Rede von
August-Martin
Euler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde begrüßen die Bemühung der Regierung und werden sie mit allen Kräften darin unterstützen, der rechtsstaatlichen Demokratie mit modernisierten, verbesserten Mitteln einen Schutz gegen hoch- und landesverräterische Umtriebe zu geben, der wirklich wirksam ist, darüber hinaus die Demokratie gegen alle Versuche zu schützen, den Umsturz auf terroristische Weise vorzubereiten, zugleich der Demokratie den Schutz gegen eine Verwilderung und unfaire Ausartung der politischen Sitten zu geben. Wir haben schon seinerzeit, als die Sozialdemokratie die begrüßenswerte Initiative entwickelte, zum Ausdruck gebracht, daß wir diesen Schutz formell nicht in einem selbständigen Sondergesetz ausgestaltet sehen möchten, das immer den Charakter des nur Zeitweiligen trägt, sondern daß wir diese Schutzvorschriften als normalen Bestandteil des Strafgesetzbuches sehen möchten, weil die Verhältnisse so sind, daß die Demokratie auf die Dauer dieses Schutzes nicht entraten kann.
Zum Inhalt des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfes möchte ich mich nur auf einige Bemerkungen zu den wesentlichsten Problemen beschränken. Die Wiederherstellung der klassischen Hochverrats- und Landesverratsbestimmungen enthält keine Problematik. Hingegen werden die Neuerungen dieses Gesetzes in der Ausschußarbeit sowie in der Diskussion der Öffentlichkeit wie der Wissenschaft noch einer eingehenden Klärung bedürfen. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Bestimmungen des ersten Abschnitts über den Friedensverrat. Der Gedanke ist an und für sich bestechend: den tiefen Friedenswillen unserer Nation dadurch auszudrücken, daß man an die Spitze der entsprechenden Schutzbestimmungen eine Vorschrift stellt,
nach der alle Vorbereitungsmaßnahmen für einen Angriffskrieg bestraft werden sollen. Wir sind gegen unser innerstes Widerstreben genötigt, Defensivhandlungen vorzubereiten. Wir bedauern das. Der Friedenswille des deutschen Volkes würde für lange Generationen die absolute Gewähr dafür geben, daß von Deutschland aus kein irgendwie gearteter Angriff in die Welt hineingetragen wird. In Anbetracht dieser Sachlage wird es einer sehr ernsten Arbeit bedürfen, um den Tatbestand so zu fassen, daß die uns durch die Verhältnisse im Osten aufgenötigten Defensivmaßnahmen keinen Schaden leiden.
In diesem Zusammenhang bedarf die Vorschrift einer besonderen Aufmerksamkeit, die eine Strafandrohung gegen die Verächtlichmachung der Kriegsdienstverweigerung ausspricht. Die Verhältnisse sind heute so, daß es naheliegender ist, eine Strafe gegen diejenigen auszusprechen, die die Verteidigungsbereitschaft verächtlich machen.
