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ID0108302900

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    Deutscher Bundestag - 83. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. September 1950 3103 83. Sitzung Bonn, Dienstag, den 12. September 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3103D, 3134C Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzen zur Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes 3104A Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes 3104A Mitteilung über das Ergebnis der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten des Bundesrats 3104A Anfrage Nr. 108 der Abg. Dr. Jaeger, Frau Dietz, Dr. Wuermeling u. Gen. betr. Betreuung überlebender Opfer von „Menschenversuchen" (Drucksachen Nr. 1260 und 1332) 3104B Anfrage Nr. 102 der Fraktion der FDP betr. Einebnung deutscher Friedhöfe in Polen (Drucksachen Nr. 1166 und 1335) . . . 3104B Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses gemäß § 5 des Richterwahlgesetzes vom 25. August 1950 (Nr. 1334 der Drucksachen) 3104B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (Strafrechtsänderungsgesetz 1950) (Nr. 1307 der Drucksachen) 3104C Zur Geschäftsordnung: Kohl (Stuttgart) (KPD) 3104C Dr. Laforet (CSU) 3104D Euler (FDP) 3104D, 3110D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3105A Dr. Arndt (SPD) 3110C Zur Sache: Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3105B Bausch (CDU) 3111A Euler (FDP) 3112B von Thadden (DRP) 3113D Ewers (DP) 3114C Paul (Düsseldorf) (KPD) 3115D Dr. Arndt (SPD) 3117C Dr. Reismann (Z) 3120B Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Ausführungen des Wirtschaftsministers des Landes Baden (Nr. 1204 der Drucksachen) 3121C Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 3121D Beratung der Interpellation der SPD betr. Öffentliche Äußerungen von Bundesministern zu außenpolitischen Fragen (Nr. 1218 der Drucksachen) 3121D Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen . . . . 3121D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 3122A, C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3122B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über öffentliche Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsordnungsgesetz) (Nr. 1102 der Drucksachen) . . . 3123A Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3123A von Thadden (DRP) 3124B Jacobi (SPD) 3125A Dr. Solleder (CSU) 3126D Euler (FDP) 3127D Freiherr von Aretin (BP) 3128B Dr. von Merkatz (DP) 3128D Agatz (KPD) 3129C Dr. Reismann (Z) 3130B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) (Nr. 1273 der Drucksachen) . . . 3131A Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3131A Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 3131C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3132A von Thadden (DRP) 3132C Gleisner (SPD) 3133A Neumayer (FDP) 3133D Nächste Sitzung 3134D Die Sitzung wird um 14 Uhr 35 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer eröffnet.
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    Rede von Hans Ewers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorlage, die uns heute beschäftigt, ist in der Tat bedeutsam genug, um erstens die Auffassung des Deutschen Juristentages in Frankfurt am Main abzuwarten und um zweitens hier im Saale auch in der Generaldebatte schon die grundlegenden Auffassungen eingehend durchzusprechen. Leider aber steht die Bedeutsamkeit dieser Vorlage in einer gewissen Konkurrenz zu der politischen Gesamtlage Europas, und was vielleicht im Februar 1950 oder zu der Zeit. als das Justizministerium die Vorlage in Worte faßte, noch mit einer gewissen Langmut und Ruhe anzusehen war, brennt uns heute unter den Nägeln.
    Das darf uns aber nicht daran hindern, mit aller Gründlichkeit zu prüfen, was für Recht wir hier eigentlich schaffen wollen. Denn das große Bedenken, das hier zu beachten ist, besteht darin: Wir sprechen hier bei Schaffung neuen Strafrechts in. Wahrheit von Politik, und wir als Anhänger des Rechtsstaates — ich hoffe also: das ganze Haus mit Ausnahme der Kommunistischen Partei — wollen, daß die Rechtspflege unabhängig von politischen Meinungen sei. Wenn nun aber gerade die deutschen Gerichte aus dem Streit der politischen Meinungen herausgehoben bleiben sollen — oder werden sollen, wie man gewiß auch sagen könnte —, dann braucht der Richter einen absolut klaren Tatbestand — Tatbestand, nicht Gesinnungsbestand! —, um urteilen zu können. Die Frage einer politischen Gesinnung kann überhaupt immer nur als Motiv für eine Tat rechtlich in Frage kommen, niemals Gegenstand einer richterlichen Beurteilung als solcher sein. Wenn wir insofern nicht sehr klare Tatbestände schaffen, werden wir es immer und immer wieder erleben, daß den Gerichten unbegründete und die ungerechtesten Vorwürfe gemacht werden, weil sie den Tatbestand, wie ihn die eine oder andere Partei auffaßte, nicht erschöpfend gewürdigt hätten.
    Das setzt gleich ein bei einem Grundbegriff, der meines Erachtens so unter keinen Umständen im Gesetz stehen bleiben kann, nämlich bei der Fassung des geschützten Rechtsgutes bei dem Hochverratsartikel, der von der verfassungsmäßigen


