Meine Herren und Damen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Falls Sie wieder einmal mit meiner Auffassung nicht einverstanden sein sollten, so berücksichtigen Sie doch bitte, daß es mir nicht sehr liegt, Ihre hier einige Male veranstalteten Tumultszenen zu übertönen.
Nun zu dem Antrag der FDP-Fraktion. In diesem Hause ist schon sehr viel über die Not der Jugend, ebensoviel aber über Empfehlungen, Hilfe, Hilfsmaßnahmen und auch Programme geredet worden. Leider blieb es bisher bei diesem Reden, aber die Not der Jugend wird dabei immer größer. Diese bewußt geschaffene Ausweglosigkeit, vor der wir in Westdeutschland stehen, ist für die jungen Menschen natürlich der Nährboden, der die Vorbereitungen, die Jugend für einen Krieg reif zu machen, sehr begünstigt.
Ganz folgerichtig wird nun auch mit dem hier vorgelegten Antrag Drucksache Nr. 1030 — mögen einige Formulierungen auch noch so harmlos scheinen — die Bundesregierung aufgefordert, in einem Programm oder in einem Gesetzentwurf die ersten Maßnahmen zur Kasernierung der Jugend festzulegen.
Was können denn Punkt 4 und Punkt 5 anders bedeuten? Wenn ich hier von dem Herrn Antragsteller so einige Formulierungen höre wie „Landdienstmann" usw., dann weckt das sehr deutlich die Erinnerung an Angelegenheiten, die wir aus der nationalsozialistischen Zeit kennen. Das ist die einzige wirtschaftliche Hilfe, die Sie zu bieten haben, eine Hilfe, die nebenbei gesagt die Lösung des Landarbeiterproblems noch erschweren wird, weil sie dazu dienen soll, die Landarbeiterlöhne noch mehr zu drücken.
Wie fing es denn 1931 an? — Genau so, wie Sie jetzt wieder beginnen. 1931 und 1932 führte dann zum Krieg 1939 und zum Zusammenbruch 1945. „Freiwillig" wurde auch damals die Jugend arbeitslos gemacht, „freiwillig" kam sie zum Landdienst, „freiwillig" kam sie zum Arbeitsdienst und „freiwillig" mußte sie dann auch in die Schützengräben, und mit ihrem Leben hat sie die gewissenlosen Versprechungen und die gewissenlose Rassen- und Völkerverhetzung bezahlen müssen. Das ist die Entwicklung, wie sie 1931 begonnen hat mit „freiwilligem" Arbeitsdienst und mit ähnlichen Maßnahmen, wie sie in Punkt 4, 5 und 6 dieses Antrags vorgesehen sind.
Der Herr Abgeordnete Strauß hat in seiner Darlegung der Verhältnisse in Westdeutschland und der Hilfsmaßnahmen, die man hier bis jetzt ergriffen hat, ganz eindeutig eine Bankrotterklärung abgegeben,
eine Darlegung, daß sie wohl bereit und in der Lage sind, Paläste zu bauen — siehe Schaumburg-Palais und siehe die Regierungspaläste in Bonn —, daß Sie aber nicht bereit sind, die nötigen Geldmittel dafür zu geben, daß die wirtschaftliche und soziale Stellung der Jugend wirklich gebessert werden kann. Ich bin dem Herrn Abgeordneten Strauß sehr dankbar dafür, daß er die Ursache für die Begeisterung der vielen Jungen und Mädchen in Berlin einmal anders dargestellt hat, anders nämlich, als
es einige andere Abgeordnete hier machen. Er sah die Ursache nicht in der „Organisierung" des gewaltigen Pfingsttreffens, er sah die Ursache in der tatsächlichen Hilfe, die dort der Jugend gegeben wird.
Ich brauche dem nicht mehr viel hinzuzufügen, möchte nur eins sagen: Solange Sie nicht in der Lage sind, so wie in der Deutschen Demokratischen Republik eine wirkliche Schulreform durchzuführen, der Jugend Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten zu geben, der Jugend einen Lebensberuf und auch die Arbeitsmöglichkeit zu sichern,
mögen Sie noch so viel sagen: „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft!", mit Ihren Maßnahmen werden Sie sie niemals bekommen.
