeutet.
Wir sehen in dieser Vorlage eine wesentliche Einschränkung des Grundgesetzes, dessen Art. 5 besagt, daß jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Es ist nach der Praxis, die wir gerade in der letzten Zeit zu erleben Gelegenheit hatten, ganz ohne Zweifel ein Gesetzentwurf, der sich gegen die fortschrittlichen Kräfte in unserem Lande richtet.
Wir haben bereits jetzt die Tatsache zu verzeichnen, daß im Lande Hessen und im Lande Nordrhein-Westfalen alle öffentlichen Kundgebungen und öffentlichen Versammlungen solcher Organisationen verboten sind, die eine Politik befürworten, die gegen die Politik der Hohen Kommissare geht,
die eine Politik des Kampfes um den Frieden befürworten,
des Kampfes gegen die Remilitarisierung, des Kampfes um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. Gegen sie ist jetzt schon mit drakonischen Maßnahmen vorgegangen worden, indem man Versammlungen rücksichtslos und rigoros unterdrückt hat. Nach diesem Gesetzentwurf braucht in Zukunft nur irgendeine terroristische Gruppe zu drohen, dann ist es der Polizei anheimgegeben, die Versammlung zu verbieten.
Wir haben das mit dem Treffen der FDJ, der Hunderttausend in Dortmund erlebt.
Ist es nicht eine löbliche Absicht, wenn die deutsche Jugend ehrlichen Herzens für den Frieden eintreten will?
Denn daß die Kriegsgefahr groß ist, dürfte auch Ihnen nicht unbekannt sein, und daß es jetzt die erste Aufgabe eines jeden ist, für den Frieden einzutreten, ist ebenso selbstverständlich. Trotzdem wurde dieses Treffen mit dem Vorwand verboten, andere Organisationen hätten gedroht, das Treffen zu sprengen.
Wir können nicht darüber hinwegsehen, daß das vorliegende Gesetz die Grundrechte einschränkt und daß nach diesem Gesetz die Polizei bestimmt, was eine ordentliche freiheitliche, demokratische Versammlung ist.
Nun, wie zuverlässig die Polizei ist, das wissen wir sehr gut aus Erfahrung. Wir kennen auch die eherne Gesetzmäßigkeit solcher Entwicklungen, wie wir sie heute in Deutschland haben, da wir sie in der Zeit von 1918 bis 1933 erleben konnten.
Dieser Gesetzentwurf wird den Beifall der Hohen Kommissare finden; dessen bin ich gewiß. Aber dieser Gesetzentwurf, der der Polizei aufgibt, über die Demokratie zu wachen, kann niemals den Beifall der deutschen Arbeiterschaft, niemals den Beifall der fortschrittlichen Menschen in Deutschland finden;
sie werden sich gegen diesen Gesetzentwurf wenden, werden sich nicht die Stimme verbieten lassen, werden dem Volk ihre Meinung zu sagen wissen. Das Volk wird in seinem Willen, sich zu behaupten, stärker sein, und es wird deshalb auch Wege zu finden wissen, die seine Meinungsfreiheit garantieren.