    (Ewers)

    Ordnung des Bundes oder eines Landes spricht. Diese Worte stehen im Grundgesetz. Dort stehen sie richtig; dort im Grundgesetz kann man sich darunter etwas vorstellen. Was aber der Strafrichter für eine verfassungsmäßig geschützte Grundbestimmung halten soll, das muß der Gesetzgeber ihm schon sagen. Ich hätte für meine Fraktion dazu zu sagen: Das ist erstens die auf dem Parlamentarismus beruhende demokratische Staatsform, zweitens die Idee des Rechtsstaates und das sind drittens die persönlichen Freiheitsrechte. Mehr braucht es unseres Erachtens nicht. Aber man kann darüber verschiedener Meinung sein, zum Beispiel: Ist der föderative Charakter unserer Republik einer der Grundtatbestände? Ist die Befugnis, die dem Herrn Bundespräsidenten verliehen ist, ein Grundrecht, über das man nicht debattieren kann? Sie sehen, es gibt eine Fülle von Grenzfragen. Wenn Sie den Strafrichtern nicht genau sagen, welche Bestimmungen Sie im Auge haben, so werden Urteile ergehen, die je nach der politischen Richtung die eine oder die andere Seite zur Empörung hinreißen können. Dem muß im höheren Interesse der Rechtsprechung, aber auch der Dauer der Demokratie unter allen Umständen vorgebeugt werden.
    Man beachte, wieviel neue Begriffe hier eingeführt werden. Ich begrüße es, daß man nicht umfängliche Tatbestandsformulierungen allein jeweils anwenden muß, um dem Volke nahezubringen, welches Delikt begangen ist, sondern daß man Straftatsbezeichnungen wählt wie z. B. „Friedensverrat", „Neutralitätsbruch", „Verfassungsstörung", „Rechtsstaatsgefährdung", „Volksverhetzung", „Störung der Rechtspflege" und ähnliche, lauter Straftatbestände, die bisher in der deutschen Justiz und Judikatur und in der deutschen Rechtswissenschaft völlig unbekannt waren. Diese nun so zu fassen, daß sie tatbestandsmäßig zweifelsfrei festliegen, ist eine außerordentlich schwierige Angelegenheit, die sehr reiflicher Überlegungen bedarf, wie ich schon an dem einen Beispiel des Begriffs der „verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik" dargelegt habe.
    Ich bin nicht in der Lage, innerhalb der uns zur Verfügung stehenden Redezeit alle einzelnen Bestimmungen hier auch nur mit einem Stichwort anzusprechen. Ich möchte daher, mich ganz kurz fassend, nur eines sagen: Es ist schön, aber es kommt einem ein bißchen wie aus der Zeit gefallen vor, in der in diesem Herbst zu leben wir leider verurteilt sind, daß vorangestellt sind „Friedensverrat" und „Neutralitätsbruch". Bedenken Sie doch bitte, meine Damen und Herren: den Frieden sollen nach der Sprechregel im Osten ja wir „verraten", und wie soll angesichts dieser wortgewaltigen Propaganda, die da im Osten getrommelt wird, der Mann auf der Straße noch zwischen Recht und Wahrheit entscheiden? Diese Dinge, Friedensverrat und Neutralitätsbruch, sind aber meines Erachtens so geartet, daß sie nicht ein europäischer Staat allein einführen sollte. Das müßte auf Grund internationaler Konventionen, zu denen das Parlament in Straßburg vielleicht die Anregung geben könnte, in allen westlichen Kulturstaaten eingeführt werden. Erst dann hätte es seinen nachdrücklichen Sinn. Daß Glas halb ohnmächtige Deutschland so etwas allein einführt, scheint mir einer europäischen Gesamtheit gegenüber irgendwie nicht gerade sehr glücklich.
    Was den § 84, die Kritik an Kriegsgegnern, anlangt, so ist diese Bestimmung in ihrer gegenwärtigen Fassung für meine Fraktion völlig unannehmbar.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Bezüglich der Hochverratsparagraphen begrüßen wir es, daß die Bundesratsvorlage den Begriff des „Unternehmens" wieder eingeführt hat, womit die Dinge wesentlich gebessert werden.
