Rede von
Freiherr
Anton
von
Aretin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man beim Betreten eines Zeitungskiosks den Plunder sieht, verspürt hoffentlich jeder von uns den klaren Wunsch in sich, daß mit diesen Machwerken ein Ende gemacht wird. Wenn man aber das Gesetz des Herrn Bundesinnenministers liest, dann kommen einem Bedenken, ob dieses Gesetz die richtige Waffe ist, um gegen diese Machwerke aufzutreten.
Es steht einmal fest, daß der, der nach dem Obszönen Sehnsucht hat, danach giert, sich auch über die Schranken dieses Gesetzes hinaus in den Besitz dieser Schriften setzen wird. Es steht darüber hinaus fest, daß jede Form staatlicher Sittenkritik — und dies wird in diesem Fall bestimmt oft sehr nahe daran hinkommen — nicht ohne Regel abgehen wird. Eine solche Regel aber ist unerfreulich, sie wird vielleicht verflachend und am Ende manchmal albern sein. Wenn Sie mit diesem Gedanken an das Gesetz herangehen, wenn Sie daneben die Rechtsgrundlage betrachten müssen, auf der dieses Gesetz aufgebaut wird, dann fragt sich, ob man nicht mit anderen Maßnahmen einen wirklich wirksamen Schutz der Jugend erreichen könnte. Es steht fest, und der Parlamentarische Rat hat sich geplagt festzustellen, daß eine Zensur nicht stattfindet; in diesem Zusammenhang hat der Parlamentarische Rat ferner wörtlich folgendes festgelegt:
Diese Rechte finden ihre Schranken bei der Gesetzgebung für die Jugend.
Wollte der Parlamentarische Rat — diese Frage muß aufgeworfen werden — nicht vielleicht auch bei der Jugend die Zensur vermieden haben? Dieser Wortlaut unserer Verfassung erscheint mir einigermaßen bedenklich, und derjenige, für den verfassungsrechtliche Normen keine juristischen Zwirnsfäden sind, wird sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen haben.
Der Bund behauptet seine Zuständigkeit auf Grund der Fürsorge, die ihm in Art. 74, Abschnitt VII des Grundgesetzes, eingeräumt ist. Ich kenne eine Jugendfürsorge repressiver Art, ein Jugendgericht, die Jugendfürsorge, die Fürsorgeerziehung, ich kenne eine wirtschaftliche Fürsorge für die Jugend.
Aber eine präventive Jugendfürsorge ist bisher den
Staatsrechtlern offenbar entgangen. Es ist eine neue
Schöpfung dieses Gesetzes, mit einer präventiven Jugendfürsorge neuester Art die Verfassung erweitern zu wollen.
Wir wollen festhalten, daß die „Konferenz der Justizminister" vom 31. 3. bis 2. 4. 1950 in Rothenburg unter dem Vorsitz Ihres Parteifreundes Dr. Josef Müller, Herr Kollege Strauß, festgestellt hat, daß die Schund- und Schmutzliteratur zu bekämpfen ist und deshalb ein eigenes Referat bei den Generalstaatsanwaltschaften errichtet hat, ein Referat, das gerade in München vorzüglich zu arbeiten und zu wirken beginnt. Es scheint mir also unnötig, daß man einen umfangreichen Behördenapparat aufzieht und dadurch ernste Bedenken rechtlicher Art hervorruft, um einen Erfolg zu erreichen, den unsere Väter bereits bei Schaffung des Strafgesetzbuches im Auge hatten und der in der Strafrechtsnovelle von 1900 voll zur Geltung gekommen ist, indem § 184a eingefügt worden ist. Hier wäre vielleicht am ehesten die Möglichkeit gegeben, die Lücke des Gesetzes auszufüllen. Mit diesem Gesetz greifen wir den Verkehrten an. Strafbar müßte nicht derjenige sein, der die Zeitungen, Zeitschriften und Magazine aushängt, sondern strafbar müßte derjenige sein, der sie schreibt und der als Verleger Millionengewinne damit erzielt.
Es gilt also, in erster Linie hier zu erwägen, wie man diesen Personenkreis zu strafen hat. Mit diesem Gesetz schaffen wir nur eine vom Steuerzahler bezahlte Reklame für Literatur unerfreulichen Charakters.
Meine Damen und Herren! Jeder Vernünftige sieht wahrscheinlich ein, daß hier Maßnahmen ergriffen werden müssen, die anders als dieses Gesetz auszusehen haben, das hier heute vorgelegt worden ist. Meine Freunde und ich stellen uns bedingungslos auch hinter diese Forderung der Allgemeinheit, die im Gesetz zugrunde gelegt wird, sie fürchten nur aus prinzipiellen und rechtlichen Gründen, daß dieser Weg schwer gangbar ist und wenig Erfolg haben wird; sie werden aber durch ihre Mitarbeit im Ausschuß zeigen, welcher Weg ihnen richtiger erscheint, um das uns allen vorschwebende Ziel zu erreichen.