Entgegen dem, was Bundespräsident Theodor Heuss als der damalige Vorsitzende unserer Fraktion im Parlamentarischen Rat in einer großangelegten Rede ausführte, hat die entsprechende Verfassungsbestimmung, die Bestimmung des Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes, eine Fassung gefunden, die so weit greift, daß sie das Recht der Kriegsdienstverweigerung auch auf den Fall bezieht, daß ein Angriff von fremder Seite gegen unser Land entwickelt wird. Es wird noch sehr zu prüfen sein, ob es richtig war, über die durch Theodor Heuss damals vorgetragenen Bedenken hinwegzugehen. Die Kriegsdienstverweigerung, die dazu dienen soll, einen Angriff des eigenen Landes zu verhindern, ist moralisch legitimiert; aber es sind durchgreifende Bedenken gegenüber einem Kriegsdienstverweigerungsrecht für den Fall eines fremden Angriffs gegen das eigene Land geboten. Wenn man dies ins Auge faßt, dann ist zumal unter den heutigen weltpolitischen Verhältnissen eine Vorschrift schwer erträglich, die die Verächtlichmachung der Kriegsdienstverweigerung auch dann unter Strafe stellt, wenn sich der Widerstand gegen die Kriegsdienstverweigerung auf den Fall beschränkt, daß dem eigenen Lande ein Angriff von anderer Seite droht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Abschnitt über Hochverrat bedarf die Vorschrift des § 90 über die Verfassungsstörung oder Staatsgefährdung sehr ausführlicher Betrachtungen und Diskussionen. An und für sich muß man dem gesetzgeberischen Versuch, die mit Mitteln des kollektiven Terrors und der planmäßigen Irreführung betriebene Verfassungsstörung, die auf Furchterregung abgestellte Unterwühlung des rechtsstaatlichen Lebens strafrechtlich zu bekämpfen, aufgeschlossen gegenüberstehen. Unsere Einstellung zu diesem Versuch ist grundsätzlich positiv; wir leugnen aber nicht, daß die tatbestandsmäßige Abgrenzung noch verbessert werden muß, um der Gefahr der Rechtsunsicherheit zu begegnen, die daraus erwachsen könnte, daß eine klare Abgrenzung der Tatbestände nicht allen Ansprüchen genügt.
Wir begrüßen die Vorschriften des vierten Abschnitts über die Herabwürdigung des Staates und der Staatsorgane; denn es ist nötig, daß der Rechtsstaat gegen die Verächtlichmachung seiner Repräsentanten geschützt wird. Es ist erforderlich, daß er gegen Staatsverleumdung geschützt wird. Es ist erforderlich, daß die Symbole der Demokratie vor
Verunglimpfung bewahrt werden, und es ist erforderlich, daß der Wahlvorgang und das Wahlgeheimnis geschützt werden. Aber es sind zu diesen einzelnen Fragen Anmerkungen zu machen, die zeigen, daß auch dort noch Probleme der rechtstechnischen Bearbeitung liegen, die in dem Entwurf noch nicht so gelöst sind, wie wir es uns vorstellen. Wenn beispielsweise eine Vorschrift den Schutz nicht nur des eigenen Staatsoberhauptes und der eigenen Regierung, sondern auch des Staatsoberhauptes und der Regierung anderer Staaten vorsieht, dann ist dies nur unter der Voraussetzung richtig, daß die Gegenseitigkeit zur Zeit der Tat bereits verbürgt war, wie der Bundesrat bereits zur Ergänzung der jetzigen Vorschrift angeregt hat.
Was die Verunglimpfung der Symbole der rechtsstaatlichen Demokratie anlangt, so gebührt der Würde der Farben Schwarz-Rot-Gold strafrechtlicher Schutz. Wenn aber der Bundesrat darüber hinaus vorschlägt. das öffentliche Zeigen der Farben Schwarz-Weiß-Rot zu bestrafen, dann müssen wir dem entgegenhalten, daß es wohl politisch nicht klug wäre, dem zu entsprechen.
Die Erfahrungen, die wir in den letzten Monaten gemacht haben, und die Wahlergebnisse in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bewiesen schlagend, daß mit dem demonstrativen Zeigen der Farben Schwarz-Weiß-Rot politische Geschäfte nicht zu machen sind.
Alle Gefahren, die man von daher glaubte sehen zu müssen, haben sich als viel geringer erwiesen, und es wäre verkehrt, nun die gemüthafte Anhänglichkeit an die früheren Farben, die in weiten Bevölkerunaskreisen noch besteht, dadurch zu verletzen. daß man das bloße Zeigen dieser Farben unter Strafe stellt. Es würde damit leicht der entgegengesetzte Effekt erzielt werden als der, den zu erstreben man bemüht ist.