    Die neuralgischen Punkte sind allerdings die Paragraphen über „Verfassungsstörung" und „Rechtsstaatgefährdung", da auch die neue Formulierung des Regierungsentwurfs dem Richter die Tatbestandsmerkmale noch nicht so an die Hand gibt, daß er ohne eigene politische Auffassung überhaupt zu einer Entscheidung kommen kann. Die Notwendigkeit entsprechender Bestimmungen hat der Herr Bundesjustizminister darzulegen versucht und meines Erachtens auch überzeugend dargelegt. Aber die tatbestandsmäßige Erfassung, ins-. besondere das Verhältnis zum Streikrecht — das betone ich ausdrücklich —, ist überaus schwierig und noch nicht gelungen.
    Hinsichtlich der weiteren Rechtsstaats-Schutzbestimmungen sind wir der Meinung, daß im Sinne des englischen contempt of court eine Bestimmung über die Störung der Rechtspflege nötig ist, daß aber die Regierungsvorlage zunächst zweifellos mißglückt war. Ob durch die neue Formulierung schon eine hinreichende Besserung eingetreten ist, lasse ich dahingestellt. Auch insoweit ist nicht ohne sehr eingehende und gründliche Beratungen etwas zu finden, was auf längere Zeit standhalten kann; wir wollen doch aber kein Notgesetz für den heutigen Tag machen, sondern eine Veränderung des Strafgesetzbuches vornehmen, die bis zur endgültigen Novelle, die Gott weiß wann geschaffen wird, Bestand haben soll.
    Sehr bedenklich ist die Bestimmung des § 130 über die Verhetzung von angeblich „weltanschaulich gebundenen Bevölkerungsgruppen". Danach dürfte man also zum Beispiel die verehrten Herren Kommunisten dieses Hauses nicht in Bausch und Bogen für schlechte Leute halten und als solche ansprechen. Das ist doch gewiß nicht gemeint. Auch nach dieser Richtung bedarf es noch einer sehr gründlichen Prüfung dessen, was in Wirklichkeit eigentlich gewollt ist, ehe man die endgültige Formulierung finden kann.
    Alles das, was ich sagte, läßt sich in seiner Tendenz — und die Tendenz ist bei der Generalberatung das Wichtigste — unter einem höheren Gesichtspunkt zusammenfassen: Diese Vorlage ist nur dann eine brauchbare Strafrechtsgrundlage, wenn sie in jeder Bestimmung völlig klar zu erkennen gibt, daß nicht eine Gesinnung, sondern nur eine Tat bestraft werden soll, daß wir nicht Schnüffler sind und fragen: wie denkt der Mann letzten Endes und darf man denn so denken?, sondern: was für Handlungen hat er auf Grund seines Denkens begangen, Handlungen, die der Richter bestrafen muß? Schiller sagt: „Die Tat und nicht die Meinung ehrt den Mann." Lassen Sie uns dieses Wort bei Behandlung der Vorlage dahin abwandeln. Die Tat und nicht die Meinung straft der Staat!

    (Lebhafter Beifall rechts.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.

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    Rede von Hugo Paul


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Bezeichnend für diese Gesetzesvorlage waren die einführenden Worte des Ministers. Er


    (Paul [Düsseldorf])

    sagte, es solle hiermit eine Waffe gegen bestimmte Umtriebe geschmiedet werden. Er sprach sich sehr lebend über die Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion aus. Er konnte bezeichnenderweise zugleich darauf hinweisen, daß im wesentlichen der sozialdemokratische Vorschlag als Grundlage seiner Arbeit gedient habe. Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Bildung einer Bundesbehörde für den Verfassungsschutz legt man heute dem Hause einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches vor. Die Vorlage hat folgenden Sinn: Sie soll den kolonialen Zustand Westdeutschlands sichern,

    (Sehr wahr! bei der KPD)

    und sie ist ein Ausdruck des ansteigenden Faschisierungsprozesses hier in Westdeutschland.

