Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Regierungsvorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse hat der Bundesrat in seiner 12. Sitzung am 27. Januar dieses Jahres mit einer unwesentlichen technischen Abänderung zugestimmt. Unter dem 3. Februar wurde die Vorlage von der Bundesregierung als Drucksache Nr. 507 dem Bundestag zugeleitet. Dieser hat sie in seiner 38. Sitzung am 15. Februar ohne Debatte an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht — federführend — und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen überwiesen.
Der Rechtsausschuß hat den Entwurf am 26. April in einer ersten Lesung beraten und ihn bereits in ihr nicht nur redaktionell, sondern inhaltlich ziemlich weitgehend abgeändert. Die wichtigsten Änderungen erfuhr der Absatz 2 des § 2. Veranlassung bot vor allem die Tatsache, daß inzwischen das vom Bundestag gegenüber der Regierungsvorlage erheblich umgestaltete Erste Wohnungsbaugesetz in Kraft getreten war. Der Wohnungsausschuß seinerseits hat eine Reihe von Änderungsvorschlägen gemacht, die sich auf die Terminologie und sachlich vor allem auf den § 2 Abs. 2 Buchstaben b und c, den Schlußsatz dieses Absatzes 2 und auf § 4 bezogen. In einer Besprechung zwischen Vertretern des Rechtsausschusses und des Wohnungsausschusses wurde versucht, zu einer Angleichung der Meinungen zu gelangen.
In der zweiten Beratung am 22. Juni übernahm der Rechtsausschuß von den Anregungen des Wohnungsausschusses die Beschränkung der Bestimmung des § 4 auf den Fall des § 2 Abs. 2 Buchstabe c. Dagegen glaubte er die weitere Anregung des 18. Ausschusses, in diesem Buchstaben c die erhebliche Förderung der Wiederherstellung der Räume in ihrer endgültigen Gestalt als Bedingung des Fortbestehens des Vertragsverhältnisses vorzuschreiben, nicht annehmen zu können. Ebensowenig konnte sich der Rechtsausschuß zu der Ersetzung des im Schlußsatz des Abs. 2 des § 2 genannten Stichtages des 31. Dez. 1951 durch den 30. Juni 1951 und zu der vorgeschlagenen Streichung des Abs. 2 des § 4 verstehen.
Durch das Gesetz wird die Verordnung über die Einwirkung von Kriegssachschäden auf Miet- und Pachtverhältnisse vom 28. Dez. 1943 aufgehoben. Diese Verordnung hatte zwangswirtschaftlichen Charakter und die Verordnung über Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume von 1937 und 1941 zur Grundlage. Sie suchte den außergewöhnlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, wie sie der moderne Luftkrieg geschaffen hat, und ging davon aus, daß nach der Kriegsschädenverordnung die Finanzierung zerstörter oder wesentlich geschädigter Wohnräume zunächst sichergestellt war. Sie war in der Hauptsache öffentlichrechtlicher Natur, schränkte die privatrechtlichen Grundlagen, das Eigentumsrecht und die Vertragsfreiheit, insbesondere auch die Vermietungsbefugnis des Eigentümers zugunsten einer bevorzugten Berücksichtigung der bisherigen Mieter erheblich ein und beseitigte den ordentlichen Rechtsweg, ersetzte also die Zuständigkeit der Gerichte durch jene der Verwaltungsbehörden. So überwogen eindeutig die öffentlichen Obsorgeinteressen und -pflichten der Verwaltungsbehörden; es ging nicht mehr um die Einzelinteressen der Vertragspartner.
Die Verordnung hatte, kaum erlassen, schon mit dem Einsetzen der Massenzerstörungen in der letzten Phase des Krieges ihre Voraussetzung und ihren
Sinn verloren. Bei dem steilen Anstieg der Zahl der Ausgebombten hatte die Aufrechterhaltung von Vertragsverhältnissen über Räume in nicht völlig zerstörten Gebäuden und die Zubilligung einer bevorzugten Anwartschaft der Mieter, Pächter und sonstigen Benutzungsberechtigten, deren Vertragsverhältnisse nach der Verordnung erloschen waren, vielfach keinen realen Wert mehr. Dazu kam, zum Teil noch während des Krieges, vollends aber nach ihm, die Aufgabe, Massen von Evakuierten, Flüchtlingen und Heimatvertriebenen ein Unterkommen zu bieten.
In dem Maße, wie sich der Wiederaufbau oder die Wiederherstellung der zerstörten oder beschädigten Gebäude und Räume verzögerte, lockerten sich die Beziehungen zwischen dem Eigentümer und den Letztmietern. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 der Abs. 2 des § 7 der Verordnung von 1943 aufgehoben wurde, daß die Wohnraumlenkungsverordnung, auf deren §§ 7 und 8 sie verweist, nicht mehr besteht, und daß Nordrhein-Westfalen mehrere Bestimmungen der Verordnung und Bremen diese ganz beseitigt und durch ein neues Gesetz ersetzt hat mit der Wirkung, daß diese Außerkraftsetzungen gemäß Art. 125 des Grundgesetzes Bundesrecht geworden sind. So sind wesentliche Voraussetzungen der bisherigen Regelung entfallen, und die Verhältnisse, von denen sie ausging, haben sich grundlegend geändert. Ihre Aufhebung scheint somit veranlaßt. Im Hinblick auf die Art. 125 und 80 des Grundgesetzes kann dies nur durch Gesetz geschehen.
Die Aufhebung der Verordnung ist in § 1 Abs. 1 ausgesprochen. Abs. 2 der Regierungsvorlage wurde als entbehrlich gestrichen, da das Gesetz keine rückwirkende Kraft hat und den auf Grund der Verordnung eingetretenen Rechtsänderungen eine selbständige Existenz zukommt.