Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Bezeichnend für diese Gesetzesvorlage waren die einführenden Worte des Ministers. Er
sagte, es solle hiermit eine Waffe gegen bestimmte Umtriebe geschmiedet werden. Er sprach sich sehr lebend über die Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion aus. Er konnte bezeichnenderweise zugleich darauf hinweisen, daß im wesentlichen der sozialdemokratische Vorschlag als Grundlage seiner Arbeit gedient habe. Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Bildung einer Bundesbehörde für den Verfassungsschutz legt man heute dem Hause einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches vor. Die Vorlage hat folgenden Sinn: Sie soll den kolonialen Zustand Westdeutschlands sichern,
und sie ist ein Ausdruck des ansteigenden Faschisierungsprozesses hier in Westdeutschland.
Den Bemühungen der Friedenskräfte gegenüber den imperialistischen Kriegsvorbereitungen,
den Kämpfern für die nationale Unabhängigkeit und Einheit Deutschlands will man mit verstärkten Unterdrückungsmaßnahmen unter Anwendung dieser Zuchthausnovelle begegnen.
Im Interesse der ausländischen Auftraggeber will man die nationale Willensbildung unseres Volkes verhindern und den Ruf aller nationalen Kräfte nach Abschluß eines Friedensvertrages, nach Wiedervereinigung unseres Vaterlandes und Abzug aller Besatzungstruppen. ersticken. Das ist der wirkliche Sinn dieser Vorlage. Jegliche nationale Forderung, sei es die der Arbeiter und der Unternehmer nach einem verstärkten Interzonen- und freien Handel, sei es die der Bauern gegen den Marshallplan für eine wirklich deutsche Landwirtschaftspolitik, sei es die Meinung der Arbeiter gegen die Demontage, der Kulturschaffenden gegen Überfremdung unseres Kulturlebens durch Schundliteratur und amerikanische Filme,
alle diese Maßnahmen will man im Interesse der
ausländischen Auftraggeber unter Strafe stellen.
Während die bürgerlichen und sozialdemokratischen Politiker dieses Hauses und auch dieser Regierung versuchen, die Menschen in Westdeutschland gegenüber der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik und den Völkern des Ostens in kriegerische Angriffsstellung zu bringen, spricht man in einem Artikel dieser Vorlage von dem sogenannten Friedensverrat. Wenn diese Paragraphen angenommen werden und wenn sie Anwendung finden sollten, dann müßte der Minister Dehler wegen Verletzung des Friedens unter Anklage gestellt werden.
Auf Grund seiner Stuttgarter Rede und anderer Redensarten gehörte er wegen Verletzung dieser Paragraphen ins Zuchthaus!
Aber das ist ja gar nicht die Absicht dieser Kriegsschreier, sondern man will die wirklichen Verteidiger des Friedens unter Benutzung dieses Artikels hinter die Zuchthausmauern bringen.
Nach der Vorlage soll die Werbung für den Wehr- und Rüstungsdienst bei einer zwischenstaatlichen Einrichtung, zum Beispiel der Atlantikpakt-Armee, gestattet sein. Sehen Sie sich einmal deutlich den Art. 83 Abs. 2 an. Wir wehren uns im
Interesse unserer Jugend gegen eine neue Remilitarisierung
und gegen die Aufstellung einer amerikanischen Angriffsarmee gegen die Völker des Ostens.
Im zweiten Abschnitt des Gesetzentwurfs befaßt man sich mit dem Hochverrat und der Verfassungsstörung. Hier in den Strafbestimmungen geht man weiter als in der Weimarer Zeit.
Diese Vorlage grenzt an jene Strafmaße der Hitlerzeit. Das ist für den Zustand in Westdeutschland sehr deutlich. Der westdeutsche Staat verfügt über keine für die deutsche Bevölkerung rechtsverbindliche Grundlage. Er wurde aus dem Diktat, den Londoner Empfehlungen, geschaffen. Dieser Zustand und Tatbestand kann von keinem bezweifelt werden. Selbst im Art. 146 des Grundgesetzes wird von dem provisorischen Zustand dieses Staatsgebildes gesprochen. Wenn dieser Staat provisorisch ist, dann steht mir das Recht zu, gegen diesen Zustand anzukämpfen und für die Wiedervereinigung Deutschlands einzutreten.
Dann darf der Kampf um die Einheit Deutschlands
nicht unter Strafe gestellt werden. Sonst müssen
Sie Ihr Grundgesetz ändern! Dann müssen Sie
sagen, daß Sie damals das Volk irregeführt haben
und daß Sie es unter falschen Voraussetzungen für Ihre Parteien und Kandidaten an die Wahlurnen brachten! Der Kampf um die Beseitigung dieses provisorischen Staatsgebildes stellt nach unserer Meinung keine strafbare Handlung dar. Jeder Deutsche muß seine ganze Kraft für die Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlands und für die Erreichung eines Friedensvertrages für ganz Deutschland einsetzen. Durch dieses Gesetz will man den heutigen Zustand der Spaltung, wie ich schon sagte, verewigen.
In einem anderen Paragraphen, im § 89, will man alle Druckschriften, alle Schallplatten, alle Tonbänder, alle bildlichen Darstellungen und alle Zeitungen unter verschärfte justizliche Zensur stellen. Man überläßt es den faschistischen Rich, tern, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, ob dann ein solcher Tatbestand gegeben ist. Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit dagegen, solche Paragraphen einzuführen, weil man damit eine wirkliche Aufklärung der Bevölkerung über den kolonialen Zustand Westdeutschlands und die Unterdrückungspolitik, die hier angewandt wird, verhindern will.
Was versteht man unter Verfassungsstörung? Lesen Sie sich einmal die Begründung durch! Der Minister hat auf das Schweizer Strafgesetzbuch hingewiesen. In diesem Gesetz und auch in der Begründung wird gesagt, daß man unter Verfassungsstörung zum Beispiel die Schaffung von betrieblichen Arbeitsausschüssen verstehen kann, weiter die Schaffung von Komitees gegen die Demontagen, die Schaffung von Streikausschüssen. Man spricht davon, daß die Streiks der Arbeiter als Verfassungsstörung angesehen werden können. Wir sagen mit aller Deutlichkeit: das sind Maßnahmen, die selbst die Bestimmungen Ihres angenommenen Grundgesetzes einschränken.
Wir werden nicht versäumen, die Arbeiterschaft und alle Werktätigen auf die Gefahren, die sich aus einem solchen Gesetz ergeben, aufmerksam zu machen.
Alle Maßnahmen für die nationalen Interessen unseres Volkes sollen eben mit Zuchthaus geahndet werden. Die Leute, die solche Gesetze heute verteidigen, sollen sich darüber klar sein, daß sie sich eines Tages vor dem deutschen Volk für ihre Handlangerdienste im Interesse des amerikanischen Imperialismus zu verantworten haben werden.
— Ich sage keine Drohung, ich spreche eine Warnung aus.
— Ich spreche eine Warnung aus, dazu habe ich ein volles Recht.
Das sagen dieselben Leute, die sich in Straßburg
mit dem Kriegshetzer Churchill an einen Tisch
setzen und Verschwörungen gegen den Weltfrieden organisieren.
Aber den Kämpfern um den Frieden, den Kämpfern um die nationale Einheit will man verbieten,
mit einem anderen Teil Deutschlands Kontakt zu
halten. Bilden Sie sich doch nicht ein, daß Sie das
jemals verhindern könnten. Niemals wird ein
Deutscher von einem anderen Deutschen lassen.
Lesen Sie aufmerksam ausländische Zeitungen, dann sehen Sie, — —