    (Sehr richtig! bei der KPD. — Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Den Bemühungen der Friedenskräfte gegenüber den imperialistischen Kriegsvorbereitungen,

    (Lachen in der Mitte und rechts)

    den Kämpfern für die nationale Unabhängigkeit und Einheit Deutschlands will man mit verstärkten Unterdrückungsmaßnahmen unter Anwendung dieser Zuchthausnovelle begegnen.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Im Interesse der ausländischen Auftraggeber will man die nationale Willensbildung unseres Volkes verhindern und den Ruf aller nationalen Kräfte nach Abschluß eines Friedensvertrages, nach Wiedervereinigung unseres Vaterlandes und Abzug aller Besatzungstruppen. ersticken. Das ist der wirkliche Sinn dieser Vorlage. Jegliche nationale Forderung, sei es die der Arbeiter und der Unternehmer nach einem verstärkten Interzonen- und freien Handel, sei es die der Bauern gegen den Marshallplan für eine wirklich deutsche Landwirtschaftspolitik, sei es die Meinung der Arbeiter gegen die Demontage, der Kulturschaffenden gegen Überfremdung unseres Kulturlebens durch Schundliteratur und amerikanische Filme,

    (Lachen und Zurufe in der Mitte und rechts)

    alle diese Maßnahmen will man im Interesse der
    ausländischen Auftraggeber unter Strafe stellen.
    Während die bürgerlichen und sozialdemokratischen Politiker dieses Hauses und auch dieser Regierung versuchen, die Menschen in Westdeutschland gegenüber der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik und den Völkern des Ostens in kriegerische Angriffsstellung zu bringen, spricht man in einem Artikel dieser Vorlage von dem sogenannten Friedensverrat. Wenn diese Paragraphen angenommen werden und wenn sie Anwendung finden sollten, dann müßte der Minister Dehler wegen Verletzung des Friedens unter Anklage gestellt werden.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Auf Grund seiner Stuttgarter Rede und anderer Redensarten gehörte er wegen Verletzung dieser Paragraphen ins Zuchthaus!

    (Lachen in der Mitte und rechts.)

    Aber das ist ja gar nicht die Absicht dieser Kriegsschreier, sondern man will die wirklichen Verteidiger des Friedens unter Benutzung dieses Artikels hinter die Zuchthausmauern bringen.

    (Abg. Dr. Oellers: Da gehören Sie auch hin!)

    Nach der Vorlage soll die Werbung für den Wehr- und Rüstungsdienst bei einer zwischenstaatlichen Einrichtung, zum Beispiel der Atlantikpakt-Armee, gestattet sein. Sehen Sie sich einmal deutlich den Art. 83 Abs. 2 an. Wir wehren uns im
    Interesse unserer Jugend gegen eine neue Remilitarisierung

    (Unruhe; — Zuruf rechts: Ihr schickt sie nach Korea!)

    und gegen die Aufstellung einer amerikanischen Angriffsarmee gegen die Völker des Ostens.
    Im zweiten Abschnitt des Gesetzentwurfs befaßt man sich mit dem Hochverrat und der Verfassungsstörung. Hier in den Strafbestimmungen geht man weiter als in der Weimarer Zeit.

    (Abg. Dr. Oellers: Gott sei Dank! Zuruf rechts: Höchste Zeit!)

    Diese Vorlage grenzt an jene Strafmaße der Hitlerzeit. Das ist für den Zustand in Westdeutschland sehr deutlich. Der westdeutsche Staat verfügt über keine für die deutsche Bevölkerung rechtsverbindliche Grundlage. Er wurde aus dem Diktat, den Londoner Empfehlungen, geschaffen. Dieser Zustand und Tatbestand kann von keinem bezweifelt werden. Selbst im Art. 146 des Grundgesetzes wird von dem provisorischen Zustand dieses Staatsgebildes gesprochen. Wenn dieser Staat provisorisch ist, dann steht mir das Recht zu, gegen diesen Zustand anzukämpfen und für die Wiedervereinigung Deutschlands einzutreten.

