Der Ältestenrat schlägt
Ihnen vor, für diesen Punkt der Tagesordnung eine Redezeit von 60 Minuten festzusetzen. Ich darf um Wortmeldungen bitten. Lediglich der Herr Berichterstatter hat sich als Fraktionsredner zum Wort gemeldet. Da bisher kein anderer gesprochen hat, frage ich ihn, ob er von der Wortmeldung noch Gebrauch machen will.
— Dann darf ich feststellen, daß von der vom Ältestenrat vorgeschlagenen Redezeit von 60 Minuten kein Gebrauch gemacht wird.
Ich schließe die Aussprache der zweiten Beratung.
2696 Deutscher Bundestag — 75. und 76. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juli 1950
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, die Drucksache Nr. 1107 zur Hand zu nehmen. Wer für die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
Wer für die Einleitung und die Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache der dritten Beratung.
Wer für die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7 sowie Einleitung und Überschrift gemäß der Fassung des Ausschusses für Verkehrswesen auf Drucksache Nr. 1107 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für das Gesetz auf Drucksache Nr. 1107 in der soeben in dritter Beratung beschlossenen Fassung im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Kurlbaum, Dr. Seuffert, Dr. Schöne und der Fraktion der SPD betreffend Kreditmaßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Einbringung der Interpellation eine Redezeit von 10 Minuten, für die Beantwortung der Interpellation eine Redezeit von 10 Minuten — ich hoffe, daß die Regierung zur Beantwortung bereit ist; ich sehe den Herrn Bundesarbeitsminister hier und darf in diesem Sinne an ihn appellieren — und für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. Ich darf Ihre Zustimmung dazu feststellen.
Zur Einbringung der Interpellation erteile ich dem Herrn Abgeordneten Kurlbaum aas Wort.
Kurlbaum , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die Begründung der Interpellation eingehe, möchte ich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, daß die Bundesregierung zwei Monate gebraucht hat, bis sie in der Lage war, diese Interpellation zu beantworten, insbesondere deswegen, weil es sich hier ja um ihr eigenes Arbeitsbeschaffungsprogramm handelt, das auch nach unserer Auffassung im Mittelpunkt aller Bemühungen der Bundesregierung stehen sollte. Ich möchte aber vor allem auch noch darauf hinweisen, daß am 9. Februar 1950 das Plenum des Bundestages einen Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 406 zum Beschluß erhoben hat, in dem es am Anfang wie folgt heißt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, ein eingehendes Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit dem Ziel der Vollbeschäftigung beschleunigt vorzulegen.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß fünf Monate nach dieser Beschlußfassung im Plenum, bei der auch erhebliche Teile der Regierungsparteien mitgewirkt haben, dem Bundestag noch kein Arbeitsbeschaffungsprogramm entsprechend diesem Antrag vorgelegt worden ist.
Ich wende mich jetzt der Interpellation selbst zu. Wenn wir uns mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt im Bundesgebiet beschäftigen, müssen wir von gewissen jahreszeitlichen Vorgängen absehen. Wir müssen, um uns ein klares Bild zu machen, Zeiträume vergleichen, die auch wirklich miteinander vergleichbar sind. Wir haben festzustellen, daß im ersten Jahr nach der Währungsreform, d. h. von Juni 1948 bis Juni 1949, die Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet ohne Berlin von 450 000 Arbeitslosen um 830 000 auf 1 280 000 zugenommen hat. Diese erschreckende Zahl ist bereits im ersten Jahr zu verzeichnen gewesen. Selbstverständlich haben auch wir mit gewissen Übergangsschwierigkeiten nach der Währungsreform gerechnet.
Sehr viel bedenklicher aber ist es noch, daß sich diese Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen auch im zweiten Jahr nach der Währungsreform fortgesetzt hat. Wir wüssen feststellen, daß die Zahl der Arbeitslosen. vom Juni 1949 bis zum Juni 1950 im Bundesgebiet von 1 280 000 um weitere 260 000 Arbeitslose auf 1 540 000 gestiegen ist. Wir können doch von einem wirklichen Anfangserfolg in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erst dann sprechen, wenn wir zum ersten Male feststellen können, daß die derzeitige Zahl der Arbeitslosen unter dem Niveau des vergleichbaren Zeitpunktes des Vorjahres liegt. Nur dann können wir von einer wirklichen Beseitigung der Arbeitslosigkeit sprechen.
