Rede von
Dr.
Hugo
Decker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag stimmt uns in manchem sehr bedenklich. Punkt 1 z. B. sieht die Einführung eines Tages der deutschen Jugend vor. Für uns hat das, möchte ich sagen, einen gewissen Hautgout, denn damit wird ein Rückgriff auf Einrichtungen der Vergangenheit gemacht, ein Abklatsch von Früherem, ein Rückgriff, der wirklich, wie die Geschichte gezeigt hat, sehr gefährliche Tendenzen haben kann. Heute „Tag der deutschen Jugend", morgen „Tag der Wehrmacht". Heute wird noch gesungen „Ich hab mich ergeben"; übermorgen wird dann gesungen „Wir müssen marschieren, und wenn die Welt in Scherben fällt".
Die Betreuung der Jugend ist eine der verantwortungsvollsten, dringendsten und zukunftsträchtigsten Aufgaben, die vor uns liegen. Zu deren Lösung dürfen wir aber nicht zu einem Klischee greifen, das unter Umständen wieder zur Einführung einer „Staatsjugend" führt.
Der Antrag beschäftigt sich außerdem fast zum größten Teil mit der Freizeitgestaltung. Die Betreuung der Jugend muß aber doch bei einer solchen Not, wie sie heute besteht, von einer ganz anderen Seite her, vom Grundsätzlichen und Wesentlichen, aber nicht vom Spielerischen her erfolgen. Erst müssen wir der Jugend wieder das Elternhaus ganz und gar geben, das Elternhaus im besten Sinne, und dazu müssen die sozialen Voraussetzungen geschaffen werden.
Die Jugendfrage, die Betreuung der Jugend wird auf sozialem Gebiet gelöst, oder sie wird überhaupt nicht gelöst. Erst müssen gesunde Wohnungen geschaffen werden; eine Auflockerung der Flüchtlingsbelegung in den Gebieten, in denen sie zu dicht ist, ist erforderlich. Lehrstellen brauchen wir und vor allem Aussichten auf eine Zukunft der Jugend. Heute beschäftigt die Jugend bestimmt mehr als die Sorge um den Segelflug und den Amateurfunk die
Frage: Was wird aus mir, wenn ich die Schule verlasse? Diese Aufgaben müssen wir erst lösen. Für die anderen Aufgaben, die Betreuung der Freizeit, gibt es so viele Organisationen. Auch die Jugend selbst hat die Kraft, sich diese Organisationen zu schaffen. Die Kirchen haben sie unter anderen auch geschaffen. Hier gibt es Möglichkeiten genug, für Spiel und Lebensfreude der Jugend zu sorgen.
Im übrigen — der Herr Innenminister hat es schon betont — fallen diese Aufgaben in das Zuständigkeitsgebiet der Länder. Es ist vor allem Aufgabe der Kultusministerkonferenz, hier einzugreifen und hier Lösungen zu finden. Wir sehen in dem Antrag keinen Weg, der Jugend zu helfen. Er muß weitgehend überarbeitet werden, er muß umgestellt werden. Wir stellen daher den Antrag, diesen Antrag Nr. 1030 dem Ausschuß für Jugendfürsorge zu überweisen.