Rede von
Grete
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Herren und Damen! Die Diskussion über das Schund- und Schmutzgesetz hat lebhaften Protest aus allen Kreisen der Bevölkerung hervorgerufen; und es ist nicht verwunderlich — —
— Aber aus sehr vielen Kreisen! Ich möchte Ihnen den Journalistenverband, den PEN-Klub, die Kulturverbände, die Autoren, die Verleger, die Buchhändler usw., die Hamburger Freie Akademie nennen. Ich könnte Ihnen eine ganze Mappe solcher Proteste bringen.
Aber es ist bezeichnend, daß Sie jetzt sehr irreführend diese Vorlage „Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften" nennen, weil Sie wissen, daß Sie schamhaft diese Namen verschweigen müssen. Das Gesetz soll dazu dienen, jegliche fortschrittliche kulturelle Bewegung zu ersticken.
Nun, meine Herren und Damen, das ist nicht nur unsere Meinung, sondern das ist die Meinung der Öffentlichkeit, von der mein Vorredner bereits gesprochen hat. Reaktionäre Zeitungen in Bayern haben bereits die Werke von Erich Kästner, von Anna Seghers, von Becher als unter dieses Gesetz fallend klassifiziert; und das eröffnet eine ganz gute Perspektive, was Sie damit anzuwenden gedenken. Und die Hundhammersche Praxis beweist uns, daß die sehr befürwortenden und sehr vorsichtigen Äußerungen des Herrn Innenministers bei der Einbringung nichts anderes bezwecken, als darüber hinwegzutäuschen, daß hier ein Zensurgesetz eingebracht werden soll.
Aber, meine Herren und Damen, wer der Jugend wirklich helfen will, der muß den Kampf gegen den Amerikanismus aufnehmen!
Das heißt, meine Herren und Damen, gegen die Hollywood-Kitschkultur, das heißt gegen die Gangster- und Atombombenkultur, wie Sie sie in allen unseren Kinos sehen können, daß heißt gegen die Gangster-„Kultur", die zum Zwecke der Kriegsvorbereitung hier eingeführt wird, um unsere nationale Kultur zu zersetzen —
— und die allein zur Verwahrlosung der Jugend beiträgt.