Wir dürfen uns auch nicht etwa dadurch täuschen lassen, daß seit dem winterlichen Höhepunkt im Februar bis jetzt, Ende Juni, etwas über 400 000 Arbeitslose \\rieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert worden sind; denn meine Damen und Herren, der Anstieg vom Oktober bis zum Februar hat bekanntlich 660 000 Arbeitslose betragen. Wir müssen also feststellen, daß der bisherige Abbau der Arbeitslosigkeit nur etwa zwei Drittel dessen beträgt, was der Anstieg seit dem Beginn des Winters ausgemacht hat.
— Jawohl, darauf komme ich nachher zu sprechen, meine Herren.
— Ich rechne Berlin nicht ein. Alle meine Zahlen verstehen sich ohne Einbeziehung Berlins. Wenn Sie Berlin hinzunehmen, sieht das Bild noch viel schlechter aus.
— Dann seien Sie doch zufrieden, daß ich nicht damit rechne.
Bei den Instituten für Wirtschaftsforschung hier bei uns besteht Einigkeit darüber, daß die jahreszeitlich bedingte Arbeitslosigkeit ungefähr 400 000 bis 500 000 Menschen erfaßt. Das ist ungefähr gerade die Arbeitslosenzahl, um die — trotz dieses Arbeitsbeschaffungsprogramms — die Höchstzahl der Arbeitslosigkeit im Winter bis jetzt herabgemindert werden konnte.
Nun wird immer wieder von der Zahl der Beschäftigten gesprochen; es ist gut, daß Sie darauf gekommen sind. Es ist doch selbstverständlich,
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meine Damen und Herren, daß wir, wenn wir von der Arbeitslosigkeit sprechen, von den Arbeitslosenziffern sprechen müssen, und nicht von den Beschäftigten.
Wenn Sie die Zahl der Beschäftigten genauer betrachten, dann müssen Sie zugeben, daß der Erfolg sehr bescheiden ist. Ich muß feststellen: obwohl im ersten Jahre nach der Währungsreform Nettoinvestitionen in einem Betrage von 10 Milliarden gemacht worden sind, hat die Zahl der Beschäftigten im ersten Jahre nach der Währungsreform, also in der Zeit von Juni 1948 bis Juni 1949, praktisch überhaupt nicht zugenommen. Im zweiten Jahr nach der Währungsreform ist die Beschäftigtenzahl trotz weiterer Neuinvestitionen, und zwar Nettoinvestitionen von weiteren etwa 10 Milliarden, nur um etwa 350 000 gestiegen.
Das ist im Verhältnis zu diesen Nettoinvestitionen von 10 Milliarden ein sehr bescheidener Erfolg.
Ich komme jetzt zur Frage der Zuwanderung. Es ist gut, daß Sie auch diese Frage gestellt haben. Über diese Zuwanderung gibt es einwandfreie Zahlen. Im Jahre 1949 hat die Zahl der Zuwanderer aus dem Osten — ohne Heimkehrer, aber einschließlich der Kinder — 275 000, die Zunahme ,der Arbeitslosen im gleichen Zeitraum, d. h. von Ende Dezember 1948 bis Ende Dezember 1949, 800 000 betragen.
Diese beiden Zahlen setzen Sie bitte einmal miteinander in Vergleich.
Ich bin sachlich genug, in diesem Zusammenhang auch die Heimkehrer zu nennen, deren Zahl im Jahre 1949 285 000 betragen hat.
— Aber, meine Damen und Herren, Sie können sich doch nicht auf den Standpunkt stellen, daß die Heimkehrer etwa ein unerwünschter Zuwachs des A rbeitspotentials gewesen wären,
auf den Sie sich nicht von vornherein hätten einstellen können.
— Das ist gar nicht toll, sondern auf diesen Zuwachs mußte sich die Bundesregierung einrichten,
denn das war ja vorher bekannt.
Es ist also festzustellen, daß von der Zunahme um 800 000 Arbeitslose im Jahre 1949 nur ungefähr ein Drittel auf die zwangsweise Zuwanderung aus dem Osten entfällt, die übrigen zwei Drittel entfallen auf die heranwachsende Generation und die Heimkehrer. Ich glaube, es besteht kein Zweifel darüber, daß es die Aufgabe der Bundesregierung war, mit diesem Problem fertig zu werden.
— Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftspolitik ist in erster Linie eine Angelegenheit des Bundes.
Meine Damen und Herren, ich habe noch einiges über dieses sogenannte Arbeitsbeschaffungsprogramm zu sagen. Der Herr Bundeskanzler hat bekanntlich in seiner Rede vom 9. Februar eine Anzahl von Millionen- und Milliardenbeträgen genannt. Durch die Zahlen, die er genannt hat, ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, daß es sich hier in der Tat um ein Arbeitsbeschaffungsprogramm von 31/2 Milliarden gehandelt hätte. Entsprechend hat auch die Presse, insbesondere auch Ihre Presse reagiert. Wenn wir uns aber dieses sogenannte Arbeitsbeschaffungsprogramm von 31/2 Milliarden einmal näher ansehen, dann müssen wir feststellen, daß es die Bezeichnung „Arbeitsbeschaffungsprogramm" nur sehr zum Teil verdient. Ich mache darauf aufmerksam, daß von den 21/2 Milliarden, die für das Wohnungsbauprogramm vorgesehen waren, nur etwa 11/2 Milliarden wirkliche öffentliche Mittel waren.
Etwa eine weitere und verbleibende eine Milliarde sollte überhaupt nur aus dem allgemeinen Kapitalmarkt kommen. Dann aber hätte man ebensogut auch irgendwelche privatwirtschaftlichen Investitionsmittel rein statistisch mit in dieses Arbeitsbeschaffungsprogramm hineinsetzen können, um dadurch einen optischen Effekt zu erzielen.
Wenn Sie aber die restlichen 11/2 Milliarden dieses Wohnungsbauprogramms noch einmal darauf hin anschauen, was wirkliche Bundesmittel sind, welche Mittel die Länder zur Verfügung stellen und welche aus der Soforthilfe kommen, dann werden Sie feststellen, daß überhaupt nur noch ein Betrag von unter einer Milliarde übrigbleibt, für den die Bundesregierung zuständig ist und mit dem sie etwas getan hat. Das allein schon rechtfertigt unsere grundsätzliche Kritik an dem Aufbau dieses sogenannten Arbeitsbeschaffungsprogramms.
Unsere weitere Kritik knüpft sich naturgemäß an die Durchführung dieses Arbeitsbeschaffungsprogramms. Diese Kritik, meine Damen und Herren, ist ja allgemein, sie geht durch alle Parteien und durch die ganze Öffentlichkeit. Das wird sich nachher bei der Debatte auch zeigen. Ich will deshalb im Augenblick dazu nicht Stellung nehmen, weil ich diese Stellungnahme der Debatte nach der Regierungserklärung überlassen will. Was die SPD aber grundsätzlich verlangt, das ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm, das wirklich geeignet ist, unabhängig von jahreszeitlichen kurzfristigen Erf olgen die Arbeitslosigkeit dauernd und endgültig zu vermindern. Wir messen einem solchen Arbeitsbeschaffungsprogramm eine überragende Bedeutung bei.
Wir können uns nicht damit einverstanden erklären, daß uns immer nur mehr oder weniger improvisierte Zahlen vorgelegt werden, wie das damals im Februar der Fall war. Insbesondere verlangen wir bei einem Arbeitsbeschaffungsprogramm auch Klarheit darüber, ob es sich um Kreditmittel handelt, die bereits zur Verfügung stehen, die also am Kapitalmarkt laufend anfallen. Dann handelt es sich nämlich nicht um zusätzlich zu schaffende Nachfrage, sondern höchstens um eine Umlenkung irgendwelcher Nachfrage von dem einen auf das andere Gebiet. Wir verlangen, daß in einem solchen Arbeitsbeschaffungsprogramm klargestellt wird, inwieweit es sich um zusätzliche Kreditschaffung handelt, d. h. um die Schaffung zu-
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sätzlicher Nachfrage und damit erst um die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.
Schließlich verlangen wir, daß ein solches Arbeitsbeschaffungsprogramm organisatorisch so gestaltet wird, daß es auch wirklich termingemäß durchgeführt und wirksam werden kann. Ein solches Arbeitsbeschaffungsprogramm sollte nicht nur eine Forderung der Opposition, sondern eine Forderung des ganzen Bundestages sein, wenn er den Wunsch hat, auf wirtschaftspolitischem Gebiete in der Öffentlichkeit ernst genommen zu werden.