Was den Ehrenschutz der Personen im öffentlichen Leben angeht, so sind wir der Auffassung, daß hier ein durchgreifender Schutz gewährt werden muß; aber wir suchen ihn in einer anderen Richtung als auf dem Wege, den der Entwurf zeigt. Wenn der Schutz dadurch geschaffen werden soll, daß besondere Tatbestände zugunsten bestimmter Personenkreise vorgesehen werden, dann läuft das auf eine Privilegierung hinaus, die im Prinzip recht fragwürdiger Art ist und um so fragwürdiger wird, weil es ja nicht ganz leicht ist, den Personenkreis abzugrenzen. Was heißt das: „Personen, die im öffentlichen Leben stehen?" Wir suchen die Lösung des Problems in einer anderen Richtung. Wir sind prinzipiell der Meinung, daß der Ehrenschutz für jeden einzelnen in der rechtsstaatlichen Demokratie wirksamer gestaltet werden müßte, und es wäre daran zu denken, daß die einzelnen Tatbestände, die an und für sich im Strafgesetzbuch geregelt sind, dann, wenn sie sich gegen Handlungen richten, welche im politischen Leben allzuleicht unterlaufen, durch eine Strafschärfung ausgezeichnet werden. Beleidigung und Körperverletzung beispielsweise wären mit einer Strafschärfung zu versehen, wenn diese Tatbestände durch Handlungen im öffentlichen Leben erfüllt werden. Wir glauben, daß auf diese Art und Weise mehr erreicht werden würde.
Wenn man an einen Schutz bestimmter Personenkreise denkt und damit eine Privilegierung schafft, dann steht dem auf der anderen Seite die Notwendigkeit gegenüber, eine Privilegierung auch dadurch vorzunehmen, daß man die erhöhte Verantwortlichkeit dieser Personen durch besondere Strafschärfungen sichtbar macht. Vor nicht allzu langer Zeit ging durch die Zeitungen eine Nachricht, daß der Bund der Steuerzahler bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen, wie es hieß, Abgeordnete dieses Hohen Hauses anhängig gemacht habe, weil zur Beeinflussung der seinerzeitigen Abstimmung Bonn—Frankfurt irgendwelche Gelder gegeben und angenommen worden seien. Damit ist das Problem angerührt. Sollten wir nicht die Verantwortung fühlen, qualifizierte Straftatbestände zu schaffen, beispielsweise hinsichtlich der passiven Bestechung von Abgeordneten, um damit dem Volke deutlich zu machen, daß wir uns unserer gesteigerten Verantwortung sehr wohl bewußt sind?
Lassen Sie mich zu dem besonderen Tatbestand der Störung der Rechtspflege, §§ 137 b ff, sagen, daß wir dem grundsätzlich zustimmen, Einschüchterungsversuche, die von der Presse gegen die Gerichte ausgehen, abzuwehren, auch eine gröblich entstellende Berichterstattung zu ahnden; aber wir können uns nicht dazu verstehen, jede sachliche Kritik, jede objektiv ausgerichtete Bewertung auszuschließen, bis ein Verfahren beendet ist. Wir glauben sehr wohl, daß es möglich sein wird, die Unterschiede tatbestandsmäßig zu erfassen, die darin liegen, daß es gilt, einerseits Eingriffe über die Organe der öffentlichen Meinungsäußerung in schwebende Verfahren abzuwehren, aber andererseits die sachliche Kritik und die objektive Bewertung unmöglich zu machen.
Mit besonderer Befriedigung erfüllt uns, daß der Tatbestand des § 130 vorgesehen ist; denn wenn es in diesen Zeiten nötig ist, einer Gefahr entgegenzutreten, dann ist es die der Volksverhetzung. Allzuleicht mißbrauchen Demagogen das Recht der Meinungsäußerung dazu, die verschiedensten Bevölkerungsschichten gegeneinander aufzuhetzen.
Das ist die Brutstätte des Hasses, eines Hasses, den
wir in einer Zeit äußerster Gefahr nicht nur aus
unserem Volk, sondern aus der gesamten europäischen Völkerfamilie überhaupt bannen müssen. In
dieser Zeit — lassen Sie mich das zum Abschluß
sagen - wird nur ein Rechtsstaat bestehen, der
zur entschlossenen Abwehr seiner Feinde bereit ist.