    (Zustimmung bei der KPD.)

    Dann darf der Kampf um die Einheit Deutschlands
    nicht unter Strafe gestellt werden. Sonst müssen
    Sie Ihr Grundgesetz ändern! Dann müssen Sie
    sagen, daß Sie damals das Volk irregeführt haben

    (Zuruf rechts: Ich wäre vorsichtiger!)

    und daß Sie es unter falschen Voraussetzungen für Ihre Parteien und Kandidaten an die Wahlurnen brachten! Der Kampf um die Beseitigung dieses provisorischen Staatsgebildes stellt nach unserer Meinung keine strafbare Handlung dar. Jeder Deutsche muß seine ganze Kraft für die Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlands und für die Erreichung eines Friedensvertrages für ganz Deutschland einsetzen. Durch dieses Gesetz will man den heutigen Zustand der Spaltung, wie ich schon sagte, verewigen.
    In einem anderen Paragraphen, im § 89, will man alle Druckschriften, alle Schallplatten, alle Tonbänder, alle bildlichen Darstellungen und alle Zeitungen unter verschärfte justizliche Zensur stellen. Man überläßt es den faschistischen Rich, tern, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, ob dann ein solcher Tatbestand gegeben ist. Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit dagegen, solche Paragraphen einzuführen, weil man damit eine wirkliche Aufklärung der Bevölkerung über den kolonialen Zustand Westdeutschlands und die Unterdrückungspolitik, die hier angewandt wird, verhindern will.
    Was versteht man unter Verfassungsstörung? Lesen Sie sich einmal die Begründung durch! Der Minister hat auf das Schweizer Strafgesetzbuch hingewiesen. In diesem Gesetz und auch in der Begründung wird gesagt, daß man unter Verfassungsstörung zum Beispiel die Schaffung von betrieblichen Arbeitsausschüssen verstehen kann, weiter die Schaffung von Komitees gegen die Demontagen, die Schaffung von Streikausschüssen. Man spricht davon, daß die Streiks der Arbeiter als Verfassungsstörung angesehen werden können. Wir sagen mit aller Deutlichkeit: das sind Maßnahmen, die selbst die Bestimmungen Ihres angenommenen Grundgesetzes einschränken.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)



    (Paul [Düsseldorf])

    Wir werden nicht versäumen, die Arbeiterschaft und alle Werktätigen auf die Gefahren, die sich aus einem solchen Gesetz ergeben, aufmerksam zu machen.

    (Abg. Dr. Oellers: Die wollen von euch ja gar nichts wissen! — Heiterkeit.)

    Alle Maßnahmen für die nationalen Interessen unseres Volkes sollen eben mit Zuchthaus geahndet werden. Die Leute, die solche Gesetze heute verteidigen, sollen sich darüber klar sein, daß sie sich eines Tages vor dem deutschen Volk für ihre Handlangerdienste im Interesse des amerikanischen Imperialismus zu verantworten haben werden.

    (Sehr gut! bei der KPD. — Abg. Mayer [Stuttgart]: Soll das eine Drohung sein, Herr Paul?)

    — Ich sage keine Drohung, ich spreche eine Warnung aus.

    (Abg. Mayer [Stuttgart]: Also doch!)

    — Ich spreche eine Warnung aus, dazu habe ich ein volles Recht.

    (Abg. Dr. Oellers: Paß auf, daß du nicht im Konzentrationslager landest! — Heiterkeit.)


    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Das sagen dieselben Leute, die sich in Straßburg
    mit dem Kriegshetzer Churchill an einen Tisch
    setzen und Verschwörungen gegen den Weltfrieden organisieren.

    (Huhu! bei der FDP.)

    Aber den Kämpfern um den Frieden, den Kämpfern um die nationale Einheit will man verbieten,
    mit einem anderen Teil Deutschlands Kontakt zu
    halten. Bilden Sie sich doch nicht ein, daß Sie das
    jemals verhindern könnten. Niemals wird ein
    Deutscher von einem anderen Deutschen lassen.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Lesen Sie aufmerksam ausländische Zeitungen, dann sehen Sie, — —