Die Deutsche Demokratische Republik braucht um
die Zukunft nicht besorgt zu sein, denn dort bauen
die Jugendlichen bereits an ihrer eigenen Zukunft.
— Nein! Ich möchte Ihnen aber dazu einmal etwas sagen: Ich habe auch in der Zeit des Nationalsozialismus hier den Kampf geführt, und ich denke, jetzt den Kampf um die Besserung der Verhältnisse in Westdeutschland ebenfalls hier zu führen.
Nun etwas zu den einzelnen Punkten des Antrags. Sie sprechen in Punkt 1 über die Durchführung gesamtdeutscher Veranstaltungen. Das Pfingsttreffen ist hier schon besprochen worden, und wir möchten Ihnen sagen: Das war eine gesamtdeutsche Veranstaltung,
aber da haben auf Befehl der Hohen Kommissare westdeutsche Regierungsstellen Polizei mit Knüppeln und Hunden auf die jungen Menschen gehetzt, auf die jungen Menschen, die auch zu Ihnen gehören, die einmal objektiv prüfen wollten, was ihnen das Pfingsttreffen wirklich zu sagen hatte.
Hier wurde gewünscht, daß man Anregungen zu diesem Antrag geben solle. Wir geben Ihnen eine Anregung und machen einen Vorschlag gerade zu Punkt 1. Das Komitee der jungen Friedenskämpfer hat zu einem gesamtdeutschen Friedenstreffen aufgerufen.
Wir schlagen Ihnen vor: Unterstützen Sie dieses Treffen, dann haben Sie die große, gewaltige gesamtdeutsche Veranstaltung!
Die Punkte 2 und 3 müssen mit großem Mißtrauen betrachtet werden, gerade weil sie von Ihnen, meine Herren dort drüben, kommen und gerade weil Sie sich dabei so sehr auf die Weimarer Republik berufen, die die meisten Ihrer Anhänger und auch Ihrer Kollegen zu der damaligen Zeit sehr, sehr bekämpft haben. Gerade darum sind wir der Auffassung, daß sich hinter diesen harmlosen Formulierungen die vormilitärische Ausbildung verbirgt. Man soll das nicht bagatellisieren, wie der Herr Antragsteller es hier getan hat, man sollte lieber die Sportorganisationen und alle Jugendorganisationen fördern und ihnen dabei jegliche Hilfe angedeihen lassen, damit die Aufgaben auf dieser Ebene auch wirklich durchgeführt werden können.
Zu den Punkten 4 und 5 hatte ich schon zu Anfang gesprochen. Nach unserer Auffassung laufen diese Vorschläge auf erste Maßnahmen zur Schaffung eines Arbeitsdienstes und zur Kasernierung hinaus. Diese Maßnahmen werden niemals dazu führen, den notwendigen Facharbeiternachwuchs zu erziehen, werden niemals den jungen Menschen einen Lebensberuf geben. Darum werden wir auch diese Punkte schärfstens ablehnen. Wir werden die Jugend Westdeutschlands darauf aufmerksam machen, was von gewissenlosen „Jugendvertretern" wieder für sie vorgesehen ist.
Von den übriger Punkten sagte ich bereits: sie sind das Beiwerk, um diesen Antrag harmlos erscheinen zu lassen. Wir werden im Ausschuß auch dazu Stellung nehmen und Abänderungsvorschläge machen.
Nun noch einige Ausführungen zu dem Punkt 7: Jugendaustausch mit allen demokratischen Ländern.
Wir sind sehr damit einverstanden. Wir glauben aber, daß dazu auch gehört: im Sinne der Freundschaft mit allen Völkern der Welt. Nur so können Sie die Jugend wirklich zum Frieden erziehen. Zur Freundschaft mit allen Völkern der Welt aber gehört gerade in der jetzigen Situation auch die Freundschaft mit der Sowjetunion.